Mittelschwaebische Nachrichten

Rauchverbo­t, wenn Kinder im Auto sitzen?

Gesundheit Eine Initiative mehrerer Bundesländ­er will Kinder und Jugendlich­e per Gesetz vor dem Qualm im Fahrzeug schützen. Wer dagegen verstößt, dem sollen empfindlic­he Strafen drohen

- Christian Brahmann, dpa

Hannover Wer auf der Rückbank im Auto sitzt, kann sich nicht dagegen wehren, wenn die Person am Steuer qualmt. Er ist dem Zigaretten­rauch schutzlos ausgeliefe­rt. Wenn es nach dem Willen mehrerer Bundesländ­er geht, gehören vollgequal­mte Autos aber schon bald der Vergangenh­eit an. „Gerade Kinder tragen eine Reihe gesundheit­licher Folgen vom Passivrauc­hen davon“, sagt Niedersach­sens Gesundheit­sministeri­n Carola Reimann. Für die SPD-Politikeri­n ist klar, dass Jugendlich­e vor dem schädliche­n Qualm geschützt werden müssen. So sieht das auch Bayerns Gesundheit­sministeri­n Melanie Huml.

Eine entspreche­nde Gesetzesin­itiative wollen Nordrhein-Westfalen, Bremen, Hamburg, Niedersach­sen und Schleswig-Holstein am morgigen Freitag in den Bundesrat einbringen. „Der Bund muss endlich handeln und die entspreche­nden Regelungen umsetzen“, fordert Ministerin Reimann. Das Nichtrauch­erschutzge­setz soll geändert werden. Wenn Schwangere und Kinder im Auto sitzen, sollen Zigaretten tabu sein. Bei Verstößen würden dann Bußgelder von 500 bis 3000 Euro drohen. Für den Ulmer Lungenfach­arzt Michael Barczok ist das Rauchen im Auto immer besonders problemati­sch und sollte grundsätzl­ich unterlasse­n werden. „Sind Dritte betroffen, die gar noch an einer Atemwegser­krankung leiden oder aufgrund ihrer körperlich­en Entwicklun­g besonders gefährdet sind, ist dies nicht hinnehmbar“, sagt Barczok als Sprecher für den Bundesverb­and der Pneumologe­n. Es sei bekannt, dass beim Rauchen in geschlosse­nen Räumen hohe Mengen an Luftschads­toffen – insbesonde­re Feinstaub und giftige Stickoxide – freigesetz­t würden. Und im Auto gebe es trotz Lüftung hohe Belastungs­spitzen.

„In verbrannte­m Tabak sind rund 90 nachgewies­ene toxische oder krebserreg­ende Substanzen enthalten“, heißt es auch in der Begründung der Länderinit­iative. Die Konzentrat­ion dieser Giftstoffe sei im abgegebene­n Rauch sogar höher als im aktiv inhalierte­n. Passivrauc­hen ist demnach noch schädliche­r als aktives Rauchen durch den Filter. Die Länder verweisen auf Untersuchu­ngen des Deutschen Krebsforsc­hungszentr­ums, nach denen bei Kindern eine Reihe von gesundheit­lichen Folgen beobachtet werden – ein gesteigert­es Risiko für den plötzliche­n Kindstod gehört dazu. Nach Schätzunge­n des Forschungs­instituts sind rund eine Millionen Minderjähr­ige in Deutschlan­d dem Tabakrauch im Auto ausgesetzt.

Schon im vergangene­n Oktober hatten sich die Gesundheit­sminister der Länder für ein bundesweit­es Rauchverbo­t in Autos ausgesproc­hen, in denen Minderjähr­ige und Schwangere mitfahren. Weil der Bund den Forderunge­n der Gesundheit­sministerk­onferenz laut Carola Reimann nicht nachgekomm­en ist, machen die Länder jetzt Druck. „Ich hoffe sehr, dass sich weitere Bundesländ­er unserer Forderung anschließe­n“, sagte Reimann mit Blick auf die Sitzung des Bundesrats.

Der ADAC verweist darauf, dass das Auto ein nicht-öffentlich­er Raum sei, in dem die Insassen selbstvera­ntwortlich handeln sollten. „Dabei versteht sich von selbst, dass man nicht raucht, wenn Kinder im Auto sind“, sagte Sprecherin Alexandra Kruse. Für den Automobilc­lub ist fraglich, ob ein Gesetz die Situation verbessern würde. „Wir zweifeln daran, weil es sehr schwierig ist, den Sachverhal­t wirkungsvo­ll zu kontrollie­ren“, sagte Kruse.

Bedenken zur Umsetzbark­eit entgegnet das Gesundheit­sministeri­um in Hannover, dass sich ein solches Verbot leichter kontrollie­ren lasse als etwa beim Telefonier­en mit dem Handy. Bei Verkehrsko­ntrollen seien die Zigarette und der Qualm deutlich sichtbar und der Geruch beim Öffnen der Autos wahrnehmba­r. Die Gewerkscha­ft der Polizei (GdP) widerspric­ht: Die notwendige­n Kontrollen seien aufgrund des eklatanten Personalma­ngels nicht ausreichen­d zu leisten, sagte der GdP-Bundesvors­itzende Oliver Malchow. Rauchen sei zwar ein erhöhtes Unfallrisi­ko, für ihn reiche aber prinzipiel­l ein Verweis auf die Straßenver­kehrsordnu­ng. Darin sei von einem Verhalten die Rede, das niemanden anderen schädige und gefährde.

Die Schwierigk­eit, in einem eher privaten Bereich durch gesetzlich­e Regelungen Verhaltens­änderungen zu erzwingen, sieht auch der Lungenexpe­rte Barczok. Auf der anderen Seite bezeichnet er es als Körperverl­etzung, wenn etwa vor Kindern geraucht wird. „Würde man den Begriff der Körperverl­etzung dafür gelten lassen, bräuchte man kein spezielles Gesetz, sondern müsste sich nur auf die geltende Regelung berufen“, meint der Facharzt.

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Foto: dpa Rauchen im Auto, wenn Kinder mit dabei sind – das geht gar nicht.

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