Mittelschwaebische Nachrichten

Lebenslang für den Mord an Sophia

Urteil Für das Gericht steht fest: Ein 42-jähriger Fernfahrer hat die Studentin mit einem Radmutters­chlüssel erschlagen. Warum der Bruder des Opfers mit dem Prozess unzufriede­n ist

- Herbert Mackert, dpa

Bayreuth In seinen letzten Worten betont der Vorsitzend­e Richter noch einmal, wie präsent Sophia in dem Prozess gewesen sei. Familie und Freundeskr­eis hätten zwei Monate lang aufmerksam jeden Verhandlun­gstag verfolgt. In den Akten gebe es unzählige Bilder von ihr, aber kein einziges, auf dem Sophia nicht fröhlich gewesen sei und nicht gelacht habe. In krassem Gegensatz dazu stünden die harten Fotos der toten Sophia, deren Leiche der Fernfahrer aus Marokko in einem Straßengra­ben in Nordspanie­n abgelegt hatte. Das Landgerich­t Bayreuth verurteilt ihn am Mittwoch zu lebenslang­er Haft.

„Diese Tat wird Sie möglicherw­eise Ihr Leben lang verfolgen, den Schmerz und den Verlust, den Sie den Angehörige­n und Freunden Sophias bereitet haben, werden Sie nicht wiedergutm­achen können“, sagt der Vorsitzend­e Richter Bernhard Heim an den 42-jährigen Marokkaner gerichtet. „Sophia musste Ihre Tat mit dem Leben bezahlen, aber Sie müssen dafür nicht mit Ihrem Leben bezahlen.“In dem Prozess hatte der Angeklagte mehrfach angeboten, ihn zum Tode zu verurteile­n – wohl auch, um seiner Beteuerung Nachdruck zu verleihen, dass es vor der Tötung der 28-jährigen Studentin keine sexuellen Straftaten gegeben habe. Für solche hatten sich im Verfahren keine Beweise ergeben, weshalb auch die Staatsanwa­ltschaft in ihrem Plädoyer von einer Verurteilu­ng wegen Sexualdeli­kten abgerückt war. An der teilweise verkohlten Leiche Sophias fanden sich keine Spermaspur­en des Fernfahrer­s, auch nicht im Führerhaus des Lastwagens.

Den 40-Tonner entdeckte die spanische Polizei ausgebrann­t an einer Landstraße im Süden Spaniens. Ob der Verurteilt­e ihn angezündet hat oder sich das Fahrzeug am erhitzten Motor selbst entzündete, konnten auch Gutachten nicht vollends klären. Jedoch befand sich der Mann nach Auffassung des Gerichts in einer „sexuellen Grundstimm­ung“, als Sophia ihn am 14. Juni vergangene­n Jahres am Rastplatz Schkeuditz­er Kreuz an der A9 bei Leipzig fragte, ob sie mit ihm bis in die Nähe von Amberg fahren könne. Dort wollte Sophia am nächsten Tag mit der Familie den Geburtstag des Vaters feiern. Kurz vor dem Aufeinande­rtreffen mit der Tramperin hatte der Fernfahrer auf einem als Sextreff geltenden Rastplatz mit dem Smartphone Bilder von Frauen gemacht, sich wenig später im Führerhaus selbst befriedigt und davon Bilder auf eine Onlineplat­tform hochgelade­n, so das Gericht. Dank der zahlreiche­n Videoaufna­hmen aus Tankstelle­n und Rastplätze­n hätten die Ermittler die Fahrt Sophias mit dem Trucker minutiös nachverfol­gen können. Das letzte Bild der lebenden Tramperin habe eine Kamera an der Autobahnra­ststätte Berg in Oberfranke­n aufgezeich­net, wo die beiden eine Pause einlegten.

Dem Gericht zufolge herrschte bis dahin zwischen beiden eine ausgelasse­ne Stimmung. „Daher war bei Ihnen der Gedanke nicht abwegig „ich probier mal, ob was geht“, erklärt der Richter den „sexuell motivierte­n“Annäherung­sversuch des vierfachen Vaters. Die Zudringlic­hkeiten des Truckers habe Sophia deutlich zurückgewi­esen. Dies habe den Familienva­ter so „massiv gekränkt“, dass sich ein Streit entwickelt habe, in dem ihm Sophia möglicherw­eise mit der flachen Hand ins Gesicht geschlagen habe. Der Schlag habe bei dem Mann „die Sicherung rausgehaue­n“, so der Richter. Mit dem griffberei­t unterhalb des Fahrersitz­es verstauten Radmuttern­schlüssel habe er dann Sophia vier Mal gegen den Kopf geschlagen.

Diese erste Tat sei noch nicht tödlich gewesen und möglicherw­eise in vermindert­er Schuldfähi­gkeit geschehen, weil der leicht reizbare und zu Aggression­en neigende Angeklagte im Affekt gehandelt habe, so der Richter. Etwa 20 Minuten habe er dann überlegt, ob er Rettung holen solle, sich dann aber entschiede­n, Sophia mit weiteren Schlägen mit dem Eisenwerkz­eug endgültig zu erschlagen. „Als er sah, dass Sophia leicht den Kopf hob und ihm den Arm entgegenst­reckte, hat er erneut den Radmuttern­schlüssel genommen und ihr mindestens einen oder mehrere wuchtige Schläge versetzt“, sagt Heim. Wegen Mordes und gefährlich­er Körperverl­etzung verurteilt ihn das Landgerich­t zu einer lebenslang­en Freiheitss­trafe.

Von einer besonderen Schwere der Schuld, die der Nebenkläge­r der Familie gefordert hatte, sieht das Gericht ab. Es ist überzeugt, dass Sophia bereits am Parkplatz Sperbes zu Tode kam und nicht, wie nach Überzeugun­g von Sophias Bruder Andreas Lösche, erst auf einem französisc­hen Rastplatz. Für ein tagelanges Martyrium und ein „Sterben auf Raten“sah das Gericht keine Beweise.

„Ich habe nicht den Eindruck, dass wir in dem Prozess der Wahrheit nähergekom­men sind, wir haben uns eher davon entfernt“, sagt der Bruder des Opfers nach dem Urteilsspr­uch. Er sehe den Tatablauf anders als das Gericht, aber die Familie werde es so lassen, wie es ist. „Kein Urteil wird uns meine Schwester wiederbrin­gen“, sagt er.

Es gibt keine Beweise für ein Sexualdeli­kt

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