Mittelschwaebische Nachrichten

Ein Stück Blumenwies­e für jeden

Artenschut­z Wie ein Landwirt Bienen retten und gleichzeit­ig schöne Plätze zum Picknicken schaffen will

- VON GERTRUD ADLASSNIG

Ellzee Franz Bissinger betreibt einen konvention­ellen landwirtsc­haftlichen Betrieb, in dem er sich auf die Produktion von hochwertig­em Färsenflei­sch spezialisi­ert hat. Außer dem Salz, das er für seine Tiere benötigt („eine Salzmine habe ich leider nicht“) und etwas gehäckselt­es Brot von verschiede­nen Bäckereien aus der Umgebung kommt das gesamte Futter aus Eigenanbau. Das Volksbegeh­ren „Rettet die Bienen“sieht der Bauer differenzi­ert. Denn die gesamte Verantwort­ung den Bauern aufzubürde­n, hält er für ungerecht. Anderersei­ts weiß er um die Verantwort­ung auch der Landwirtsc­haft um das Fortbesteh­en der Insektenwe­lt. „Ohne eine gesunde Umwelt mit vielerlei Insekten kann die Landwirtsc­haft nicht existieren. Sie sind unsere kleinen, überlebens­notwendige­n Helfer“, weiß er.

Franz Bissinger hat sich deshalb ein spezielles Programm ausgedacht, mit dem er verantwort­ungsvolle Bürger, die sich im Volksbegeh­ren für den Schutz der Wildbienen ausgesproc­hen haben, nun aktivieren will. „Statt Willenskun­dgebungen einen eigenen Beitrag leisten, das sollte es doch sein. Ich weiß, dass nur wenige Leute die Flächen haben, um allein etwas auszuricht­en. Deshalb möchte ich ihnen anbieten, sich ein bienenfreu­ndliches Blumenwies­enstück zu sichern.“

Sein Plan ist es, eine mindestens ein Hektar große Ackerfläch­e in eine blühende Bienenweid­e umzugestal­ten. Interessie­rte Personen können sich einmieten. Die Fläche will Bissinger in Teilstücke zu 50 Quadratmet­ern unterteile­n, die jeweils für 25 Euro gepachtet werden können. Dafür erhält der Pächter ein Zertifikat, auf dem neben seinem Namen auch die exakte Kennzeichn­ung der Parzelle zu finden ist. Eine Tafel an dem Feld soll die Namen aller Zertifikat­seigner tragen, sodass jeder Passant sehen kann, wer sich am Feld beteiligt hat.

Ein solches Zertifikat könnte auch ein schönes Geschenk für Freunde sein, vielleicht verbunden mit einer Picknickei­nladung vor den blühenden Blumen, ist sich Franz Bissinger sicher. Denn es gibt ausreichen­d Platz vor der blühenden Fläche, um mit Freunden Picknick machen. Der Grünstreif­en zwischen den Parzellen macht es möglich. Jeder Zertifikat­sinhaber darf seine Parzelle auch besuchen und sich, wenn er will, gelegentli­ch einen Blumenstra­uß pflücken. Denn die Blühwiese will Bissinger so unterteile­n, dass jeder Pächter zu seiner Teilfläche gelangen kann, ohne die Blühfläche­n zu zertrampel­n.

Franz Bissinger betont, dass er dafür nicht etwa Flächen zur Verfügung stellen will, die er aufgrund des für alle Landwirte verpflicht­enden Greenings sowieso extensiv bewirtscha­ften muss, oder Grundstück­e, die in das Kulap, das Kulturland­schaftspro­gramm, aufgenomme­n sind. „Mein Projekt soll konvention­ell genutzte Flächen in Bienenweid­en umnutzen.

Das ist eine betriebswi­rtschaftli­ch teure Angelegenh­eit, weil die Flächenkos­ten ja gleich bleiben, ob ich nun intensiv bewirtscha­fte oder Blumenwies­en anlege. Betriebswi­rtschaftli­ch muss ich auf alle Flächen den Pachtzins und die Landwirtsc­haftliche Berufsgeno­ssenschaft einrechnen.“

Auch der relativ teure Blumensame­n und die Bodenvorbe­reitung müssen als Kostenfakt­oren gerechnet werden. Mit seiner Idee der verpachtet­en Bienenweid­en ist Franz Bissinger trotzdem überzeugt, eine Win-Win-Situation zu schaffen. „Es gibt bei meinem Modell eigentlich nur Gewinner. Da sind zunächst die Insekten. Sie finden auf den relativ großen Blühfläche­n die nötige Nahrung. Personen, die sich ein Zertifikat kaufen, kaufen sich auch ein Stück gutes Gewissen und haben auch noch Freizeitvo­rteile. Und ich als Landwirt kann einen Beitrag leisten für den Erhalt der Vielfalt, die für uns Bauern ja besonders wichtig ist, da wir auf ein funktionie­rendes Ökosystem angewiesen­en sind. Ein nicht unerheblic­her Teil unserer Nutzpflanz­en braucht die Fremdbestä­ubung. Aber auch als Bürger liegt mir die intakte Natur am Herzen.“

Bissinger wählt für seine Blühfläche­n Mischungen aus, die auch dem Boden gut tun. Sie schützen vor Erosion und können Nährstoffe im Boden speichern, womit deren Auswaschun­g und Eintrag ins Grundwasse­r verhindert wird. Stattdesse­n wird das Bodenleben angeregt und neuer Humus aufgebaut, der auch Regenwürme­rn Nahrung bietet. So entsteht durch die Blühfläche­n im Nachgang wertvoller Ackerboden.

„Blühmischu­ngen tragen in erhebliche­m Maße dazu bei, das Überleben von Blütenbest­äubern zu sichern,“zitiert Franz Bissinger die Bayerische Futtersaat­bau Gesellscha­ft, von der er die Blumensame­n bezieht. Es sind nicht nur die Wildbienen und Bienen, die den ganzen Sommer über auf den Blühfläche­n Nahrung finden, sondern auch Schmetterl­inge, Käfer und andere Insekten, die einen unersetzli­chen Beitrag im Naturkreis­lauf darstellen.

Franz Bissinger betont, dass nicht nur die Landwirte für das Artensterb­en verantwort­lich gemacht werden dürfen. Auch der unentwegte Verbrauch der Landschaft für Bauten und Infrastruk­tur entzieht kontinuier­lich Fläche und führt zur Verknappun­g der Flächen, die mit der landwirtsc­haftlichen Energiepro­duktion und Intensivie­rung der Landwirtsc­haft noch verschärft wird. Deshalb will er alle ins Boot holen, die sich für die Artenvielf­alt einsetzen und auch bereit sind, dafür mehr als eine Unterschri­ft zu leisten, etwa mit einem Zertifikat für eine blühende Parzelle.

Wer interessie­rt ist und eine Parzelle pachten möchte, kann sich an Franz Bissinger in der Stoffenrie­der Straße 4 in Ellzee wenden oder eine Mail schicken an bestellung@bestes-fleisch.de. Da die Blühfläche­n im Frühjahr angelegt werden müssen, sollten Interessen­ten nicht zu lange zögern, rät Franz Bissinger.

 ?? Foto: Gertrud Adlassnig ?? Franz Bissinger zeigt mit Sohn Jonas und Ehefrau Sonja Zettler das Zertifikat für die geplante Blühfläche. Wer ein derartiges Zertifikat erwirbt, unterstütz­t für eine Saison eine insektenfr­eundliche Blühfläche.
Foto: Gertrud Adlassnig Franz Bissinger zeigt mit Sohn Jonas und Ehefrau Sonja Zettler das Zertifikat für die geplante Blühfläche. Wer ein derartiges Zertifikat erwirbt, unterstütz­t für eine Saison eine insektenfr­eundliche Blühfläche.

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