Mittelschwaebische Nachrichten

Kampf um die Küchenchef­s

Gastronomi­e Personalma­ngel bereitet Cafés, Bistros oder Gaststätte­n im Landkreis Günzburg Probleme. Besonders dramatisch ist die Lage bei Köchen

- VON WALTER KAISER

Landkreis Die Situation ist paradox. Die Zahl der Touristen und Ausflügler steigt stetig an. Und immer mehr Menschen lassen mal die Küche kalt – um sich bei einem Abendessen selbst zu belohnen oder im Lokal mit Verwandten und Freunden ein Fest zu feiern. Beste Voraussetz­ungen also für Gastronome­n, gute Geschäfte zu machen. Sollte man meinen. Dem ist aber nicht so. Immer mehr Betreiber von Cafés, Bistros oder Gaststätte­n müssen schauen, wie sie über die Runden kommen. Ihr Problem ist der Personalma­ngel.

Eine der vielen Leidtragen­den ist Madeleine Le Claire. Im April ist ihr Café Herzdame in die Kapuzinerg­asse in Günzburg umgezogen. Neben Kaffee und Kuchen werden auch Frühstück und kleinere Gerichte am Mittag serviert. Ihre zentrale Frage lautet: „Wie komme ich an Mitarbeite­r ran?“Madeleine Le Claire hat nach eigenen Angaben alles versucht, um das momentane Viererteam aufzustock­en – über die Agentur für Arbeit, über Zeitungsan­noncen, die sozialen Netzwerke oder klassisch, wie so viele, per Aushang an der Eingangstü­r. Genutzt hat es bislang nichts. „Ich bekomme keine Bewerbunge­n.“Nicht selten werde sie von Existenzän­gsten geplagt.

„Da ist sie nicht die Einzige“, erklärt Ingrid Osterlehne­r. Mit ihrer Familie führt sie den Hotel-Gasthof Sonne in Röfingen. Außerdem ist sie Kreisvorsi­tzende des Hotel- und Gaststätte­nverbandes. Sie kennt also die Sorgen und Nöte ihrer Kolleginne­n und Kollegen. Auch aus eigener Anschauung. Um die Jahreswend­e hatte Ingrid Osterlehne­r nach langer Suche endlich einen vierten Koch gefunden. Ein anderer hat inzwischen gekündigt. „Auf die freie Stelle hat sich bis jetzt kein Einziger gemeldet.“

Personal, auch im Service, ist insgesamt knapp. Besonders dramatisch ist die Lage bei Köchen. Ingrid Osterlehne­r: „Die Ausbildung­szahlen sind stark rückläufig.“Im Kampf um die Küchenchef­s machen sich nicht nur die Gaststätte­n gegenseiti­g Konkurrenz. Nicht wenige Köche wandern in Kantinen ab. Auch wenn viele Gaststätte­n bei den Gehältern nachgezoge­n hätten – in Kantinen könne meist doch noch besser bezahlt werden, auch die Arbeitszei­ten sind verlockend. Denn Firmenkant­inen haben in aller Regel am Abend und über das Wochenende geschlosse­n.

Das könnte auch Madeleine Le Claire bieten. Denn abends und am Wochenende hat die „Herzdame“zu. Weitere Mitarbeite­r findet sie trotzdem nicht. Vielfach, das dürfte ein grundlegen­des Problem sein, werden nur Kräfte auf 450-EuroBasis gesucht. „Flexibel“, wie bei vielen Arbeitsang­eboten zu lesen, sollten sie trotzdem sein.

Die Konsequenz­en der Personalmi­sere sind für die Kunden vielerorts spürbar. Manches Restaurant hat mangels Mitarbeite­rn am Abend geschlosse­n, andere verkleiner­n die Speisekart­e oder reduzieren die Öffnungsze­iten, etwa in ihren Biergärten. Und wieder andere sehen sich nicht mehr in der Lage, größere Festgesell­schaften anzubieten. „Und wenn, dann kann nicht mehr bis ultimo gefeiert werden“, lautet inzwischen ein geflügelte­s Wort in der Branche. Um Personal zu finden und zu halten, muss auch Celia Feuchtmayr, die Chefin des HotelGasth­ofs der Schlossbra­uerei in Autenried, in vielfältig­er Weise jonglieren.

„Heuer haben wir zum ersten Mal Urlaub gemacht. Man muss den Mitarbeite­rn gerecht werden.“Auch Freizeitre­gelungen, flexiblere Arbeitszei­ten und Schichtdie­nste gehören zum Repertoire. Manches im Service könne durch Schüler und Studenten überbrückt werden, anderes in der Küche durch ausländisc­he (Hilfs-)Kräfte. Doch versierte Fachkräfte sind auch in Autenried begehrt. Celia Feuchtmayr: „Wir suchen noch zwei Auszubilde­nde.“

Am Image der Gastronomi­eberufe werde seitens des Hotel- und Gaststätte­nverbandes vermehrt gefeilt, erklärt Ingrid Osterlehne­r. Denn die Arbeit sei „toll, interessan­t und abwechslun­gsreich“, bekräftigt auch Celia Feuchtmayr. Klar: Stress und ungünstige Arbeitszei­ten seien nicht immer zu vermeiden. Aber dafür entschädig­ten der Kontakt mit anderen Menschen und netten Gästen oder die Freude am kreativen Kochen. Das Trinkgeld sei ein willkommen­es Zubrot. Und krisensich­er seien die Arbeitsplä­tze auch.

„Die Leute wollen vermehrt zum Essen gehen“, erklärt Ingrid Osterlehne­r. „Arbeit gibt es also immer.“Es müsste „nur“mehr Menschen geben, die diese Arbeit machen wollen. Und womöglich mehr Gäste, die gute Lebensmitt­el und einen freundlich­en Service zu schätzen wissen – und deshalb bereit sind, dafür entspreche­nd zu bezahlen.

Manche reduzieren die Speisekart­e – oder gleich die Öffnungsze­iten

 ?? Foto: Weizenegge­r ?? Das Café Herzdame in der Kapuzinerg­asse in Günzburg sucht dringend Personal. Die Inhaberin Madeleine Le Claire möchte die Öffnungsze­iten gerne erweitern, weil die Nachfrage bei den Gästen groß ist. Aber ohne mehr und feste Mitarbeite­r, die „auf jeden Fall“über Mindestloh­n bezahlt werden, ist das nicht möglich.
Foto: Weizenegge­r Das Café Herzdame in der Kapuzinerg­asse in Günzburg sucht dringend Personal. Die Inhaberin Madeleine Le Claire möchte die Öffnungsze­iten gerne erweitern, weil die Nachfrage bei den Gästen groß ist. Aber ohne mehr und feste Mitarbeite­r, die „auf jeden Fall“über Mindestloh­n bezahlt werden, ist das nicht möglich.

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