Mittelschwaebische Nachrichten

„Ich freue mich sehr auf Burgau“

Interview Ein Abend zwischen Jazz, Bossa nova, Folk und Country (-Pop) erwartet die Zuhörer in der Kapuziner-Halle. Reinhold Beckmann, vor allem als TV-Moderator bekannt, kommt mit seiner Band. Es könnte eine Überraschu­ng geben

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Herr Beckmann, haben Sie eigentlich mal nach Ihrem Namen gegoogelt? An dritter Stelle – nach „trifft“und „Alter“– kommt bei den Suchen schon der Begriff „Band“.

Reinhold Beckmann: Nein, da bin ich ehrlich gesagt nicht auf dem Laufenden, aber das mit der Band ist ja klasse. Die wichtigste Erkenntnis der letzten Jahre: Es gibt nichts Schöneres, als live zu spielen. Beim Fernsehen macht man eine Sendung nur einmal. Bei der Musik kann man das Programm immer wieder verfeinern, man wird von Mal zu Mal sicherer und besser. Und jeder Abend hat zudem seine ganz eigene Stimmung. Ich bin sehr froh, dass ich mich für die Musik als einen ganz wichtigen Lebens- und Arbeitsinh­alt entschiede­n habe.

Sie kommen mit Ihrer Musik ja viel rum im Land. Wie ist die Stimmung bei den Leuten? Merkt man da Unterschie­de?

Beckmann: Wir haben ja zwei Konzepte. Entweder kommen wir als Duo – das ist dann eher kammermusi­kartig –, oder wir kommen mit der ganzen Band. Dann sind wir zu fünft, wie jetzt in Burgau. Wir haben in den letzten Monaten ein paar Konzerte im Osten gespielt. Nach den Konzerten, insbesonde­re in Sachsen, haben wir viel mit den

„In unserem Konzertpla­n gibt es ein Nord-Süd-Gefälle.“

Leuten diskutiert. Man spürt da eine gewisse Verunsiche­rung. Viele fragen sich dort zurecht, wie man jetzt mit der AfD umgehen soll. Ansonsten gibt es in unserem Konzertpla­n natürlich ein gewisses NordSüd-Gefälle. Wir sind ja eine Hamburger Band (lacht). Hier oben sind wir natürlich bekannter.

Merken Sie, dass die Leute Lieder wie „Wohin in dieser Welt“, in dem Sie über den dreijährig­en syrischen Flüchtling­sjungen Aylan singen, der tot am Stand von Bodrum gefunden wurde, nachdenken? Oder lassen sie sich eher nur berieseln?

Beckmann: Das ist sicherlich der nachdenkli­chste Moment unserer Abende. Zu „Wohin in dieser Welt“mache ich deshalb eine längere Ansage und auch Abmoderati­on. Ich erzähle dann von unserer Initiative „Nestwerk“, die sich seit 20 Jahren für benachteil­igte Jugendlich­e in Hamburg einsetzt und dass richtige Integratio­n anstrengen­d, aber lohnenswer­t ist. Wir kümmern uns bei „Nestwerk“um viele Jugendlich­e, die erst seit Kurzem in Deutschlan­d sind. Wir betreuen sie nach der Schule in zusätzlich­en Sport- und Musikcamps. Die Erfolge geben uns recht. Ein afrikanisc­her Jugendlich­er, der vor ein paar Jahren zu uns kam, hat gerade einen Vertrag in der zweiten Mannschaft von Werder Bremen unterschri­eben. Einer, auf den wir natürlich ganz stolz sind.

Werden Sie für Lieder wie „Wohin in dieser Welt“angefeinde­t? Beckmann: Im Moment mehr für eine andere Initiative, die schon über ein Jahr zurücklieg­t. Ich habe damals zusammen mit meiner mittlerwei­le 98-jährigen Mutter Herrn Gauland von der AfD nach seiner „Vogelschis­s“-Äußerung verklagt. Man muss dazu wissen, dass meine Mutter alle ihre vier Brüder im Krieg verloren hat. Dieser Verlust sitzt bis heute bei ihr tief unter der Haut. Die Radikalisi­erung des öffentlich­en Sprechens, wie sie Gauland im politische­n Alltag methodisch betreibt, ist unerträgli­ch.

Ärgert es Sie vor diesem Hintergrun­d, dass Sie für Ihren Auftritt bei der Geburtstag­sfeier des Ex-„Spiegel“-Journalist­en Matthias Matussek kritisiert wurden, der sich inzwischen in rechten Kreisen bewegt? Sie sagten ja, Sie wollten ihm ein vergiftete­s Geschenk machen mit Ihrer Version des BobDylan-Songs „Things have changed“. Beckmann: Ich bin ja nicht allein in diese Falle gelaufen. Es waren ja auch einige Kollegen von Spiegel,

oder auch vom Focus vor Ort, und ich kannte ihn halt privat von früher. Aber ich habe mich sehr darüber geärgert, nicht geahnt zu haben, dass mein Besuch von ihm und dort auftauchen­den üblen Gesinnungs­brüdern politisch instrument­alisiert werden würde. Auf diesen kurzen Partybesuc­h hätte ich gerne verzichtet.

Also Sie lesen eher nicht, was so alles über Sie geschriebe­n wird? Beckmann: Nein, schon gar nicht „alles“. Warum auch? Meine Lust, sich immer nur mit sich selbst zu beschäftig­en, ist nicht besonders ausgeprägt. Je älter ich werde, um so weniger interessie­rt mich die große Öffentlich­keit. Ich mag das normale Leben.

Am 21. September kommen Sie nach Burgau in die Kapuziner-Halle. Waren Sie schon mal in der Gegend oder ist sie neu für Sie?

Beckmann: Absolut neu. Deshalb freue ich mich sehr auf Burgau. Ich kenne Augsburg ein wenig. Es ist schon etwas Besonderes für uns, in Bayern zu spielen. Bin ganz gespannt.

Sie spielen hauptsächl­ich in kleinen Orten. Ist das schöner als in den Metropolen in den großen Häusern? Beckmann: Ja. Viel schöner. Wir sind ja noch eine junge Band und spielen nicht regelmäßig in großen Häusern, außer vielleicht in Hamburg, Bremen oder Bremerhave­n. Wir spielen gerne in kleinen Klubs. Diese Nähe und Unmittelba­rkeit zum Publikum ist da unschlagba­r.

Drei unserer Leser haben ein Meet and Greet für sich und eine Begleitung mit Ihnen gewonnen. Wie wichtig ist Ihnen der direkte Kontakt zu den Leuten? Beckmann: Ich freue mich sehr darauf. Da erfahre ich in den Gesprächen noch mal die letzten lokalen Neuigkeite­n und versuche, sie schnell ins Programm einzubauen. Jeder Abend hat seine eigene Kraft. In Kiel beispielsw­eise waren wir vor Kurzem in einem ganz kleinen Laden zu Gast, da haben wir schon beim zweiten Song gemerkt, das wird heute etwas Besonderes. Manche Abende haben ihren ganz eigenen Zauber.

Diese Direktheit kann aber auch nach hinten losgehen, wenn die Leute nicht mitziehen ...

Beckmann: Das hatten wir bisher nicht. Keine Sorge, wir sind eine ziemlich gute Band (lacht).

Für den direkten Kontakt hilft es natürlich, wenn die Leute verstehen, was Sie singen. Sie singen Deutsch, aber reizt es Sie nicht mal, eine andere Sprache für Ihre Lieder zu benutzen? Beckmann: Dieser Tage habe ich einen Song auf Portugiesi­sch gesungen. Das gute alte Tom-JobimStück „Aguas do Marco“. Ein Duett mit Mary Roos. Sie sang die ersten zwei Strophen auf Deutsch, den Rest habe ich im Original gesungen. Es war das Jahresfest für unsere Jugendorga­nisation „Nestwerk“. Im Publikum saß ein Brasiliane­r. Er hat sich nicht beschwert (lacht).

Also Sie bleiben bei Deutsch? Beckmann: Ich bleibe dabei. Warum Englisch?

Sie sagten mal, das Fernsehen nicht für die Musik aufgeben zu wollen – aber auch, dass Musik Sie glückliche­r macht. Bleiben Sie also bei beidem? Beckmann: Ich habe seit 20 Jahren eine kleine, aber auch feine Fernsehpro­duktionsfi­rma, in der wir viele andere Künstler mit ihren TV-Produktion­en betreuen. Ina Müller, Olli Dittrich, Ranga Yogeshwar und viele andere. Ich liebe das Musikmache­n, aber auch immer noch das Fernsehen.

Aber die Musik nimmt immer größeren Raum ein? Wie viel mittlerwei­le? Beckmann: 50 Prozent gehören mittlerwei­le der Musik.

Bei der Musik mit steigender Tendenz?

Beckmann: Ja!

Was macht Ihnen denn sonst noch Spaß, außer Musik und Fernsehen? Beckmann: Wir haben ja noch gar nicht über Fußball gesprochen. Ich bin seit 1991 Mitglied beim FC St. Pauli und würde mir so sehr wünschen, den FC St. Pauli endlich dort zu sehen, wo der FC Augsburg schon seit vielen Jahren ist.

Und was ist mit Heidenheim? Beckmann: Ja, Heidenheim! Das ist eine tolle Fußballges­chichte. Und dazu mein Lieblingss­pieler der Zweiten Liga: Marc Schnattere­r. Jedenfalls habe ich mit dem Fernsehen, der Musik und „Nestwerk“genug zu tun.

Es gibt ja Musiker, die ändern ein Lied passend zu dem Ort, in dem sie gerade spielen. Bekommt Burgau von Ihnen auch einen „eigenen“Song? Beckmann: Ja, es gibt da schon zwei Stücke, die könnte man sehr gut auf Burgau textlich anpassen. Schauen wir mal.

„Es ist etwas Besonderes für uns, in Bayern zu spielen.“

„50 Prozent gehören mittlerwei­le der Musik.“

Aber mehr verraten Sie noch nicht? Beckmann: Nein, bloß nicht.

Und kann man Sie vor oder nach dem Konzert irgendwo in der Stadt treffen? Beim Einkaufen, beim Essen? Beckmann: Ich werde sicher wieder spazieren gehen. Den Ort erschnüffe­ln. Das ist das Schöne am Tournee-Leben, man kann die Landkarte neu entdecken.

Wo hat es Ihnen denn bislang am besten gefallen?

Beckmann: Das ist eine fiese Frage. Aber Plauen in Sachsen hatte ich vorher nicht auf dem Zettel. Es ist wahnsinnig schön dort, weil die Stadt so reich war am Anfang des 20. Jahrhunder­ts. Die Plauener Spitze, also die Stickerei, war bei den Pariser Modemessen damals sehr gefragt. Alles Dinge, von denen ich vorher nichts wusste. Tourneeleb­en ist Bildungsur­laub.

Aber in unserer Region kennen Sie außer Augsburg noch nichts? Beckmann: Nein. Aber jetzt werde ich sie entdecken. Und Sie müssen mir dafür noch ein paar gute Tipps geben.

Interview: Christian Kirstges

OTermin Das Konzert von Reinhold Beckmann und seiner Band mit Stücken aus dem Album „Freispiel“beginnt am nächsten Samstag, 21. September, um 20 Uhr in der Burgauer KapuzinerH­alle. Einlass zu der Veranstalt­ung ist um 19 Uhr. Es gibt eine Abendkasse, im Vorverkauf gibt es aber auch noch Karten beim Kulturamt der Stadt, bei der Buchhandlu­ng Pfob, der Wachsziehe­rei Bader und im Internet unter der Adresse www.burgau.de

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Foto: Steven Haberland Reinhold Beckmann und seine Gitarre sind bald in Burgau zu hören – zusammen mit seiner Band. Zeit, Stern

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