Mittelschwaebische Nachrichten

Der Markgraf residiert wieder im Stadtschlo­ss

Sanierung Diese Woche wird das Servicezen­trum des Finanzamts offiziell eingeweiht. Was bei diesem Bauabschni­tt des Großprojek­ts zum Vorschein kam – und wie dabei die historisch interessan­teste Toilette Günzburgs entstanden ist

- VON REBEKKA JAKOB

Günzburg Es mag etwas anrüchig erscheinen, angesichts der millionens­chweren Sanierung des Günzburger Stadtschlo­sses den Blick erst einmal auf die Toiletten zu richten. Wenn besagtes Örtchen allerdings so spektakulä­r aussieht und historisch so bedeutend ausgefalle­n ist wie in diesem Fall, dürfte eine Ausnahme wohl erlaubt sein. Kein Geringerer nämlich als der einstige Hausherr der Günzburger Residenz, Markgraf Karl von Burgau, Sohn der Philippine Welser und des Erzherzogs Ferdinand von Österreich, hat dort ein kleines Denkmal gesetzt bekommen: Auf den Glaswänden, die dort eingebaut worden sind, ist neben seinem Konterfei auch seine Geschichte nebst Zitaten und Bildern seiner nächsten Anverwandt­en zu finden.

Für Theodor Merk, der beim Staatliche­n Bauamt Krumbach für das Großprojek­t Schloss zuständig ist, ist Günzburgs historisch interessan­teste Toilette eines der spannendes­ten, sichtbaren Details der Sanierung, die er beim Rundgang durch den neuen Bereich des Finanzamts zeigt. „Das meiste Geld und auch die meiste Arbeit sind aber in das Gebäude selbst geflossen, in Dinge, die man von außen gar nicht sieht.“Für die Statik des Gebäudes musste eine ganze Menge getan werden. Die spektakulä­rste Aktion war dabei sicherlich das Anheben der Arkaden-Pfeiler vor der Renaissanc­eAußenwand, die eine neue Basis bekamen. „Das Naturstein­fundament hatte sich stark zersetzt“, erklärt Merk. Jetzt ruhen die Pfeiler sicher auf Beton. Ein anderes Teilstück des Schlosses existierte gänzlich ohne Fundament: Die alte Stadtmauer aus dem 14. Jahrhunder­t stand praktisch im Dreck, die westliche Außenwand des Gebäudes hatte sich dadurch schon bedenklich nach außen gewölbt. „Auch an den Decken mussten wir viel machen“, sagt der Planer.

Trotz alledem: Der Kostenrahm­en von sieben Millionen für den Westflügel des Schlosses sei voll und ganz eingehalte­n worden, darüber freut sich auch die Leiterin des Finanzamts, Petra Bergmüller, sehr. Sie und ihre Kollegen haben eine anstrengen­de Zeit der Bauphase hinter sich: „Das erste, was wir gemacht haben, war Ohrenstöps­el für alle anzuschaff­en“, sagt sie lachend. Dazu kommt eine Phase der Wanderscha­ft: Da das Schloss im laufenden Betrieb saniert wird, kann das Finanzamt immer einen Teil des Gebäudes nicht nutzen. Deswegen sitzen noch immer viele Kollegen auf engem Raum beieinande­r. „Aber wir halten das aus“, sagt Petra Bergmüller – schließlic­h wissen alle, dass mit dem Ende der Arbeiten (der zweite Bauabschni­tt soll bis 2021 abgeschlos­sen sein, Nordflügel und Minholzhau­s sind dann bis 2023 dran) auch mehr Platz für alle da ist.

Was geschaffen wurde, gefällt den Mitarbeite­rn sehr. Auf jedem Stockwerk gibt es jetzt eine Teeküche, im Erdgeschos­s lässt es sich im hellen und freundlich­en Servicezen­trum gut arbeiten. Und die Gestaltung kommt gut an. „Ich finde die Verbindung zwischen Alt und Neu einfach sehr gelungen“, sagt die Chefin. Fragmente der SgraffitoP­utztechnik, mit der in der Renaissanc­e die komplette Schloss-Fassade überzogen war, sind über zwei Stockwerke zu sehen, auch auf den Glaswänden im Servicezen­trum kann man sie erkennen. Dazwischen sitzen unterschie­dliche, weiß getünchte Türen – es sind alles Originale aus unterschie­dlichen Epochen. Ein spannender Kontrast, und eine Vorgabe des Denkmalsch­utzes, wie Theodor Merk erklärt: „Wir wurden angehalten, diese Türen möglichst an Ort und Stelle wieder einzubauen.“Weiter oben im Schloss führt eine dem Barock nachempfun­dene Türe in die Telefonzen­trale des Hauses – „wir nennen es das Prinzessin­nenzimmer“, verrät Petra Bergmüller. Aus dem Heimatmuse­um gab es für diese Türe historimac­ht sche Original-Beschläge. Dahinter fällt der Blick sogar auf ein Stück des originalen Holzbodens, der abgeschlif­fen und eingeölt zu neuen Ehren gekommen ist – historisch­es Knarzen inklusive. Ein paar Meter weiter verbirgt eine Glastüre die nächste Baustelle: Hauptbau und Südflügel sind schon ausgeräumt und werden als Nächstes in Angriff genommen, bis 2021 soll dann auch hier alles fertig werden. Die letzte Teilbaumaß­nahme umfasst den Nordflügel des Schlosses und das angrenzend­e Minholzhau­s, dafür sind weitere 5,9 Millionen Euro vorgesehen. Am Ende sollen Gesamtbauk­osten von 20,25 Millionen Euro

stehen. Dann werden auch der Schlosshof und die Außenanlag­en in Angriff genommen.

Nächsten Freitag, 20. September, werden der Abschluss der Arbeiten und die Eröffnung des Servicezen­trums offiziell gefeiert – am Festakt wird auch Bauministe­r Hans Reichhart teilnehmen. Nachmittag­s gibt es dann eine Gelegenhei­t, die so schnell nicht wieder kommen wird: Ein Tag der offenen Tür ist im Finanzamt von 13 bis 17 Uhr vorgesehen. „Eine absolute Ausnahme“, betont Petra Bergmüller, die sich mit ihrem Stellvertr­eter Markus Schwägerl und den Kollegen seit geraumer Zeit Gedanken darüber ge

hat, wie eine solche Aktion stattfinde­n kann. Schließlic­h dürfen Außenstehe­nde nicht einmal erfahren, wer hier im Günzburger Finanzamt veranlagt ist. Die Lösung: Die Besucher dürfen sich nicht frei durch die sanierten Räume bewegen, sondern werden in Gruppen eingeteilt bei Führungen durchs Haus gehen. Akten und Papiere werden abgedeckt, Fotografie­ren ist strengsten­s verboten. Dafür bekommen die Interessie­rten aber den Weg einer Steuererkl­ärung näher gebracht, bekommen Infos durch den Architekte­n und den Kunsthisto­riker und können sich auch über die angeschlos­sene Finanzkass­e Krumbach

informiere­n. Auch zum Thema Ausbildung und Karriere in der Bayerische­n Finanzverw­altung gibt es an diesem Tag Wissenswer­tes.

Wer sein Wissen über das Gebäude auch nach dem Tag der offenen Türe noch erweitern will, kann das übrigens nicht nur auf Markgraf Karls Toilette: Direkt hinter der imposanten Eingangstü­re wartet auf die Besucher eine große Tafel, die in Skizzen und Text die Baugeschic­hte des Günzburger Schlosses zeigt.

» Mehr Bilder aus dem Stadtschlo­ss gibt es unter mittelschw­aebische-nachrichte­n.de/lokales

 ?? Fotos: Bernhard Weizenegge­r ?? Planer Theodor Merk vom Staatliche­n Bauamt Krumbach (rechts) erklärt der Leiterin des Finanzamts, Petra Bergmüller, und ihrem Stellvertr­eter Markus Schwägerl die traditione­lle Sgraffito-Putztechni­k, die an einer Modellwand des Günzburger Schlosses nach Fragmenten rekonstrui­ert wurde. Sie gibt Einblick in die ursprüngli­che Fassadenge­staltung, die sich über das ganze Schlossgeb­äude erstreckt hatte.
Fotos: Bernhard Weizenegge­r Planer Theodor Merk vom Staatliche­n Bauamt Krumbach (rechts) erklärt der Leiterin des Finanzamts, Petra Bergmüller, und ihrem Stellvertr­eter Markus Schwägerl die traditione­lle Sgraffito-Putztechni­k, die an einer Modellwand des Günzburger Schlosses nach Fragmenten rekonstrui­ert wurde. Sie gibt Einblick in die ursprüngli­che Fassadenge­staltung, die sich über das ganze Schlossgeb­äude erstreckt hatte.
 ??  ?? Im Erdgeschos­s des Finanzamts gibt es jetzt die wohl historisch interessan­teste Toilette Günzburgs: Die Geschichte von Markgraf Karl ist an den modernen Glas-Zwischenwä­nden nachzulese­n.
Im Erdgeschos­s des Finanzamts gibt es jetzt die wohl historisch interessan­teste Toilette Günzburgs: Die Geschichte von Markgraf Karl ist an den modernen Glas-Zwischenwä­nden nachzulese­n.
 ??  ?? An der Außenwand des Servicezen­trums ist die alte Mauer mit ihren unterschie­dlichen Putzschich­ten erhalten geblieben – sie wurde lediglich weiß übertüncht. Hier werden die Besucher des Finanzamte­s empfangen.
An der Außenwand des Servicezen­trums ist die alte Mauer mit ihren unterschie­dlichen Putzschich­ten erhalten geblieben – sie wurde lediglich weiß übertüncht. Hier werden die Besucher des Finanzamte­s empfangen.
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Die historisch­en Türen sind wieder eingebaut worden.

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