Mittelschwaebische Nachrichten
Wenn sich Muskeln auflösen
Ab etwa 50 Grad verändert sich Fleisch, Muskeleiweiß löst sich auf. Diese Information könnte an dieser Stelle auch Vegetarier interessieren, sofern sie sich für Leichtathletik begeistern. Diese edle Disziplin der Leibesertüchtigung sucht ab dem übernächsten Wochenende in Katar ihre Weltmeister. Der kleine Wüstenstaat hat Zweierlei im Überfluss: Öl und Sonne. Ersteres spülte den Kataris derart viel Geld in die Kasse, dass sie sich trotz Zweiterem die ein oder andere WM kaufen können. Mit Blick auf den Einstieg dieses Textes sei erwähnt, dass in dem Wüstenstaat tagsüber derzeit Temperaturen von 44 Grad herrschen, die sich wie 49 Grad anfühlen.
Wie das zu einer LeichtathletikWM passt? Gar nicht. Trotzdem haben die Mächtigen des Sports die Meisterschaft in die Wüste vergeben. Ebenso wie die Fußball-WM 2022. Glücklicherweise haben sich die Bewohner dieses heißen Fleckchens Erde etwas einfallen lassen, um den Sportlern und Zuschauern das (zugegeben etwas reißerische) Szenario sich zersetzenden Fleisches zu ersparen. In das Khalifa International Stadium haben sie eine gigantische Klimaanlage (siehe Bild) eingebaut. Diese kann den gesamten Zuschauer- und Aktivenbereich auf angenehme 16 Grad herunterkühlen. 40000 Menschen trinken Glühwein, während draußen der heiße Wüstenwind weht.
Wie die Energiebilanz dieser Aktion aussieht? Unbekannt. Die Kataris behaupten, ein Großteil der benötigten Energie stamme aus erneuerbaren Quellen – ausreichend Sonne stünde ja zur Verfügung.
Nur eines haben selbst die Kataris nicht geschafft: die Marathonstrecke angenehm zu temperieren. Im Stadion müssten sie, um auf die benötigten 42,195 Kilometer zu kommen, 105 mal im Kreis laufen. Das will keiner, also starten die Langstreckler erst um Mitternacht. Die Geher gehen um 23.30 Uhr auf die Strecke. Schwer zu verstehen, dass es nicht möglich sein soll, ein paar Kilometer Straße durch die Wüste zu kühlen. Aber gut, die deutschen Geher haben ihr Schicksal akzeptiert und nehmen die Herausforderung an. Sie absolvierten ihre Trainingseinheiten auf dem Laufband und stellten sich Heizstrahler vor die Nase. Die Körpertemperatur der Athleten stieg auf knapp 40 Grad. Alles ganz cool also. Gefährlich wird’s ja erst ab 50 Grad.