Mittelschwaebische Nachrichten
Gesucht: Einer wie Felix Magath
Als Manuel Baum auf der Pressekonferenz nach Spielende seine Sicht der Dinge darstellen sollte, klangen seine Worte wie eine Entschuldigung. Der Trainer des FC Augsburg hatte seine Mannschaft gegen RB Leipzig mit einer ultradefensiven Taktik auf den Rasen geschickt. Dem Verhindern eines Gegentreffers hatte er alles untergeordnet. „Recht viel tiefer, als wir heute gestanden sind, konnten wir gar nicht mehr stehen“, erläuterte Baum. Der 39-Jährige begründete seine Maßnahme mit personellem Engpass. Für eine Taktik mit aggressivem Anlaufen in des Gegners Spielhälfte fehlten ihm passende Spielertypen.
Baum berichtete von zehn verletzten und zwei gesperrten Spielern, unter anderem musste er auf den Doppeltorschützen des Dortmund-Spiels verzichten. DongWon Ji plagte sich wie etliche seiner Kollegen mit muskulären Problemen im Oberschenkel. Dass der FCA mit dem 0:0 dennoch einen Punkt beim Tabellendritten holte, werteten Baum und seine Spieler als Erfolg, während sich Ralf Rangnick, Leipzigs Trainer und Fußballdozent, nervende Journalistenfragen gefallen lassen musste. Warum hatte der Gastgeber es nicht bewerkstelligt, das Augsburger Bollwerk auseinanderzuschrauben? Warum siegt RB regelmäßig auswärts, aber nicht zu Hause?
Der FCA fühlte sich wie ein Gewinner, er baute seinen Vorsprung auf den VfB Stuttgart und den Relegationsplatz auf drei Zähler aus. Die Mannschaft des ehemaligen FCACoaches Markus Weinzierl unterlag bei Borussia Dortmund mit 1:3. Auch dort sprach der Trainer des Gastgebers, Lucien Favre, von einer extrem defensiven Taktik des Gegners, die Stuttgarter hätten einen „gigantischen Bus geparkt“, meinte Favre. Sprich: das Tor verriegelt und verrammelt.
Im Abstiegskampf scheint jedes Mittel recht. Spielerischer Glanz verblasst, über Einstellung, Wille und Leidenschaft werden Punkte angestrebt. Torhüter Gregor Kobel, neben Innenverteidiger Kevin Danso auffälligster Augsburger Akteur, sah im Freiburg-Desaster ein Schlüsselerlebnis. „Jeder Einzelne war sauer und hat Trotz entwickelt“, berichtete der Schweizer. Dieser Frust werde nun in Energie umgewandelt.
Baum hat seine Strategie den Gegebenheiten angepasst, hatte auf die Verletztenmisere und die Offensiv- kraft der Gegner reagiert. Im Konsens mit seiner Mannschaft, wie Michael Gregoritsch betonte. Der Österreicher, prinzipiell Liebhaber eines offensiveren Spielstils, berauschte sich in Leipzig am Tagwerk eines Abstiegskämpfers. Daran, sich in jeden Zweikampf zu werfen und als defensiver Mittelfeldspieler die Abwehrreihen zu schließen. „In der Hinrunde sind wir oft in Schönheit gestorben. Letzte Woche gewinnen wir gegen Dortmund, diesmal spielen wir zu null in Leipzig. Das passt.“
Gregoritsch hatte nach einer knappen Stunde eine der seltenen Augsburger Tormöglichkeiten verbucht, als er mit einem Schuss aus kurzer Distanz an Leipzigs Torhüter Peter Gulacsi gescheitert war. Wobei selbst Trainer Baum einräumte, ein Treffer wäre glücklich und ein Sieg unverdient gewesen. Gregoritsch erklärte, er verspüre weiterhin Angriffsdrang. Sagte aber auch: „Im Moment geht es nicht anders.“Da passte ins Bild, dass die FCA-Kicker eine Rettungstat wie einen eigenen Treffer bejubelten. Zehn Minuten vor Ende warf sich Linksverteidiger Philipp Max erfolgreich in einen Sabitzer-Schuss.
Die Ausgangsposition des FCA hat sich vor den entscheidenden Duellen im Kampf gegen den Abstieg verbessert. Vier Punkte haben die Augsburger jüngst gegen Spitzenteams aus Dortmund und Leipzig ergattert, nach der Kür wartet nun die Pflicht. Immense Bedeutung kommt den nächsten Partien zu. Am Samstag empfängt Augsburg den Tabellenvorletzten Hannover 96 (15.30 Uhr), nach der Länderspielpause sieht der Spielplan das Auswärtsspiel beim Ligaletzten 1. FC Nürnberg vor. Gregoritsch weiß, dass defensiv allein nicht genügen wird. „Uns muss bewusst sein, dass das andere Spiele sein werden. Das ist immens wichtig.“Mit Erfolgen dürfte der direkte Abstieg kaum noch Thema sein.
Vokabeln längst vergessener Zeiten: Führungswechsel, Spannung, Spitzenspiel. Fußballfans bedienten sich ihrer in grauer Vorzeit, um die Situation am oberen Tabellenende der Bundesliga zu beschreiben. Als wackere Bremer den Münchnern häufiger die Schale entrissen oder Stevens’ Schalker sich zumindest für vier Minuten als Meister fühlen durften. Ab und an erlaubte sich der Fußball besonders gelungene Scherze und ließ die gerade erst aufgestiegenen Kaiserslauterner oder von Magath geschundenen Wolfsburger den Titel gewinnen. Magath wird eher einem Philantropen-Verein beitreten als nochmals deutscher Meister zu werden.
Nun aber: retro. Bayern und Dortmunder balgen sich an der Tabellenspitze. Wer glaubt, die Vorentscheidung sei gefallen, nur weil die Münchner nun vor dem BVB stehen, irrt. Die vergangenen Wochen offenbarten, dass der hochtalentierte Dortmunder Kader nicht für die Anstrengungen einer andauernden Dreifachbelastung konzipiert war. Dieses Problem haben sie auf recht einfallslose Art mit Niederlagen in Pokal und Champions League gelöst. Mit dem Erfolg gegen Stuttgart zeigte die Mannschaft, dass sie sich Kompetenz darin erworben hat, auch mäßige Spiele zu ihren Gunsten zu beenden.
Eine Qualität, die den Münchnern schon länger zu eigen ist und die in einer Spezialausprägung als „Bayern-Dusel“Eingang in den Sprachgebrauch gefunden hat. Den allerdings benötigte der Rekordmeister zuletzt nicht. Zu energisch sind die vergangenen Auftritte, als dass die Mannschaft glückliche Umstände benötigen würde.
So streben Bayern und Dortmunder einem selten brisanten Duell entgegen. Eine Partie zweier Mannschaften, die sich auf einem ähnlichen Niveau befinden und die ersten beiden Plätze unter sich ausmachen. Spitzenspiel nennt sich diese Veranstaltung, die am 6. April aufgeführt wird. Genug Zeit, um sich mit einigen vergessenen Vokabeln vertraut zu machen. Lassen die Bayern ihre Millionen-Einnahmen vernünftig in den Kader fließen, können die Vokabeln aber auch schnell wieder vergessen werden. Dann bleiben immerhin Erinnerungen an dieses spannende Frühjahr 2019.