Mittelschwaebische Nachrichten
Hunde sind nachtragend
Kolumne Die Situation kennt vermutlich jeder Hundebesitzer: Sein Tier hat irgendeinen „Spezialfreund“, den es überhaupt nicht ausstehen kann. Warum, weiß keiner. Doch Versöhnen klappt nicht. Bei Wölfen ist das anders
Hundebesitzer kennen das sicherlich: Fast jeder Hund hat einen „Spezialfreund“, den er aus unerklärlichen Gründen nicht leiden kann. Manche Vierbeiner machen um große schwarze, manche um kleine weiße Hunde einen Bogen. Manche verstecken sich hinter ihrem Menschen, wenn ein Schäferhund des Weges kommt, manche schmeißen die Nerven weg, wenn ein winziger, aber quirliger Artgenosse in Sichtweite ist.
Oft geht solchen Antipathien ein Streit voraus. Auch schlechte Erfahrungen mit ähnlichen Hunden können Spuren hinterlassen. Was auch immer der Grund sein mag: Hundebesitzer ziehen meist die Konsequenzen und vermeiden bestimmte Spazierwege zu bestimmten Zeiten, um dem Feind nicht in die Arme zu laufen. Dann steht die Frage im Raum: Kann man nichts machen, damit sie sich vertragen?
Schwierig. Aus der Verhaltensforschung mit Hunden und Wölfen wissen wir: Wenn zwei sich nicht mögen, gilt das bei Hunden oft auf Lebenszeit. Eine Versöhnung nach einem Streit ist selten, denn Hunde sind untereinander nachtragend. Das wirkt auf den ersten Blick seltsam, denn bei Wölfen ist die Sache ganz anders. Sie haben immer nur kurzen Stress, sie vertragen sich aber auch schnell wieder miteinander. Das liegt nahe, denn Wölfe leben in Rudeln, in denen jeder eine bestimmte Aufgabe übernimmt. Die Tiere sind aufeinander angewiesen. Kommt es unter Wölfen zu Konflikten, können die Tiere mit einem Blick oder einem Knurren schnell klarstellen, wer das Sagen hat. Danach ist alles in bester Ordnung.
Hunde hingegen sind durch das Zusammenleben mit dem Menschen nicht auf ihre Artgenossen angewiesen. Kontakte dienen nur dem lockeren Sozialleben, haben darüber hinaus aber keine wichtige Funktion. Selbst frei laufende Hunde schließen sich nur zusammen, wenn es unbedingt sein muss. Folge: Weil sie nicht abhängig voneinander sind, streiten sie heftiger und pfeifen danach auf eine Versöhnung. Neun von zehn Konflikten, das zeigte eine Untersuchung im Wolfforschungszentrum in Ernstbrunn, wurden bei Hunden mit Beißen und Niederstoßen ausgetragen. Bei den Wölfen waren es nur vier von zehn. In allen anderen Fällen reichte das Drohen oder Verjagen, um den Kontrahenten in seine Schranken zu weisen.
Als Haustiere profitieren Hunde im Gegenzug davon, wenn sie sich mit Menschen gut stellen. Und auch dazu fällt Hundebesitzern bestimmt eine Geschichte ein: Wie der Hund sich versöhnlich zeigt, sich langsam nähert und anschmiegt, nachdem er etwas angestellt hat. Ein schöner Moment.
Tanja Warter ist Tierärztin. Seit zehn Jahren verknüpft sie die Leidenschaft für die Tiermedizin mit dem Spaß am Schreiben.