Mittelschwaebische Nachrichten
Oft hilft der ehrliche Blick in den Spiegel
Zum Start der Reihe „Familie in Fahrt“erklärt der Autor und Mediziner Hans-otto Thomashoff, wie Instinkt und das Wissen um die eigenen Gefühle helfen können
Burgau „Kinder sind Gäste, die nach dem Weg fragen“– mit diesem Zitat gab Landrat Hubert Hafner den Start frei für die „Familie in Fahrt“. Welcher Weg nun der richtige ist, können Eltern und Erzieher in den kommenden Wochen bei zahlreichen Veranstaltungen erfahren, welche die Koordinierende Kinderschutzstelle gemeinsam mit den Familienstützpunkten im Landkreis in dieser Reihe organisiert hat. Dass dabei Zusammenarbeit unterschiedlicher Stellen auf jeden Fall die richtige Richtung ist, machte Hafner in seiner Begrüßung deutlich: „Heute sehen Sie das wunderbare Ergebnis von Netzwerkarbeit zwischen verschiedenen Organisationen und Einrichtungen in einer tollen Veranstaltung.“
Den Anfang machte am Freitag in der gut besuchten Burgauer Kapuziner-halle der österreichische Facharzt für Psychiatrie, Psychoanalytiker und Psychotherapeut Hans-otto Thomashoff. Der Titel seines Buches, mit dem er den Abend eröffnete, zeigte bereits den humorvollen Weg, den er mit seinen Ausführungen einschlagen würde: „Damit aus kleinen Ärschen keine großen werden – warum Eltern die besten Vorbilder sind.“Zugegeben, eines von Hunderten Büchern zum Thema Erziehung, die jedes Jahr er- scheinen, wie der Referent einräumte, zusammen mit dem eigenen mehr oder weniger guten Rat, den jeder dazu selbst auf Lager habe. Dabei, so der Experte, gehe Elternsein von Natur aus ganz von selbst. Aber es gelinge eben nicht immer optimal: „Wir trauen unseren eigenen Erfahrungen nicht mehr. Wir trauen uns nicht, uns selbst zu trauen.“Thomashoff stellt die Erwartungshaltung – durch Werbung und Hochglanzmagazine ausgelöst – in Form von Bildern dem tatsächlichen Familienalltag gegenüber. Und da ist eben nicht immer alles so rosarot und kuschelig, wie man sich das vielleicht vorstellt.
Dabei haben es die Eltern selbst in der Hand, sagt der Mediziner. Bereits vor der Geburt entstehe die Hirnstruktur des Kindes unter Umwelteinfluss – eine gestresste Schwangere gebe das Stresshormon Kortisol direkt an das Kind weiter und beeinflusse damit die Entwicklung des Kindes schon ganz früh, ganz gezielt. Und auch später sind es die Eltern, deren Einstellung und Stimmung die Kinder spiegeln. Stressüberflutung, die beispielsweise auch dadurch entstehe, dass man Kinder schreien lasse, könne aber schlimme Folgen haben: „Es gibt beispielsweise die Theorie, dass der plötzliche Kindstod als Ursache haben könnte, dass Kinder zu früh alleine liegen gelassen werden. Daraus kann ein Kreislaufkollaps durch Stress entstehen.“
Damit Kinder lernen können, mit Stress und anderen Gefühlen umzugehen, müssen Eltern erst selbst sicher im Umgang mit ihren eigenen Gefühlen werden. Ehrlichkeit mit sich selbst ist für Thomashoff dabei ganz entscheidend. Manchmal – so der Autor in Anlehnung an sein Buch – müsse man eben auch in den Spiegel schauen und sich fragen: Sind wir selbst die Arschlöcher. „Liegt es vielleicht an uns? Die Antwort ist: ja.“Neben der Ehrlichkeit plädiert Thomashoff dafür, von Anfang an sichere Bindungen zu erzeugen. Das schaffe einen Schutz vor Stress und helfe beim „Verdauen“von Gefühlen. Beispielsweise dadurch, dass Babys bei ihren Eltern schlafen dürfen und nicht alleine liegen müssen. Heute und morgen sei für das Elternsein entscheidend, dieses Urvertrauen zu schaffen und durch gelebtes Vorbild eine Impulssteuerung zu erreichen. Für diesen Weg, den Thomashoff aufzeigte, gab es in Burgau viel Applaus.
„Wir trauen unseren eigenen Erfahrungen nicht mehr. Wir trauen uns nicht, uns selbst zu trauen.“Autor Hans-otto Thomashoff