Mittelschwaebische Nachrichten
Der Markgraf residiert wieder im Stadtschloss
Sanierung Diese Woche wird das Servicezentrum des Finanzamts offiziell eingeweiht. Was bei diesem Bauabschnitt des Großprojekts zum Vorschein kam – und wie dabei die historisch interessanteste Toilette Günzburgs entstanden ist
Günzburg Es mag etwas anrüchig erscheinen, angesichts der millionenschweren Sanierung des Günzburger Stadtschlosses den Blick erst einmal auf die Toiletten zu richten. Wenn besagtes Örtchen allerdings so spektakulär aussieht und historisch so bedeutend ausgefallen ist wie in diesem Fall, dürfte eine Ausnahme wohl erlaubt sein. Kein Geringerer nämlich als der einstige Hausherr der Günzburger Residenz, Markgraf Karl von Burgau, Sohn der Philippine Welser und des Erzherzogs Ferdinand von Österreich, hat dort ein kleines Denkmal gesetzt bekommen: Auf den Glaswänden, die dort eingebaut worden sind, ist neben seinem Konterfei auch seine Geschichte nebst Zitaten und Bildern seiner nächsten Anverwandten zu finden.
Für Theodor Merk, der beim Staatlichen Bauamt Krumbach für das Großprojekt Schloss zuständig ist, ist Günzburgs historisch interessanteste Toilette eines der spannendesten, sichtbaren Details der Sanierung, die er beim Rundgang durch den neuen Bereich des Finanzamts zeigt. „Das meiste Geld und auch die meiste Arbeit sind aber in das Gebäude selbst geflossen, in Dinge, die man von außen gar nicht sieht.“Für die Statik des Gebäudes musste eine ganze Menge getan werden. Die spektakulärste Aktion war dabei sicherlich das Anheben der Arkaden-Pfeiler vor der RenaissanceAußenwand, die eine neue Basis bekamen. „Das Natursteinfundament hatte sich stark zersetzt“, erklärt Merk. Jetzt ruhen die Pfeiler sicher auf Beton. Ein anderes Teilstück des Schlosses existierte gänzlich ohne Fundament: Die alte Stadtmauer aus dem 14. Jahrhundert stand praktisch im Dreck, die westliche Außenwand des Gebäudes hatte sich dadurch schon bedenklich nach außen gewölbt. „Auch an den Decken mussten wir viel machen“, sagt der Planer.
Trotz alledem: Der Kostenrahmen von sieben Millionen für den Westflügel des Schlosses sei voll und ganz eingehalten worden, darüber freut sich auch die Leiterin des Finanzamts, Petra Bergmüller, sehr. Sie und ihre Kollegen haben eine anstrengende Zeit der Bauphase hinter sich: „Das erste, was wir gemacht haben, war Ohrenstöpsel für alle anzuschaffen“, sagt sie lachend. Dazu kommt eine Phase der Wanderschaft: Da das Schloss im laufenden Betrieb saniert wird, kann das Finanzamt immer einen Teil des Gebäudes nicht nutzen. Deswegen sitzen noch immer viele Kollegen auf engem Raum beieinander. „Aber wir halten das aus“, sagt Petra Bergmüller – schließlich wissen alle, dass mit dem Ende der Arbeiten (der zweite Bauabschnitt soll bis 2021 abgeschlossen sein, Nordflügel und Minholzhaus sind dann bis 2023 dran) auch mehr Platz für alle da ist.
Was geschaffen wurde, gefällt den Mitarbeitern sehr. Auf jedem Stockwerk gibt es jetzt eine Teeküche, im Erdgeschoss lässt es sich im hellen und freundlichen Servicezentrum gut arbeiten. Und die Gestaltung kommt gut an. „Ich finde die Verbindung zwischen Alt und Neu einfach sehr gelungen“, sagt die Chefin. Fragmente der SgraffitoPutztechnik, mit der in der Renaissance die komplette Schloss-Fassade überzogen war, sind über zwei Stockwerke zu sehen, auch auf den Glaswänden im Servicezentrum kann man sie erkennen. Dazwischen sitzen unterschiedliche, weiß getünchte Türen – es sind alles Originale aus unterschiedlichen Epochen. Ein spannender Kontrast, und eine Vorgabe des Denkmalschutzes, wie Theodor Merk erklärt: „Wir wurden angehalten, diese Türen möglichst an Ort und Stelle wieder einzubauen.“Weiter oben im Schloss führt eine dem Barock nachempfundene Türe in die Telefonzentrale des Hauses – „wir nennen es das Prinzessinnenzimmer“, verrät Petra Bergmüller. Aus dem Heimatmuseum gab es für diese Türe historimacht sche Original-Beschläge. Dahinter fällt der Blick sogar auf ein Stück des originalen Holzbodens, der abgeschliffen und eingeölt zu neuen Ehren gekommen ist – historisches Knarzen inklusive. Ein paar Meter weiter verbirgt eine Glastüre die nächste Baustelle: Hauptbau und Südflügel sind schon ausgeräumt und werden als Nächstes in Angriff genommen, bis 2021 soll dann auch hier alles fertig werden. Die letzte Teilbaumaßnahme umfasst den Nordflügel des Schlosses und das angrenzende Minholzhaus, dafür sind weitere 5,9 Millionen Euro vorgesehen. Am Ende sollen Gesamtbaukosten von 20,25 Millionen Euro
stehen. Dann werden auch der Schlosshof und die Außenanlagen in Angriff genommen.
Nächsten Freitag, 20. September, werden der Abschluss der Arbeiten und die Eröffnung des Servicezentrums offiziell gefeiert – am Festakt wird auch Bauminister Hans Reichhart teilnehmen. Nachmittags gibt es dann eine Gelegenheit, die so schnell nicht wieder kommen wird: Ein Tag der offenen Tür ist im Finanzamt von 13 bis 17 Uhr vorgesehen. „Eine absolute Ausnahme“, betont Petra Bergmüller, die sich mit ihrem Stellvertreter Markus Schwägerl und den Kollegen seit geraumer Zeit Gedanken darüber ge
hat, wie eine solche Aktion stattfinden kann. Schließlich dürfen Außenstehende nicht einmal erfahren, wer hier im Günzburger Finanzamt veranlagt ist. Die Lösung: Die Besucher dürfen sich nicht frei durch die sanierten Räume bewegen, sondern werden in Gruppen eingeteilt bei Führungen durchs Haus gehen. Akten und Papiere werden abgedeckt, Fotografieren ist strengstens verboten. Dafür bekommen die Interessierten aber den Weg einer Steuererklärung näher gebracht, bekommen Infos durch den Architekten und den Kunsthistoriker und können sich auch über die angeschlossene Finanzkasse Krumbach
informieren. Auch zum Thema Ausbildung und Karriere in der Bayerischen Finanzverwaltung gibt es an diesem Tag Wissenswertes.
Wer sein Wissen über das Gebäude auch nach dem Tag der offenen Türe noch erweitern will, kann das übrigens nicht nur auf Markgraf Karls Toilette: Direkt hinter der imposanten Eingangstüre wartet auf die Besucher eine große Tafel, die in Skizzen und Text die Baugeschichte des Günzburger Schlosses zeigt.
» Mehr Bilder aus dem Stadtschloss gibt es unter mittelschwaebische-nachrichten.de/lokales