Mittelschwaebische Nachrichten
Kirchenasyl bleibt eine Grauzone
Justiz Verfahren gegen Allgäuer Pfarrer Gampert wird gegen Geldbuße eingestellt
Sonthofen Am Ende ist Ulrich Gampert zwar erleichtert, aber gewünscht hätte er sich eben doch, „dass das Kirchenasyl mehrheitlich nicht strafrechtlich verfolgt wird“. Der evangelische Pfarrer von Immenstadt stand gestern vor dem Amtsgericht in Sonthofen. Der Vorwurf: „Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt“. Er hatte einem afghanischen Flüchtling Kirchenasyl gewährt. Das Verfahren wurde am späten Nachmittag schließlich „wegen geringer Schuld“gegen eine Geldbuße von 3000 Euro eingestellt. Deshalb ist Pfarrer Gampert nicht vorbestraft. Ein klarer Freispruch ist dies allerdings nicht.
Der Fall hatte deutschlandweit für Aufsehen gesorgt: Der Immenstädter Kirchenvorstand, dessen Vorsitzender Gampert ist, hatte im Mai 2018 einen jungen Asylbewerber aufgenommen. Der 23-Jährige, der mittlerweile seit vier Jahren in Deutschland lebt, gut Deutsch spricht und seit zwei Wochen auch einen Ausbildungsplatz hat, sollte abgeschoben werden. Weil seine Anwältin erklärt hatte, es gebe mit einem Eilantrag eine Chance, die Ablehnung seines Asylantrags rückgängig zu machen, habe der Kirchenvorstand so entschieden, erklärte der 64-jährige Gampert vor Gericht. Allerdings wurden aus der erhofften schnellen Entscheidung am Ende 14 Monate Kirchenasyl in Immenstadt. Zu viel für die Justiz. Als erster Pfarrer in Bayern erhielt Gampert einen Strafbefehl – gegen den er Einspruch einlegte.
Richterin Brigitte GramatteDresse stellte gestern in der Urteilsbegründung fest, dass man sich mit dem Kirchenasyl in einem „juristischen Nirwana“befinde. Jeder Fall müsse deshalb auch in Zukunft für sich betrachtet werden, einen Präzedenzfall wollte sie nicht schaffen. Im Fall aus dem Allgäu sehe sie aber „durchaus eine strafbare Handlung“. Die beiden, sowohl Asylbewerber als auch Pfarrer, hätten sich strafbar gemacht. Denn Kirchenasyl sei kein eigenes Sonderrecht der Kirchen außerhalb des Rechtsstaats.
Weil die Immenstädter Kirche bereits zum zweiten Mal einem Flüchtling Asyl gewährte und sich der Aufenthalt des Afghanen so lange hinzog, habe die Staatsanwaltschaft im Dezember 2018 – also nach sieben Monaten – Pfarrer Gampert angeschrieben, das Kirchenasyl zu beenden. „Aber von Ihnen kam keinerlei Reaktion“, hielt die Richterin dem 64-Jährigen vor.
Das Urteil, betonte die Richterin,
„Kirchenasyl sollte nicht strafrechtlich verfolgt werden.“Pfarrer Gampert
sei keineswegs ein Grundsatz-Urteil pro oder contra Kirchenasyl. Würde die Politik endlich Regelungen für Ausnahmefälle bei gut integrierten Asylbewerbern aufstellen, „wäre das Kirchenasyl wohl überflüssig“. Die Politik in Person von Innenminister Horst Seehofer nahm auch Gampert in die Verantwortung. Immerhin habe der sich 2017 in Kempten bei einer Rede schützend vor den Pfarrer gestellt. Damals hatte Seehofer erklärt, Kirchenasyl dürfe kein Fall für die Justiz sein.
Kirchenkreise reagierten mit gemischten Gefühlen auf den Ausgang des Verfahrens. „Ich bin sehr erleichtert“, sagte Axel Piper, evangelisch-lutherischer Regionalbischof im Kirchenkreis Augsburg und Schwaben, nach Ende des Verfahrens. Trotzdem hätte er sich von der Verhandlung mehr erwartet. „Ich bedauere, dass kein Grundsatzurteil zum Kirchenasyl gefallen ist“, sagte Regionalbischof Piper. „Pfarrerinnen und Pfarrer sind verunsichert und brauchen Rechtssicherheit.“