Mittelschwaebische Nachrichten
Von Kaisern, Generälen und einer Silberlocke
Rudi Gutendorf war eher nicht vom Schlage jener, die sich im Falle des eigenen Ablebens lange Trauer erbeten. Der Trainer konnte auf ein erfülltes Leben zurückblicken. Sein Tod erschüttert nicht, sondern erinnert vielmehr an einen Mann, für den Fußball das Wichtigste der Welt war – aber nur, solange er auf dem Feld stand. Abseits des Rasens war er dem Leben mehr zugeneigt, als es die heutige Generation der Trainer sein sollte, falls ihnen etwas an einem einwandfreien Leumund liegt.
Gutendorf entstammt einer Zeit, die bei allem erzwungenen Verzicht freigiebig war bei der Vergabe von Bei- und Spitznamen. Den „Riegel-Rudi“handelte er sich wegen seiner mauernden Duisburger Mannschaft ein. Wenn vom „Kaiser“die Rede ist, weiß jeder, dass gleich gefranzelt wird. „Tante Käthe“schaffte es ins Amt des Bundestrainers und wenn beim FC Bayern vom „Tiger“geraunt wird, ist Hermann Gerland gemeint. Jene Namen haben meist etwas mit Charaktereigenschaften oder auffälligem Aussehen zu tun. Jupp Heynckes wurde beispielsweise hinter vorgehaltener Hand „Osram“genannt. Der spätere ChampionsLeague-Sieger lief oftmals rot an, wenn er engagiert zu seinem Team sprach. Ottmar Hitzfeld ist ein umgänglicher Mann, wegen seiner Selbstkontrolle aber auch als „General“bekannt.
Die Zeit der Spitznamen aber scheint vorbei. Nicht einmal jene, deren Sprache und/oder eigentümliches Verhalten Vorlagen in vielerlei Sinne geben, erhalten allgemein bekannte Beinamen. Joachim Löw. Da muss doch mehr möglich sein als „Jogi“.
Der ewig unzufriedene Lucien Favre hat sich schon längst den „Zauderer von Zorc“verdient. Niko Kovac, dieser oftmals vorhersehbar coachende Meistermacher, würde sich als „Münchner Metronom“gut in die Liste einpassen.
Wahrscheinlich aber sind die Zeiten der Spitznamen einfach vorbei. Für manchen Trainer ist das von Vorteil. Schließlich kann man sich Spitznamen ja nicht selber aussuchen. Jupp Derwall zum Beispiel hing lange der „Häuptling ondulierte Silberlocke“nach, den ihm Max Merkel verpasst hatte. Dann doch lieber wie Rudi Gutendorf. Riegel in Frieden.