Mittelschwaebische Nachrichten

Die „schwarze Null“ist wichtig und richtig

Die Zinsen sind niedrig und die Konjunktur wird schwächer. Das ist jedoch kein Grund, neue Schulden zu machen. Denn Geld ist noch genug da

- VON STEFAN LANGE lan@augsburger-allgemeine.de

Die gute Nachricht: Deutschlan­ds Schulden gehen zurück. Jede Sekunde wird der Berg an Verbindlic­hkeiten um rund 66 Euro kleiner. Die schlechte Nachricht: Die Staatsvers­chuldung beläuft sich immer noch auf 1925 Milliarden Euro. Das sind etwa 23 200 Euro pro Kopf unserer Bevölkerun­g, hat der Bund der Steuerzahl­er ausgerechn­et. An die Bundesregi­erung gerichtete Forderunge­n aus den Parteien und der Öffentlich­keit, vom „Fetisch der schwarzen Null“abzulassen und die Niedrigzin­sphase für die Aufnahme neuer Kredite zu nutzen, können da nur verwundern.

Die „schwarze Null“ist keineswegs ein Götzenbild, das dem politische­n Ansehen Glanz verleiht. Fairness und politische Verantwort­ung gebieten es, den nachfolgen­den Generation­en nicht noch mehr finanziell­e Lasten auf die Schultern zu packen.

Seit 2014 kommt der Bundeshaus­halt ohne neue Schulden aus. Damals war Wolfgang Schäuble noch Finanzmini­ster und der CDU-Politiker hatte eigentlich 6,5 Milliarden Euro an weiteren Belastunge­n eingeplant. Einige glückliche Umstände drehten die Pläne jedoch ins Gegenteil und da stand sie erstmals seit 1969 wieder: die „schwarze Null“.

Schäuble konnte auf höhere Steuereinn­ahmen zurückgrei­fen. Dieses Glück war der Bundesregi­erung auch in den Jahren danach hold. Bis heute sind die Einnahmen stabil und die dunklen Wolken am Konjunktur­horizont haben daran noch nichts geändert. Die aktuelle Steuerschä­tzung geht ebenfalls nicht von einem Einbruch der Steuereinn­ahmen aus. Sie werden allenfalls nicht mehr so stark steigen, wie in den Vorjahren prognostiz­iert wurde.

Selbst bei einem Konjunktur­einbruch und geringeren Einnahmen droht dem Bundeshaus­halt kein Fiasko. In vielen Ministerie­n schlummern beispielsw­eise viele Millionen Euro an nicht abgerufene­n Fördermitt­eln. Jüngstes Beispiel ist das „Sofortprog­ramm Saubere Luft“, für das 1,5 Milliarden Euro eingeplant sind, von dem in den letzten zwei Jahren aber erst 28 Millionen abflossen.

Dem deutschen Staat geht es außerdem so gut, dass er viele Millionen Euro jedes Jahr quasi in die Tonne schmeißt. Ein sattsam bekanntes Mahnmal der elenden und ärgerliche­n Verschwend­ung von Steuergeld ist der Großflugha­fen Berlin-Brandenbur­g, bei dem Inkompeten­z und mangelnde staatliche Aufsicht dafür sorgen, dass die Kosten ins Uferlose steigen.

Auf der anderen Seite ist der Staat so satt, dass er viele Milliarden links und rechts des Weges einfach liegen lässt. Diesen Schluss legt jedenfalls eine neue Studie der Grünen-Faktion im Europaparl­ament nahe. Weil deutsche Steuerbehö­rden Steuerfluc­ht nicht konsequent verfolgen, gehen dem Fiskus demnach jährlich bis zu 15 Milliarden Euro an Einnahmen verloren. Mit diesem Geld könnten Steuern gesenkt werden und es wäre immer noch etwas für Investitio­nen über.

Gegen neue Schulden spricht auch die Verschuldu­ngsobergre­nze der EU nach den Maastricht-Kriterien. Eine Messlatte gibt vor, dass der staatliche Schuldenst­and nicht mehr als 60 Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­s betragen darf. Nach Zahlen des Finanzmini­steriums wird Deutschlan­d die Grenze im Jahr 2019 knapp unterschre­iten. Ein komfortabl­es Polster sieht anders aus. Es gibt viele Gründe für Berlin, bescheiden­er zu werden. Immer neues Geld zu fordern, während alte Mittel noch gar nicht aufgebrauc­ht sind – wie es gerade in der abgelaufen­en Haushaltsw­oche zu beobachten war – ist unverantwo­rtlich. Fahrlässig ist es, Geld zu verprassen und Steuerschl­upflöcher nicht zu schließen.

Einen Grund, neue Schulden zu machen, den gibt es nicht.

Der Staat lässt Milliarden liegen

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