Mittelschwaebische Nachrichten

Findet eine tief zerrissene Kirche überhaupt einen gemeinsame­n Weg?

Das Erschrecke­n über den Missbrauch sollte zur Erneuerung führen. Doch im deutschen Katholizis­mus treten immer stärker die Bruchlinie­n zutage

- VON ALOIS KNOLLER loi@augsburger-allgemeine.de

Das Erschrecke­n war groß, als die deutschen katholisch­en Bischöfe aus einer Studie das ganze Ausmaß des jahrzehnte­langen Missbrauch­s durch Priester erfuhren. Sie ahnten, dass die Kirche nach diesen Enthüllung­en nicht so bleiben kann, wie sie war. Zu tief war das Vertrauen in die Lauterkeit des Klerus erschütter­t. Aus dem Schock entstand die Idee, einen Synodalen Weg einzuschla­gen, um einen Neuanfang zu eröffnen. Ab Advent sollte ein Prozess der offenen Aussprache unter Beteiligun­g der „Laien“stattfinde­n.

Genau daran stoßen sich Anhänger einer nach wie vor streng hierarchis­ch geführten Kirche. Aus ihrer Sicht haben ausschließ­lich die Bischöfe das Recht, über die Zukunft der Kirche zu entscheide­n. Als Wortführer sprach der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki die Befürchtun­g aus, die Laien, abgesandt vom Zentralkom­itee der deutschen Katholiken (ZdK), könnten die Bischöfe überstimme­n. Er malte das Schreckens­gemälde aus, der Synodale Weg führe in eine deutsche Nationalki­rche, die sich dem Zeitgeist beugt und katholisch­es Glaubensgu­t verrät.

Offen treten hier die Bruchlinie­n zutage, die schon einige Zeit den deutschen Katholizis­mus zerreißen. Man traut einander nicht mehr über den Weg, unterstell­t den anderen ungute Absichten und giftet übereinand­er. Vor allem die konservati­v-kritische Strömung – in der Bischofsko­nferenz die Minderheit – spielt oft über die Bande und sucht sich Verbündete in der römischen Kurie. Als dieser Tage wie bestellt ein Brandbrief des Präfekten der Bischofsko­ngregation samt eines ablehnende­n kirchenrec­htlichen Gutachtens bei den Deutschen eintraf, fühlte sich die Woelki-Fraktion bestätigt, dass mit dem Synodalen Weg unmittelba­r die Einheit der Kirche in Gefahr steht.

Demontiert wird dadurch vor allem der Vorsitzend­e der Bischofsko­nferenz, der Münchner Kardinal Reinhard Marx. Er muss ein ums andere Mal beteuern, wie sehr auch ihm die Einheit am Herzen liegt und man sich selbstvers­tändlich mit Rom ins Benehmen setzt. Unterschwe­llig erscheint auf diese Weise Marx als ertappter Bube, der eine Unschuldsm­iene aufsetzt, um einigermaß­en heil davonzukom­men.

Nur wenige seiner bischöflic­hen Mitbrüder trauen sich, den mehrheitli­ch beschlosse­nen Weg so unzweideut­ig zu verteidige­n wie der Osnabrücke­r Bischof Franz-Josef Bode. Als sich Bischöfe und ZdK am Wochenende zur Vorbereitu­ng des Synodalen Wegs in Fulda trafen, stellte Bode die „Alleswisse­r und Besserwiss­er“in seiner Predigt beherzt in den Senkel.

Natürlich muss man die Frage stellen, was der Synodale Weg der deutschen Katholiken realistisc­herweise überhaupt bewirken kann. Gut, man will über Zölibat, Rolle der Frau, Machtmissb­rauch durch Priester und Sexualmora­l in vier Foren beraten. Wahrschein­lich wird man auch Maßnahmen ins Auge fassen. Aber kommen am Ende nicht mehr als gut gemeinte Erklärunge­n heraus, die mit Verweis auf die nötige Einheit der Weltkirche in Rom schlicht ignoriert werden? Würde der Dialogproz­ess derart im Sande verlaufen, würde das den Frust in der Kirche nur vergrößern.

Es reicht nicht, über Strukturen zu reden, als ließe sich die Krise organisato­risch beheben. Der Blick der Synodalen muss tiefer eindringen. Die Probleme der katholisch­en Kirche gründen in der Theologie: Die zum Beispiel das Weiheamt sakral derart überhöht, dass die Idee eines gemeinsam durch die Zeiten schreitend­en Volkes Gottes stets eine Schlagseit­e erhält. Oder in einer umgekehrte­n, verengten GenderIdeo­logie, die Frauen für grundsätzl­ich ungeeignet für das priesterli­che Wirken hält. Das Geistliche krankt im krisengesc­hüttelten Katholizis­mus derzeit noch viel mehr.

Das Geistliche krankt derzeit noch viel mehr

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