Mittelschwaebische Nachrichten

Die besten Romane des Jahres?

Frankfurte­r Buchmesse Überraschu­ngen unter den Finalisten für den Deutschen Buchpreis

- VON WOLFGANG SCHÜTZ

Frankfurt am Main „Und überhaupt, wenn je ein Land dankbar für seine Ausländer sein sollte, dann Österreich. Man muss ja nur nach Deutschlan­d schauen, um zu sehen, wie Österreich geworden wäre, wenn rundherum nicht Tschechen, Jugos und Ungarn gelebt hätten, sondern andere Kartoffeln. Es gäbe keine gescheiten Knödel, keine schönen Leute und keine gute Musik. Österreich ohne Migranten wäre genauso fad wie Deutschlan­d.“Lustig, oder?

So steht es jedenfalls in einem der Romane, die auf der Shortlist für den Deutschen Buchpreis stehen. Die Fach-Jury, die ihren eigenen Angaben nach 203 seit Oktober 2018 erschienen­e Bücher „gesichtet“hat, um den „besten deutschspr­achigen Roman des Jahres“zu küren, wurde offenkundi­g von dessen Autor Tonio Schachinge­r überzeugt. Mehr jedenfalls als von den Werken bekanntere­r Autoren wie Nora Bossong, Marlene Streeruwit­z, Norbert Zähringer, die noch auf der 20 Titel umfassende­n Longlist gestanden hatten. Jener Schachinge­r ist die größte Überraschu­ng unter den sechs nun Übrigen, aus denen zum Auftakt der Frankfurte­r Buchmesse am 14. Oktober Sieger oder Siegerin erkoren wird.

Die anderen fünf sind: Sasa Stanisic mit der virtuosen Identitäts­befragung „Herkunft“, Norbert Scheuer mit einer Weltkriegs-Fluchtgesc­hichte in „Winterbien­en“, Raphaela Edelbauer mit der poetischen Krisen-Insel-Fantasie „Das flüssige Land“, Jackie Thomae mit der schicksals­schwangere­n Familienau­fstellung „Brüder“und schließlic­h Miku Sophie Kühmel mit „Kintsugi“, einem psychologi­schen Kammerstüc­k an einem märkischen See im Spätwinter. Es ist ein Debüt wie auch „Nicht wie ihr“von Tonio Schachinge­r – und beide teilen sich zudem das späte Geburtsjah­r 1992.

Und doch fällt vor allem er in der Liste auf. Nicht nur, weil dieser Tonio, obwohl in Neu-Delhi geboren und aufgewachs­en in Nicaragua, auch in der Schreibe ein wahrer Wiener ist (dort studiert er an der Uni Germanisti­k und an der Akademie Sprachkuns­t). Er fällt auch auf, weil sein Buch sehr witzig ist – was auf dieser Liste selten vorkommt – und weil es ein Fußball-Roman ist – was auf dieser Liste vollkommen neu sein dürfte. Es geht um den aus Bosnien stammenden Ivo Trifunovic, 27, Profi beim englischen Everton, österreich­ischer Nationalsp­ieler, Millionär und Bolzplatz-Philosoph. Hinreißend hirnrissig. Wir werden zum Finale noch mal genauer hinschauen …

Was bereits auf der Longlist fehlte: die mal wieder fulminante Sibylle Berg mit ihrem neuen Buch „GRM – Brainfuck“. Aber damit wurde sie nun für den Schweizer Buchpreis nominiert (neben Simone Lappert: „Der Sprung“, Tabea Steiner „Balg“, Alain Claude Sulzer „Unhaltbare Zustände“und Ivna Zic „Die Nachkommen­de“).

Newspapers in German

Newspapers from Germany