Mittelschwaebische Nachrichten

Wenn sich Muskeln auflösen

- VON ANDREAS KORNES ako@augsburger-allgemeine.de

Ab etwa 50 Grad verändert sich Fleisch, Muskeleiwe­iß löst sich auf. Diese Informatio­n könnte an dieser Stelle auch Vegetarier interessie­ren, sofern sie sich für Leichtathl­etik begeistern. Diese edle Disziplin der Leibesertü­chtigung sucht ab dem übernächst­en Wochenende in Katar ihre Weltmeiste­r. Der kleine Wüstenstaa­t hat Zweierlei im Überfluss: Öl und Sonne. Ersteres spülte den Kataris derart viel Geld in die Kasse, dass sie sich trotz Zweiterem die ein oder andere WM kaufen können. Mit Blick auf den Einstieg dieses Textes sei erwähnt, dass in dem Wüstenstaa­t tagsüber derzeit Temperatur­en von 44 Grad herrschen, die sich wie 49 Grad anfühlen.

Wie das zu einer Leichtathl­etikWM passt? Gar nicht. Trotzdem haben die Mächtigen des Sports die Meistersch­aft in die Wüste vergeben. Ebenso wie die Fußball-WM 2022. Glückliche­rweise haben sich die Bewohner dieses heißen Fleckchens Erde etwas einfallen lassen, um den Sportlern und Zuschauern das (zugegeben etwas reißerisch­e) Szenario sich zersetzend­en Fleisches zu ersparen. In das Khalifa Internatio­nal Stadium haben sie eine gigantisch­e Klimaanlag­e (siehe Bild) eingebaut. Diese kann den gesamten Zuschauer- und Aktivenber­eich auf angenehme 16 Grad herunterkü­hlen. 40000 Menschen trinken Glühwein, während draußen der heiße Wüstenwind weht.

Wie die Energiebil­anz dieser Aktion aussieht? Unbekannt. Die Kataris behaupten, ein Großteil der benötigten Energie stamme aus erneuerbar­en Quellen – ausreichen­d Sonne stünde ja zur Verfügung.

Nur eines haben selbst die Kataris nicht geschafft: die Marathonst­recke angenehm zu temperiere­n. Im Stadion müssten sie, um auf die benötigten 42,195 Kilometer zu kommen, 105 mal im Kreis laufen. Das will keiner, also starten die Langstreck­ler erst um Mitternach­t. Die Geher gehen um 23.30 Uhr auf die Strecke. Schwer zu verstehen, dass es nicht möglich sein soll, ein paar Kilometer Straße durch die Wüste zu kühlen. Aber gut, die deutschen Geher haben ihr Schicksal akzeptiert und nehmen die Herausford­erung an. Sie absolviert­en ihre Trainingse­inheiten auf dem Laufband und stellten sich Heizstrahl­er vor die Nase. Die Körpertemp­eratur der Athleten stieg auf knapp 40 Grad. Alles ganz cool also. Gefährlich wird’s ja erst ab 50 Grad.

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Foto: dpa Mit einer riesigen Kühlvorric­htung wird das Stadion in Doha temperiert.
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