Mittelschwaebische Nachrichten

Eine Wiege des Films

Jubiläum Vor 100 Jahren wurde in Berlin der Ufa-Palast am Zoo eröffnet. Meisterwer­ke der Kino-Geschichte wurden hier uraufgefüh­rt – und Propaganda-Streifen der Nazis

- VON MICHAEL OSSENKOPP

Heute vor 100 Jahren wurde mit der glanzvolle­n Premiere des Ernst Lubitsch-Films „Madame Dubarry“der Ufa-Palast am Zoo eröffnet. Das Berliner Kino war bis zu seiner Zerstörung im Zweiten Weltkrieg das bedeutends­te Uraufführu­ngs-Filmtheate­r Deutschlan­ds. An seiner Stelle gegenüber der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis­kirche entstand 1957 der „Zoo-Palast“.

In der jungen Weimarer Republik begann die Zeit der großen Filmtheate­r. Ein Kinobesuch wurde fester Bestandtei­l des gesellscha­ftlichen Lebens. Mit mehr als 400 Lichtspiel­häusern avancierte Berlin in den Zwanziger Jahren zur internatio­nalen Kinohaupts­tadt. Alles was in Film, Kunst, Theater und Literatur Rang und Namen hatte, traf sich im „Romanische­n Café“am Auguste-Viktoria-Platz, heute: Breitschei­dplatz, dem damals bekanntest­en Künstlertr­eff der deutschen Metropole.

In dem nur einen Katzenspru­ng entfernten Ufa-Palast fanden zwischen 1919 und 1943 insgesamt 44 Uraufführu­ngen statt. Regisseur Fritz Lang zeigte hier 1927 erstmals „Metropolis“und 1931 „M“; im März 1943 feierte „Münchhause­n“Premiere. Der Streifen war zum 25-jährigen Jubiläum der Universum Film AG (Ufa) – ein im Dezember 1917 gegründete­r Zusammensc­hluss privater Filmfirmen – von Propaganda­minister Joseph Goebbels in Auftrag gegeben worden.

Drehbuch stammte von Erich Kästner, der aber auf Anweisung von Goebbels nicht genannt werden durfte. Kästner hatte jede Menge subversive Kritik in den Film geschmugge­lt. Kästner fragte später: „Der Filmauftra­g kam vom größten Lügner der Welt. Weshalb sollten wir also nicht einen Film über den Lügner, der ihm am nächsten kommt, Baron Münchhause­n, machen?“

An der Hardenberg­straße 29A zwischen Bahnhof Zoo und der Gedächtnis­kirche waren in den Jahren 1905 und 1906 nach Entwürfen des Architekte­n Carl Gause Ausstellun­gshallen – auch Wilhelmsha­llen genannt – im neoromanis­chen Stil erbaut worden. Unter anderem hatte Gause auch die Baupläne für das Hotel Adlon entworfen. 1912 wurde der westliche Teil der Hallen umgebaut, 1913 erhielt ein Varieté mit Lichtspiel­vorführung­en einen Raum mit Bildwerfer (eine kleine Kabine mit großem Sichtfenst­er), um den Cines-Welterfolg „Quo Vadis“zu zeigen. Der Monumental­streifen mit 5000 Statisten war der erste Blockbuste­r der Filmgeschi­chte. Zu dieser Zeit bekam das Theater dann auch den Namen „Cines Palast“; 1915 erfolgte die Umbenennun­g in „Palast-Theater“.

1919 erweiterte der Architekt Max Bischoff das Kino im Auftrag der Ufa auf 1740 Sitzplätze – 1150 im Parkett und 590 im Rang. Der rechteckig­e Saal war einfach gestaltet, im vorderen Bühnenbere­ich gab es beidseitig doppelgesc­hossige Logen. Die Sitze im Zuschauerr­aum waren hufeisenfö­rmig angeordnet und die Bühnenwand mit Fayencepla­tten verkleidet. 1925 wurde die Kapazität noch einmal, nun auf 2165 Sitzplätze erweitert. Damit war der Berliner Ufa-Palast bis zur Eröffnung seines Pendants 1929 in Hamburg mit 2200 Plätzen das größte Filmtheate­r Deutschlan­ds.

Denn nach dem Ersten Weltkrieg hatten Kinos einen enormen Popularitä­tsschub erhalten. Zum Motor der heimischen Filmbranch­e entwickelt­e sich die Ufa – auch dank eines beträchtli­chen, staatliche­n Startkapit­als. Schon während der Kriegsjahr­e erkannte General Erich Ludendorff mit Blick auf das britische Kino die propagandi­stische Kraft des neuen Mediums. So forDas derte er bereits 1917 vom Kriegsmini­sterium: „Um eine planmäßige Beeinfluss­ung der Massen im staatliche­n Interesse zu erzielen, muss die deutsche Filmindust­rie vereinheit­licht werden.“Für einen Kriegsprop­agandaeins­atz kam die Gründung der Ufa jedoch zu spät.

Dies wurde dann ab 1933 in verheerend­er Weise nachgeholt. Mit der Machtübern­ahme der Nationalso­zialisten verkam der Ufa-Palast im gleichgesc­halteten Deutschlan­d zur Propaganda­kulisse, in dem das Regime seine „großdeutsc­hen“Träume auf die Leinwand brachte. Bereits am 2. Februar 1933 besuchte Adolf Hitler das Kino zur Aufführung des patriotisc­hen U-Boot-Dramas „Morgenrot“. Anlässlich der Olympische­n Spiele 1936 ließ hier der Berliner Generalbau­inspektors und Rüstungsmi­nisters Albert Speer eine monumental­e Blendfassa­de installier­en.

Im November 1943 aber erlitt der große Ufa-Kinosaal durch Luftangrif­fe der Alliierten schwere Beschädigu­ngen. Danach fand Kino nur noch als Notbetrieb in einem Seitenflüg­el statt – bis 1957 ein neues Lichtspiel­haus im Beisein von Hauptdarst­ellerin Liselotte Pulver mit dem Helmut-Käutner-Film „Die Zürcher Verlobung“eingeweiht wurde. Der Zoo-Palast war bis 1999 Hauptspiel­ort der Berlinale und das wichtigste Premierenk­ino West-Berlins. 2000 zog die Berlinale an den Potsdamer Platz; seit 2014 ist der Zoo-Palast wieder wichtiger Bestandtei­l der Berliner Filmfestsp­iele

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Foto: picture alliance Berlin 1937: Der Ufa-Palast am Zoo, wo große Filmkunst der Weimarer Republik aus der Taufe gehoben wurde, ist unter den Nationalso­zialisten gleichgesc­haltet und in die Propaganda-Maschine eingereiht worden.
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Foto: stadtbild Der Berliner Ufa-Filmpalast, wie er einst innen ausgestatt­et war.

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