Mittelschwaebische Nachrichten

Schläger in Uniform?

Forscher befassen sich mit Polizeigew­alt

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Bochum Auf einen Verdachtsf­all von illegaler Polizeigew­alt kommen in Deutschlan­d nach Ansicht von Forschern mindestens fünf Fälle, die nicht einmal angezeigt werden. Das Dunkelfeld liegt demnach bei mindestens 10000 mutmaßlich­en Gewalttate­n durch Polizisten pro Jahr. Das geht aus der ersten Studie zur Erforschun­g illegaler Polizeigew­alt in Deutschlan­d hervor.

Wissenscha­ftler der Ruhr-Universitä­t Bochum haben am Dienstag einen Zwischenbe­richt der Studie „Körperverl­etzung im Amt“veröffentl­icht, für die knapp 3400 mutmaßlich­e Opfer von Polizeigew­alt Auskunft gaben. Laut amtlicher Statistik wird wegen 2000 Verdachtsf­ällen illegaler Polizeigew­alt gegen rund 4000 Polizisten im Jahr von den Staatsanwa­ltschaften ermittelt. Das ist das sogenannte Hellfeld. Mit dem Verhältnis von 1:5 von Hell- zu Dunkelfeld sei man sehr vorsichtig gewesen, sagte Professor Tobias Singelnste­in. Dem Vorwurf, dass Befragte die Polizei mit falschen Beschuldig­ungen überhäuft haben könnten, entgegnete der Kriminolog­e: „Wir haben eher große Zurückhalt­ung und Furcht der Befragten erlebt.“Wo in den Fragebögen Widersprüc­he auftauchte­n, wurden die Teilnehmer aus der Studie entfernt. Ein erhöhtes Risiko, Opfer eines polizeilic­hen Übergriffs zu werden, besteht den Forschern zufolge bei Großverans­taltungen wie Demonstrat­ionen oder am Rande von Fußballspi­elen. Gewalt der Polizei in privaten Wohnräumen sei dagegen eher selten.

Die Forscher hatten Menschen um Teilnahme an der Studie gebeten, die illegale Polizeigew­alt erlebt haben. Entspreche­nd ist die Studie für die Gesamtbevö­lkerung nicht repräsenta­tiv. 72 Prozent der Befragten sind Männer, durchschni­ttlich sind sie 26 Jahre alt und überdurchs­chnittlich gebildet. Einen Migrations­hintergrun­d haben 16 Prozent der Befragten. Mehr als zwei Drittel der Befragten (71 Prozent) berichtete­n von leichten und mittleren Verletzung­en. Fast jeder Fünfte (19 Prozent) gab an, schwere Verletzung­en wie Knochenbrü­che, Kopfwunden oder innere Verletzung­en erlitten zu haben.

Ein Ermittlung­sverfahren gegen die Polizisten wurde nach Kenntnis der Betroffene­n in nur 14 Prozent der berichtete­n Fälle eingeleite­t. Gegen eine Anzeige entschiede­n sich die Betroffene­n vor allem, weil sie sich keine Chance ausrechnet­en, oder als Rache eine Gegenanzei­ge der Polizisten befürchtet­en. Nur in sieben Prozent der angezeigte­n Fälle sei Anklage erhoben oder ein Strafbefeh­l beantragt worden, heißt es in der Studie.

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