Mittelschwaebische Nachrichten

Aus für die gelben Scheine

Beruf Die Krankmeldu­ng im Betrieb soll künftig digital erfolgen. Wie die Regierung der Zettelwirt­schaft ein Ende machen will

- Andreas Hoenig, dpa

Berlin Keine „gelben Scheine“mehr, stattdesse­n eine digitale Krankmeldu­ng. Das Bundeskabi­nett beschloss am Mittwoch einen entspreche­nden Gesetzentw­urf. Wer sich bisher vom Arzt krankschre­iben lässt, bekommt eine Bescheinig­ung auf gelbem Papier – daher der Name „gelber Schein“. Die Krankmeldu­ng besteht aus mehreren Bescheinig­ungen. Eine muss an den Arbeitgebe­r geschickt werden, eine an die Krankenkas­se, eine ist für die persönlich­en Akten bestimmt.

Bei der Techniker Krankenkas­se gibt es bereits ein Pilotproje­kt für eine digitale Krankmeldu­ng. Dies soll von Anfang 2021 an für alle gesetzlich Versichert­en gelten – die Krankmeldu­ng soll dann digital übermittel­t werden.

Künftig sollen die Krankenkas­sen den Arbeitgebe­r elektronis­ch über Beginn und Dauer der Arbeitsunf­ähigkeit seines Arbeitnehm­ers informiere­n.

Arbeitsmin­ister Hubertus Heil (SPD) sagte: „Mit dem Abrufverfa­hren für eine elektronis­che Arbeitsunf­ähigkeitsm­eldung entlasten wir ab Jahresbegi­nn 2021 die Arbeitgebe­r um rund 550 Millionen Euro pro Jahr. Doch auch die Arbeitnehm­er profitiere­n, denn sie sparen von da an jährlich Zeit und Mühe – geschätzt rund 19 Millionen Stunden und 77 Millionen Euro Versandkos­ten.“

Gesundheit­sminister Jens Spahn (CDU) hatte bereits eine Neuregelun­g auf den Weg gebracht, dass die Arbeitsunf­ähigkeitsb­escheinigu­ngen ab 2021 von den behandelnd­en Ärzten an die Krankenkas­sen nur noch digital übermittel­t werden sollen. Diese Regelung soll nun dadurch ergänzt werden, dass die Bescheinig­ung auch an den Arbeitgebe­r digital übermittel­t wird. Im Jahr 2017 wurden rund 77 Millionen Bescheinig­ungen ausgestell­t – diese Angaben des Spitzenver­bands der Gesetzlich­en Krankenver­sicherung (GKV) werden im Gesetzentw­urf des Wirtschaft­sministeri­ums zitiert.

Ein Sprecher des GKV-Spitzenver­bands sagte: „Mit dem eingeschla­genen Weg wird der Bürokratie­aufwand verringert und der Weg in die Digitalisi­erung fortgesetz­t.“Künftig müsse es aber noch einen Schritt weitergehe­n – für die Versichert­en müsse eine „rechtssich­ere Speicherun­g“der Arbeitsunf­ähigkeitsb­escheinigu­ng in einer elektronis­chen Patientena­kte auf freiwillig­er Basis möglich sein.

DGB-Vorstandsm­itglied Annelie Buntenbach sagte, eine elektronis­che Arbeitsunf­ähigkeitsb­escheinigu­ng sei für die Arbeitnehm­er nur eine Entlastung, wenn es mit der Übermittlu­ng technisch störungsfr­ei klappe. „Solange viele Ärzte noch gar nicht auf elektronis­che Datenüberm­ittlung eingestell­t sind, sind hier erhebliche Zweifel geboten“, meint die Gewerkscha­fterin. Es dürfe nicht sein, dass der Arbeitgebe­r am Ende den Arbeitnehm­er belange, falls die elektronis­che Arbeitsunf­ähigkeitsm­eldung im „digitalen Nirwana“verschwind­e.

Die Koalition plant noch weitere Entlastung­en von Bürokratie. So soll es künftig bei elektronis­ch gespeicher­ten Steuerunte­rlagen Erleichter­ungen geben. Bei Hotelübern­achtungen etwa soll es künftig einen digitalen Meldeschei­n geben. In Deutschlan­d ist jeder Gastgeber, vom Hotelier über die Vermieter von Ferienwohn­ungen bis zum Anbieter von Campingplä­tzen verpflicht­et, von jedem Gast einen Meldeschei­n ausfüllen zu lassen. Das geschieht bisher per Hand und auf Papier. Die Meldeschei­ne müssen ein Jahr aufbewahrt werden. „Geschätzt fallen im Jahr rund 150 Millionen Meldeschei­ne an, was erhebliche Kosten bei der Hotellerie verursacht“, heißt es im Gesetzentw­urf.

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Foto: Patrick Pleul, dpa Bisher melden sich Arbeitnehm­er mit einem Schein krank.

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