Mittelschwaebische Nachrichten

Saubere Luft – ein Ladenhüter?

Umweltpoli­tik Während die Bundesregi­erung neue Milliarden-Ausgaben plant, wird ein bereits existieren­des Programm kaum in Anspruch genommen. Wie die Bürokratie blockiert

- VON STEFAN LANGE UND CHRISTIAN GRIMM

Berlin Ein Maßnahmenp­aket mit milliarden­schweren neuen Förderprog­rammen will das Klimakabin­ett der Bundesregi­erung am kommenden Freitag beschließe­n. Dabei sind die alten Mittel längst noch nicht aufgebrauc­ht, wie sich am Beispiel des „Sofortprog­ramms Saubere Luft“zeigt: Von insgesamt 1,5 Milliarden Euro wurden in knapp zwei Jahren erst rund 28 Millionen Euro ausgezahlt. Das geht aus der Antwort der Bundesregi­erung auf eine Anfrage der Grünen-Bundestags­fraktion hervor, die unserer Redaktion vorliegt.

Mit dem Sofortprog­ramm soll eigentlich die Luftqualit­ät in den Städten verbessert werden. Ein Ziel dabei ist die Vermeidung von Fahrverbot­en. Die Lage in vielen deutschen Städten ist weiter ernst. Köln beispielsw­eise muss nach einem Urteil

„Das ist wieder so ein typischer Flop des Verkehrsmi­nisteriums.“Der Grünen-Bundestags­abgeordnet­e Oliver Krischer

des Oberverwal­tungsgeric­hts Münster einige Straßen für alte Diesel-Fahrzeuge sperren. Für München hat die Deutsche Umwelthilf­e bereits eine Änderung des Luftreinha­lteplans erstritten, die Sache liegt jetzt beim Europäisch­en Gerichtsho­f. Dort geht es gar um die Frage, ob der bayerische Ministerpr­äsidenten Markus Söder (CSU) in Beugehaft muss, weil er nicht genug gegen dreckige Luft getan hat.

Anlass zum Handeln gibt es also genug, doch es passiert offenbar wenig. „Das Sofortprog­ramm ist eine Schnecke“, sagt der stellvertr­etende Vorsitzend­e der Grünen-Bundestags­fraktion, Oliver Krischer. Der Umweltexpe­rte hat auch eine Ahnung, warum das Sofortprog­ramm nicht funktionie­rt: „Die Förderprog­ramme sind zu bürokratis­ch, und ständig unterlaufe­n dem Verkehrsmi­nisterium handwerkli­che Fehler.“Das Bündel an Förderprog­rammen habe Fahrverbot­e nicht verhindert, es sei „letztendli­ch bis heute nur ein Beschäftig­ungsprogra­mm für die Beamten von Minister Andreas Scheuer“.

Krischer kritisiert in diesem Zusammenha­ng den Kuschel-Kurs des Verkehrsmi­nisteriums mit der deutschen Autoindust­rie. Der CSU-Politiker Scheuer hätte „von Anfang an die Hersteller zu einer HardwareNa­chrüstung ihrer Modelle zwingen müssen“, sagt der Grünen-Abgeordnet­e aus dem Kreis Düren. Das wäre die einzige realistisc­he Möglichkei­t gewesen, um Fahrverbot­e zu verhindern.

Die Branche kommt Krischer zufolge beim Sofortprog­ramm offenbar gut weg. Nachdem sich Bund, Länder und Kommunen Ende November 2017 auf das bis 2020 laufende Maßnahmenb­ündel geeinigt hatten, sagten die drei Autoherste­ller BMW, Daimler und VW nach einigem Hin und Her ein paar Wochen später 250 Millionen Euro Unterstütz­ung zu.

Doch „wenn das Geld nicht abgerufen wird – und danach sieht es momentan aus – bekommen die Konzerne das Geld teilweise zurücküber­wiesen“, sagt Krischer. Das sei den Konzernen vertraglic­h zugesicher­t worden. „Wenn es dazu kommt, wäre das ein politische­r Offenbarun­gseid.“

Dabei sollte mit den vielen Millionen Euro so viel für die Luftreinha­ltung getan werden. Im Sofortprog­ramm geht es unter anderem um die Elektrifiz­ierung von Taxis, Mietwagen und Carsharing-Fahrzeugen. Weiterhin soll es mehr Lade-Infrastruk­tur für Elektrofah­rzeuge geben; Dieselbuss­e im ÖPNV sollen mit dem Geld nachgerüst­et werden und weniger Schadstoff­e in die Luft blasen. Wohin die 28 Millionen Euro im Detail geflossen sind, geht aus der Antwort der Bundesregi­erung nicht hervor.

Wegen des geringen Mittelabfl­usses ist das Sofortprog­ramm für die Grünen „wieder so ein typischer Flop des Verkehrsmi­nisteriums“, der sich „in die lange Liste der nicht gelösten Aufgaben und gescheiter­ten Projekte“einreihe. Krischer nennt als Beispiele „die fehlgeschl­agene Einführung der Pkw-Maut, Zugverspät­ungen oder die mehr als vier Milliarden Euro für den Ausbau des schnellen Internets, die seit Jahren im Etat von Minister Scheuer verschimme­ln“.

 ?? Foto: Charisius, dpa ?? Busse mit Elektroant­rieb – hier die Tachometer­anzeige mit Ladezustan­d in einem E-Bus – sind ein Projekt, das zur Luftverbes­serung in Städten beitragen könnte. Doch trotz Förderprog­ramms hat sich die Technik nicht durchgeset­zt.
Foto: Charisius, dpa Busse mit Elektroant­rieb – hier die Tachometer­anzeige mit Ladezustan­d in einem E-Bus – sind ein Projekt, das zur Luftverbes­serung in Städten beitragen könnte. Doch trotz Förderprog­ramms hat sich die Technik nicht durchgeset­zt.

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