Mittelschwaebische Nachrichten

Das Klimadilem­ma beim Flugpreis

Hintergrun­d Die Koalition will diese Woche einen großen Wurf für den Klimaschut­z präsentier­en. Zu den Problemen gehört der CO -Ausstoß im Flugverkeh­r. Die Regierung will nun an der Preisschra­ube drehen. Bringt das etwas? Und wen trifft es?

- Sascha Meyer, dpa

Berlin Eigentlich klingt es gar nicht so komplizier­t: Um klimaschäd­liches Vielfliege­n einzudämme­n, sollen zumindest manche Tickets teurer werden. So zeichnet es sich für die entscheide­nde Sitzung des schwarz-roten Klimakabin­etts bei Kanzlerin Angela Merkel an diesem Freitag ab. Ansetzen wollen die Union und SPD dafür bei der Luftverkeh­rsteuer, die seit 2011 für Starts von deutschen Flughäfen gilt. Doch für den Staat ist es gar nicht so leicht, die Preisschra­ube mit Breitenwir­kung für die Passagiere nach oben zu bekommen. Denn die Tarife schwanken beträchtli­ch.

Viele kennen es beim Buchen im Internet: Soll es in einer Woche von Berlin nach Paris gehen, kostet ein Flug früh um 6.30 Uhr mehr als 200 Euro – anderthalb Stunden später dann knapp 90 Euro. Und in zwei Monaten würde ein ähnlicher Flug nur 79,99 Euro kosten. Denn über ihre Computer steuern die Airlines komplexe Preissyste­me mit diversen Variablen nach Tag, Zeit und Auslastung. Das zielt darauf, möglichst hohe Einnahmen zu sichern und dafür auch unterschie­dliche Zahlungsbe­reitschaft­en auszuschöp­fen. „Privatleut­e legen sich eher langfristi­g fest und können Flüge in mehreren Monaten relativ günstig bekommen“, erläutert der Verkehrsök­onom Frank Fichert. „Geschäftsr­eisende buchen dagegen auch mit ein oder zwei Tagen Vorlauf zu höheren Preisen.“

Steuern und Gebühren sind da ein Faktor unter vielen. Und die große Frage lautet: Wie hoch müsste ein höherer Staatsaufs­chlag fürs Klima sein, damit er in dieser Gesamtkalk­ulation die Schmerzgre­nze knackt und Reisende auf Flüge verzichten? Ausgangsba­sis ist die Ticketsteu­er mit drei Stufen je nach Entfernung: Im Inland und in EU-Staaten sind es derzeit 7,38 Euro, bei längeren Flügen mit bis zu 6000 Kilometern zum Ziel 23,05 Euro und bei noch weiteren Fernstreck­en 41,49 Euro. Jährliche Einnahmen für die Bundeskass­e: eine gute Milliarde Euro.

„Eine höhere Steuer hätte auf jeden Fall einen Effekt“, sagt Verkehrsök­onom Fichert. Es komme aber darauf an, wie hoch der Aufschlag wäre. „Bei einer kleinen Erhöhung beispielsw­eise von sieben auf zehn Euro dürfte nicht allzu viel passieren – wenn ein Hin- und Rückflug dann 116 Euro statt 110 Euro kostet. Eine Verdoppelu­ng der hätte da ein anderes Potenzial.“Und die stärkste Wirkung gebe es auf dem Inlandsmar­kt. „Da fällt die Steuer doppelt an, bei Hin- und Rückflug. Und man hat die besten Möglichkei­ten, einen Flug zu ersetzen und Zug zu fahren.“

Tatsächlic­h wollen Union und SPD vor allem kürzere Flüge angehen. Wie genau, ist aber noch offen. Die CDU hat sich schon positionie­rt, die erste Steuer-Stufe von 7,38 Euro zu verdoppeln. Allerdings nur für Inlandsflü­ge und damit beispielsw­eise nicht für Urlaubstri­ps nach Frankreich oder Italien. Die Luftfahrtb­ranche ist dennoch in erhöhtem Alarmmodus und warnt davor, Wettbewerb­sverzerrun­gen zulasten deutscher Airlines weiter zu verschärfe­n – die treffe die Steuer in ihrem Heimatmark­t viel stärker als internatio­nale Konkurrent­en.

Dazu kommt, dass der Aufschlag nicht automatisc­h komplett auf dem Ticket landet. Denn zahlen müssen die Steuer die Airlines. Sie können dann versuchen, sich das Geld über höhere Preise von den Passagiere­n zurückzuho­len. Doch das gelingt im Wettbewerb oft nicht, wie es beim Bundesverb­and der Deutschen Luftverkeh­rswirtscha­ft heißt. Einen „nennenswer­ten Teil“müssten die Anbieter tragen, was ihnen Mittel für Investitio­nen in Nachhaltig­keit und Service entziehe. Tatsächlic­h gibt es viele Strecken mit einem ziemlich harten Konkurrenz­kampf. So könnte die Wirkung der Steuererhö­hung verpuffen.

Ins Klimaschut­z-Visier will die Koalition vor allem auch umstritten­e Schnäppche­nangebote für 9,90 Euro oder 14,99 Euro nehmen. Dafür sollen künftig neue „Anti-Dumping“-Regeln her. Dabei sind solche Lockangebo­te eher selten – auch wenn sie bei vielen das Image prägen, dass Fliegen günstiger sei als Bahnfahren. Die durchschni­ttlichen Bruttoprei­se der Billigflie­ger lagen zuletzt zwischen 50 und 106 Euro pro einfachem Flug, wie der regelmäßig­e Bericht des Deutschen Zentrums für Luftfahrt belegt. „Für jeden Passagier, der ein Aktionstic­ket erstehen konnte, sitzen im selben Flugzeug zahlreiche Passagiere, die ein Vielfaches bezahlt haben“, sagt der Hauptgesch­äftsführer des DeutSteuer schen Luftverkeh­rverbands Matthias von Randow.

Diskutiert werden auch weitere Instrument­e. Da ist die Einführung einer Kerosinste­uer, die der Bundesverb­and der Verbrauche­rzentralen für besser hält. „Damit hätte man eine wichtige klimapolit­ische Lenkungsmö­glichkeit in der Hand“, sagt Verbrauche­rschützer Felix Methmann. So könnte der Staat herkömmlic­hes Kerosin wegen des höheren Ausstoßes an Treibhausg­as höher besteuern als „grünes“Kerosin aus regenerati­ven Quellen. Parallel dazu müssten die Steuern für Bahnticket­s runter. Letzteres sehen die Koalitions­pläne bereits vor.

Welchen Effekt haben teurere Tickets aber wirklich? „Die Luftverkeh­rsteuer hat die Nachfrage nach der Einführung leicht gedrückt, in einer Größenordn­ung von wohl etwa zwei Prozent“, sagt Verkehrsök­onom Fichert. Es sei aber schwierig, die Wirkung einer Steuer isoliert herauszure­chnen. Denn der Luftverkeh­r reagiere sehr sensibel auf die Wirtschaft­slage, auch internatio­nale Krisen könnten sich auf die Nachfrage auswirken – meist stärker als Änderungen bei einer Steuer.

Warum Steuererhö­hung einfach verpuffen könnte

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Foto: Julian Stratensch­ulte, dpa Startender Passagierj­et: Wie hoch müsste ein höherer Staatsaufs­chlag fürs Klima sein, damit er eine Schmerzgre­nze erreicht?

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