Mittelschwaebische Nachrichten
Rätselhaftes Kinovergnügen
Meistens ist es dienstags, also zwei Tage, bevor eigentlich neue Filme anlaufen. Dann geschieht in Kinos doppelt Rätselhaftes, das in der vollvernetzten Ära der Streaming-Dienst-Abos mit algorithmisch optimierter Ausrichtung des Angebots an den jeweiligen Geschmack des Konsumenten geradezu verrückt erscheint: Menschen finden sich kostenpflichtig zu einer Vorstellung ein und haben keine Ahnung, welchen Film sie zu sehen bekommen werden. Sie wissen nur, dass es einer ist, der erst im Lauf der nächsten Wochen in den Kinos startet. „Sneak Preview“heißt das dann – und ist meist auch ziemlich gut besucht.
Das aber ist erst das zweite des doppelten Rätsels. Der erste klärt sich schnell auf: der Film. Diese Woche lief zum Beispiel in Augsburg bei geheimen Vorpremieren in einem großen Kino-Komplex „Skin“, ein Neonazi-AussteigerThriller und in einem kleineren Filmtheater „White Crow“, das Polit-Drama über den russischen Balletttänzer Nurejew. Und was bereits zum zweiten Rätsel führt: Passt das? Was bei der Art-HouseAffinität in kleineren Kinos einfacher zu beantworten ist. „White Crow“passt genau in deren Drama-Profil, zu dem es hier halt noch die Komödien-Alternative gibt. Im Multiplex ist dagegen alles möglich, auch Horror, die Altersfreigabe ist betont auf 18 gesetzt. „Skin“wirkt da eher ambitioniert und ist offenkundig für den Verleih ein PRVersuch. Aber mit was für Erwartungen kommt das Publikum?
Die hingehen, gehen meist regelmäßig hin. Sie mögen den Kitzel, sich dem Ungewissen auszusetzen und überrascht zu werden, die Möglichkeit, etwas zu entdecken, die Aussicht, Begehrtes früher zu sehen – und können bei gesenkten Preisen einfach auch wieder mal gehen. Ein Event mit ein bisschen romantischer Widerständigkeit gegen die Programmierbarkeit.