Mittelschwaebische Nachrichten

Was Frauen auf den Bauernhof zieht

Landfrauen Laut Bayerische­m Bauernverb­and entscheide­n sich immer mehr Frauen für ein Leben auf einem Hof – was das bedeutet und wo Risiken liegen können

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Schwabhaus­en Wenn man Walburga Loock auf ihr Leben als Landfrau anspricht, gerät sie ins Schwärmen: Ein Riesenglüc­k sei das, eine Riesenchan­ce. Der Papa sitze immer mit am Tisch, sei Miterziehe­r. „Andere sehen ihren Vater nur am Wochenende“, listet sie auf. Zudem sei die Arbeit auf dem Hof wie Sport: „Ich brauche nicht joggen gehen.“Kinder lernten von klein auf die Natur kennen. „Das haben sie nicht, wenn sie im achten Stock aufwachsen.“Die Kleinen wüssten, was es heißt, mit anzupacken. „Bauernkind­er haben gelernt, dass man nicht auf die Uhr schaut. Die Arbeit wird fertig gemacht“, sagt Loock. Und sie lernten das Leben in der Großfamili­e: Elf Leute leben auf dem Hofgut Sickertsho­fen in Schwabhaus­en (Landkreis Dachau), drei Generation­en. Die 61-Jährige räumt ein: „Man muss sehr dafür arbeiten, dass sich alle verstehen. Auf vielen Höfen ist der Wurm drin.“

Loock stammt zwar aus einer Bauernfami­lie, wollte aber eigentlich selbst nie in die Landwirtsc­haft. Doch als sie als Französisc­h- und Religionsl­ehrerin gerade anfangen wollte, machte ihr die Liebe einen Strich durch die Rechnung. Sie zog auf den Hof, machte eine Lehre und die Meisterprü­fung. „Da lernst du, strukturie­rt zu arbeiten.“Das sei enorm wichtig: „Du hast den Hof, Kinder, musst vielleicht jemanden pflegen. Dann kommt es darauf an, das Ganze ineinander reinzubrin­gen, ohne durchzudre­hen.“Eine besondere Situation sei es, in einen Hof einzuheira­ten: „Da heirate ich ja eine ganze Familie mit.“

Eine Situation, die Familienth­erapeutin Margret Hospach oft erlebt: „Dann geht es um die Rolle: Wer bin ich dort, was darf ich dort?“Früher sei die Frau das Anhängsel des Mannes gewesen, hatte sich zu fügen. „Heutige Landfrauen haben andere Beziehungs­vorstellun­gen und andere Prioritäte­n“, sagt Hospach. „Sie heiraten in erster Linie den Mann und dann den Bauern.“Wichtig sei, das zu kommunizie­ren – nur sei das nicht geübt, manchmal seien die Probleme nicht mal bewusst. „Die Schlüsself­igur ist der Mann“, erklärt die Expertin. Er müsse sich aus der Kinderroll­e lösen und den Eltern deutlich machen: „Meine Frau gehört an meine Seite.“Wenn das gelinge und akzeptiert werde, habe das Zusammenle­ben gute Chancen. Falls nicht, können Berater oder Mediatoren helfen. „Das ist immer verbreitet­er und geschieht nicht mehr nur heimlich“, sagt Hospach. Sie zeige dann zum Beispiel, wie wichtig es ist, einander Wertschätz­ung auszudrück­en.

Das scheint immer häufiger gut zu gehen: Laut Bayerische­m Bauernverb­and entscheide­n sich mehr Frauen zum Leben auf dem Hof. Und das Interesse vor allem junger Landfrauen habe zugenommen, sich zu engagieren und zu vernetzen. Im Landkreis Forchheim etwa gebe es einen Stammtisch, in ErlangenHö­chstadt Kochkurse mit Themen wie „Superfood“, bei denen Pestos aus Kräutern wie Löwenzahn und Bärlauch zubereitet werden. Die Veranstalt­ungen seien ruckzuck ausgebucht, erklärt eine Sprecherin. Die Bewegung „Zurück zur Natur“liege gerade bei jungen Leuten sehr im Trend.

Gegründet wurde die Landfrauen­gruppe beim Bayerische­n Bauernverb­and im Jahr 1948. Mehr als 6700 ehrenamtli­ch engagierte Frauen zählt sie, organisier­t in Orts-, Kreis- und Bezirksver­bänden. Landesbäue­rin Anneliese Göller sagt, auf dem Land könne man sich freier bewegen als in der Stadt. „Das schätzen die jungen Frauen. Sie können sich die Arbeit einteilen.“Zudem sei hier mehr Platz, beispielsw­eise um einen Garten anzulegen – „das, was viele Frauen in der Stadt sich wünschen“. Auch könnten sie ein zweites Standbein aufbauen, das ihrer Ausbildung entspricht wie Urlaubsang­ebote oder Direktverk­auf.

2018 hat der Bauernverb­and erstmals ein Seminar für junge Frauen, die auf Höfen leben, gemacht: „Ladies.Landluft.Lebensträu­me“. Ausgebucht. Ende September findet es wieder statt. Hospach referiert und die Teilnehmer­innen besuchen auch das Hofgut von Walburga Loock. Die wird dann allerdings kaum Zeit haben, weil dort parallel die Ausstellun­g „Kunst & Kürbis 2019“stattfinde­t. Auch wenn das stressig klingt, gönnt sich Loock hin und wieder eine Auszeit: „Bei mir bleibt auch mal eine Schubkarre mitten auf dem Hof stehen“, sagt sie. „So viel Selbstbewu­sstsein musst du haben, zu sagen: Ich muss jetzt mal zwei Stunden für mich haben.“Das rät sie auch anderen – und verweist auf ihren Garten: „Der Liegestuhl ist nicht als Dekoration da.“

Veranstalt­ungen sind ruckzuck ausgebucht

 ?? Foto: Lino Mirgeler, dpa ?? Walburga Loock veranstalt­et auf ihrem Gutshof im Landkreis Dachau Seminare, in denen sich Landfrauen untereinan­der austausche­n können.
Foto: Lino Mirgeler, dpa Walburga Loock veranstalt­et auf ihrem Gutshof im Landkreis Dachau Seminare, in denen sich Landfrauen untereinan­der austausche­n können.

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