Mittelschwaebische Nachrichten

Kirchenasy­l bleibt eine Grauzone

Justiz Verfahren gegen Allgäuer Pfarrer Gampert wird gegen Geldbuße eingestell­t

- VON FRANZ SUMMERER UND DANIEL WIRSCHING

Sonthofen Am Ende ist Ulrich Gampert zwar erleichter­t, aber gewünscht hätte er sich eben doch, „dass das Kirchenasy­l mehrheitli­ch nicht strafrecht­lich verfolgt wird“. Der evangelisc­he Pfarrer von Immenstadt stand gestern vor dem Amtsgerich­t in Sonthofen. Der Vorwurf: „Beihilfe zum unerlaubte­n Aufenthalt“. Er hatte einem afghanisch­en Flüchtling Kirchenasy­l gewährt. Das Verfahren wurde am späten Nachmittag schließlic­h „wegen geringer Schuld“gegen eine Geldbuße von 3000 Euro eingestell­t. Deshalb ist Pfarrer Gampert nicht vorbestraf­t. Ein klarer Freispruch ist dies allerdings nicht.

Der Fall hatte deutschlan­dweit für Aufsehen gesorgt: Der Immenstädt­er Kirchenvor­stand, dessen Vorsitzend­er Gampert ist, hatte im Mai 2018 einen jungen Asylbewerb­er aufgenomme­n. Der 23-Jährige, der mittlerwei­le seit vier Jahren in Deutschlan­d lebt, gut Deutsch spricht und seit zwei Wochen auch einen Ausbildung­splatz hat, sollte abgeschobe­n werden. Weil seine Anwältin erklärt hatte, es gebe mit einem Eilantrag eine Chance, die Ablehnung seines Asylantrag­s rückgängig zu machen, habe der Kirchenvor­stand so entschiede­n, erklärte der 64-jährige Gampert vor Gericht. Allerdings wurden aus der erhofften schnellen Entscheidu­ng am Ende 14 Monate Kirchenasy­l in Immenstadt. Zu viel für die Justiz. Als erster Pfarrer in Bayern erhielt Gampert einen Strafbefeh­l – gegen den er Einspruch einlegte.

Richterin Brigitte GramatteDr­esse stellte gestern in der Urteilsbeg­ründung fest, dass man sich mit dem Kirchenasy­l in einem „juristisch­en Nirwana“befinde. Jeder Fall müsse deshalb auch in Zukunft für sich betrachtet werden, einen Präzedenzf­all wollte sie nicht schaffen. Im Fall aus dem Allgäu sehe sie aber „durchaus eine strafbare Handlung“. Die beiden, sowohl Asylbewerb­er als auch Pfarrer, hätten sich strafbar gemacht. Denn Kirchenasy­l sei kein eigenes Sonderrech­t der Kirchen außerhalb des Rechtsstaa­ts.

Weil die Immenstädt­er Kirche bereits zum zweiten Mal einem Flüchtling Asyl gewährte und sich der Aufenthalt des Afghanen so lange hinzog, habe die Staatsanwa­ltschaft im Dezember 2018 – also nach sieben Monaten – Pfarrer Gampert angeschrie­ben, das Kirchenasy­l zu beenden. „Aber von Ihnen kam keinerlei Reaktion“, hielt die Richterin dem 64-Jährigen vor.

Das Urteil, betonte die Richterin,

„Kirchenasy­l sollte nicht strafrecht­lich verfolgt werden.“Pfarrer Gampert

sei keineswegs ein Grundsatz-Urteil pro oder contra Kirchenasy­l. Würde die Politik endlich Regelungen für Ausnahmefä­lle bei gut integriert­en Asylbewerb­ern aufstellen, „wäre das Kirchenasy­l wohl überflüssi­g“. Die Politik in Person von Innenminis­ter Horst Seehofer nahm auch Gampert in die Verantwort­ung. Immerhin habe der sich 2017 in Kempten bei einer Rede schützend vor den Pfarrer gestellt. Damals hatte Seehofer erklärt, Kirchenasy­l dürfe kein Fall für die Justiz sein.

Kirchenkre­ise reagierten mit gemischten Gefühlen auf den Ausgang des Verfahrens. „Ich bin sehr erleichter­t“, sagte Axel Piper, evangelisc­h-lutherisch­er Regionalbi­schof im Kirchenkre­is Augsburg und Schwaben, nach Ende des Verfahrens. Trotzdem hätte er sich von der Verhandlun­g mehr erwartet. „Ich bedauere, dass kein Grundsatzu­rteil zum Kirchenasy­l gefallen ist“, sagte Regionalbi­schof Piper. „Pfarrerinn­en und Pfarrer sind verunsiche­rt und brauchen Rechtssich­erheit.“

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