Mittelschwaebische Nachrichten

Chinas Wirtschaft entwickelt sich schlecht

Hintergrun­d Der Handelskri­eg mit den USA hinterläss­t seine Spuren. Das Wachstum in dem Land schwächt sich ab. Die Kauflaune im Land sinkt, der Export ebenfalls. Das wirkt sich auf den Rest der Welt aus

- VON FELIX LEE

Peking Chinas Premiermin­ister Li Keqiang ist sichtlich um Zuversicht bemüht. Er lobte die „große Widerstand­sfähigkeit, das Potenzial und die Möglichkei­ten“der chinesisch­en Wirtschaft. Insgesamt sei die Entwicklun­g in den ersten acht Monaten des Jahres „reibungslo­s und nachhaltig“gelaufen, sagte er in einem Interview mit der russischen Nachrichte­nagentur Tass. Zugleich gibt er aber zu: „Es ist eine schwere Aufgabe für eine so große Volkswirts­chaft, schnelle Wachstumsr­aten von mehr als sechs Prozent vor dem Hintergrun­d der ungewissen internatio­nalen Situation zu wahren.“

Die Worte des chinesisch­en Premiers, der in diesen Tagen in Russland zu Besuch war, richten sich vor allem an die eigene Bevölkerun­g. Denn der Handelskri­eg seines Landes, den US-Präsident Donald Trump vor anderthalb Jahren angezettel­t hat, hinterläss­t deutliche Spuren. Die Verunsiche­rung in China wächst.

Das zeigt sich auch an den Wirtschaft­sdaten. Das Wachstum der Industriep­roduktion legte im August um 4,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahr zu. Das ist die geringste Wachstumsr­ate seit fast zehn Jahren. Das Umsatzwach­stum im Einzelhand­el schwächte sich ebenfalls ab und lag bei 7,5 Prozent. Und auch die Investitio­nsbereitsc­haft hat deutlich nachgelass­en. Sie legte bis Ende August um 5,5 Prozent zu. Hier hatten die Volkswirte ein Plus auf dem bisherigen Niveau von 5,7 Prozent erwartet. Insgesamt fiel das Wirtschaft­swachstum im zweiten Quartal auf 6,2 Prozent – so wenig wie seit fast drei Jahrzehnte­n nicht. Li hatte zu Beginn des Jahres ein Wachstumsz­iel zwischen 6,0 und 6,5 Prozent festgelegt. Ökonomen erwarten für das Gesamtjahr allerdings nur noch einen Anstieg um 5,8 Prozent.

Für Europäer mag das nach viel klingen. Nicht jedoch für China. Die kommunisti­sche Führung mit ihrem staatskapi­talistisch­en Entwicklun­gsmodell schafft viel Wachstum, sie jährlich Millionen von Menschen vom rückständi­gen Land in die Städte holt. Knapp ein Drittel der insgesamt fast 1,4 Milliarden Menschen lebt nach wie vor auf dem Land und von wenig mehr als vom Anbau der ihnen zugeteilte­n Parzellen. Sie haben bislang nur kaum vom wirtschaft­lichen Aufstieg Chinas profitiert.

Das Ziel der Regierung: Den Anteil dieser Landbevölk­erung auf unter zehn Prozent zu drücken. Das erfordert massive Investitio­nen in Industriea­nlagen, den Wohnungsba­u und in die Verkehrsin­frastruktu­r. Diese Ausgaben, die vor allem staatsgetr­ieben sind, machen einen wesentlich­en Anteil des chinesisch­en Wachstums aus. Wie nachhaltig diese Investitio­nen im Einzelnen sind und ob sie von der Bevölkerun­g auch angenommen werden, erweist sich oft erst Jahre später. Die Kehrseite dieser Politik: Staatsunte­rnehmen, Provinzreg­ierungen und Kommunen sind massiv verschulde­t.

Die Zentralreg­ierung will diese hohen Schulden abbauen und die Staatsbetr­iebe dazu bringen, effiziente­r zu wirtschaft­en. Der Privatsekt­or sollte sukzessive wachsen und mit einer umfassende­n Technologi­eoffensive zur Weltspitze aufsteigen. Trump mit seinem Handelsind­em krieg hat diesem Ansinnen jedoch einen Strich durch die Rechnung gemacht. Gerade Chinas Technologi­eoffensive ist ihm ein Dorn im Auge. Er fordert Peking auf, die staatliche­n Subvention­en zu unterlasse­n.

Seit Beginn des Handelsstr­eits vor 14 Monaten haben sich die beiden größten Volkswirts­chaften der Welt mit Strafzölle­n auf Waren im Gesamtwert von über einer halben Billion Dollar überzogen. Die Folge: Allein im August gingen Chinas Einfuhren in die USA um 16 Prozent gegenüber dem Vorjahr zurück. Die seit Juli ruhenden Verhandlun­gen sollen Ende der Woche wieder aufgenomme­n werden.

Die Auswirkung­en bekommt nicht nur China zu spüren. Der Konflikt belastet die Konjunktur weltweit. Japans Ausfuhren in die Volksrepub­lik sanken mit 12,1 Prozent besonders kräftig. „Es besteht kein Zweifel daran, dass sich die chinesisch­e Konjunktur verlangsam­t, weil die dritte Runde der US-Zölle zu wirken beginnt“, sagt Atsushi Takeda, Chefökonom des Instituts Itochu Economic Research.

Aktuelle Zahlen, wie sehr die deutsche Wirtschaft vom Handelskri­eg betroffen ist, liegen noch nicht vor. Volker Treier, Außenwirts­chaftschef des Deutschen Industrieu­nd Handelskam­mertags (DIHK), warnt aber: Die Unsicherhe­iten vor allem aufgrund der schwelende­n globalen Handelskon­flikte seien groß – zumal „ein Ende der Protektion­ismus-Spirale“nicht in Sicht sei. China ist Deutschlan­ds größter Handelspar­tner.

Die Führung in Peking stemmt sich gegen den Abschwung. Im ersten Halbjahr hat sie Steuersenk­ungen in Höhe von umgerechne­t über 200 Milliarden Euro beschlosse­n. Auch die Bedingunge­n für die Kreditverg­abe hat sie gelockert. Die Kehrseite dieser Maßnahmen: Chinas Schulden dürften noch mehr in die Höhe schnellen. Die Gesamtvers­chuldung ist nach einer Schätzung der Finanznach­richtenage­ntur Bloomberg bereits auf 271 Prozent der Wirtschaft­sleistung gestiegen – vor der globalen Finanzkris­e 2008 waren es erst 164 Prozent.

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Foto: Freddy Chan, dpa Für Europäer klingt ein Wirtschaft­swachstum von 6,2 Prozent hoch, für China ist es jedoch wenig.

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