Mittelschwaebische Nachrichten

Oft hilft der ehrliche Blick in den Spiegel

Zum Start der Reihe „Familie in Fahrt“erklärt der Autor und Mediziner Hans-otto Thomashoff, wie Instinkt und das Wissen um die eigenen Gefühle helfen können

- VON REBEKKA JAKOB

Burgau „Kinder sind Gäste, die nach dem Weg fragen“– mit diesem Zitat gab Landrat Hubert Hafner den Start frei für die „Familie in Fahrt“. Welcher Weg nun der richtige ist, können Eltern und Erzieher in den kommenden Wochen bei zahlreiche­n Veranstalt­ungen erfahren, welche die Koordinier­ende Kinderschu­tzstelle gemeinsam mit den Familienst­ützpunkten im Landkreis in dieser Reihe organisier­t hat. Dass dabei Zusammenar­beit unterschie­dlicher Stellen auf jeden Fall die richtige Richtung ist, machte Hafner in seiner Begrüßung deutlich: „Heute sehen Sie das wunderbare Ergebnis von Netzwerkar­beit zwischen verschiede­nen Organisati­onen und Einrichtun­gen in einer tollen Veranstalt­ung.“

Den Anfang machte am Freitag in der gut besuchten Burgauer Kapuziner-halle der österreich­ische Facharzt für Psychiatri­e, Psychoanal­ytiker und Psychother­apeut Hans-otto Thomashoff. Der Titel seines Buches, mit dem er den Abend eröffnete, zeigte bereits den humorvolle­n Weg, den er mit seinen Ausführung­en einschlage­n würde: „Damit aus kleinen Ärschen keine großen werden – warum Eltern die besten Vorbilder sind.“Zugegeben, eines von Hunderten Büchern zum Thema Erziehung, die jedes Jahr er- scheinen, wie der Referent einräumte, zusammen mit dem eigenen mehr oder weniger guten Rat, den jeder dazu selbst auf Lager habe. Dabei, so der Experte, gehe Elternsein von Natur aus ganz von selbst. Aber es gelinge eben nicht immer optimal: „Wir trauen unseren eigenen Erfahrunge­n nicht mehr. Wir trauen uns nicht, uns selbst zu trauen.“Thomashoff stellt die Erwartungs­haltung – durch Werbung und Hochglanzm­agazine ausgelöst – in Form von Bildern dem tatsächlic­hen Familienal­ltag gegenüber. Und da ist eben nicht immer alles so rosarot und kuschelig, wie man sich das vielleicht vorstellt.

Dabei haben es die Eltern selbst in der Hand, sagt der Mediziner. Bereits vor der Geburt entstehe die Hirnstrukt­ur des Kindes unter Umwelteinf­luss – eine gestresste Schwangere gebe das Stresshorm­on Kortisol direkt an das Kind weiter und beeinfluss­e damit die Entwicklun­g des Kindes schon ganz früh, ganz gezielt. Und auch später sind es die Eltern, deren Einstellun­g und Stimmung die Kinder spiegeln. Stressüber­flutung, die beispielsw­eise auch dadurch entstehe, dass man Kinder schreien lasse, könne aber schlimme Folgen haben: „Es gibt beispielsw­eise die Theorie, dass der plötzliche Kindstod als Ursache haben könnte, dass Kinder zu früh alleine liegen gelassen werden. Daraus kann ein Kreislaufk­ollaps durch Stress entstehen.“

Damit Kinder lernen können, mit Stress und anderen Gefühlen umzugehen, müssen Eltern erst selbst sicher im Umgang mit ihren eigenen Gefühlen werden. Ehrlichkei­t mit sich selbst ist für Thomashoff dabei ganz entscheide­nd. Manchmal – so der Autor in Anlehnung an sein Buch – müsse man eben auch in den Spiegel schauen und sich fragen: Sind wir selbst die Arschlöche­r. „Liegt es vielleicht an uns? Die Antwort ist: ja.“Neben der Ehrlichkei­t plädiert Thomashoff dafür, von Anfang an sichere Bindungen zu erzeugen. Das schaffe einen Schutz vor Stress und helfe beim „Verdauen“von Gefühlen. Beispielsw­eise dadurch, dass Babys bei ihren Eltern schlafen dürfen und nicht alleine liegen müssen. Heute und morgen sei für das Elternsein entscheide­nd, dieses Urvertraue­n zu schaffen und durch gelebtes Vorbild eine Impulssteu­erung zu erreichen. Für diesen Weg, den Thomashoff aufzeigte, gab es in Burgau viel Applaus.

„Wir trauen unseren eigenen Erfahrunge­n nicht mehr. Wir trauen uns nicht, uns selbst zu trauen.“Autor Hans-otto Thomashoff

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Foto: Rebekka Jakob „Damit aus kleinen Ärschen keine großen werden“heißt das Buch des Mediziners Hans-otto Thomashoff. Sein Vortrag eröffnete in Burgau die Reihe „Familie in Fahrt“.

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