Mittelschwaebische Nachrichten
Einkaufen als Befreiung
Heute, am 16. September, gilt die Bauernregel: „An Sankt Cyprian zieht man oft schon Handschuh’ an.“Und tatsächlich nähern wir uns der Jahreszeit, in der sich der Mensch mit Parka, Baumwollhandschuh und Bomberjacke gegen die Kälte rüstet.
Aber der beste Wärmeschutz hilft nicht gegen die ganz neue Erfrierungsgefahr. Der aktuelle Frost, so predigen Soziologen, entsteht durch soziale Kälte. Einst wurde der kultivierte Mensch allgemein als Gemeinschaftswesen beschrieben. Inzwischen entwickelt er sich immer mehr zu einem Einzelgänger. Wie sein Steinzeitvorfahr hockt er Tag für Tag in seiner Wohnhöhle. Dort beschäftigt er sich allerdings nicht mit Faustkeil und Steinschleuder, sondern mit Handy, Laptop und PC.
Da liegt die Vermutung nahe, dass die Handschuhempfehlung am Tag des heiligen Cyprian in eine ganz andere Richtung zielt. Die vordringliche Aufgabe unserer Zeit ist es, nicht Synthetik-, sondern Samthandschuhe anziehen, um mit dem zarten Zugriff der Menschlichkeit ein paar isolierte Mitmenschen aus der Twitter-, Instagramund Facebookwelt zu holen.
Solche Nächstenliebe wäre ganz im Sinne des Zukunftsforschers Horst W. Opaschowski: „Je mehr sich Homebanking und OnlineShopping ausbreiten, desto größer wird unser Bedürfnis nach persönlichen Kontakten, nach Sehen und Gesehenwerden beim Ausgehen oder beim Einkaufsbummel.“