Mittelschwaebische Nachrichten
Vier Sprachen und jetzt eine zweite Ausbildung als Krankenpflegerin
Porträt Hanadi Mahmo kam 2015 aus Syrien. Mit der Unterstützung durch Alfred Kalischko kamen sie und ihre Familie hier an
Thannhausen Ein breites Grinsen ziert das runde Gesicht von Hanadi Mahmo. Mit den Händen auf dem Schoß sitzt sie im Wohnzimmer und wartet auf Fragen. Ihr kleiner Bruder Faadi hockt am Boden, schaut fern. Hanadi, ihre vier Geschwister sowie ihre Eltern scheinen angekommen zu sein. Die kurdische Familie aus Aleppo hat 2015 in Deutschland Asyl beantragt. Heute haben sie eine eigene Wohnung in Thannhausen, der Vater Riad hat einen Job und die Kinder können zur Schule gehen. Doch am bemerkenswertesten ist der Werdegang von Hanadi. Sie spricht nicht nur fehlerfrei Deutsch, sondern hat bereits eine Ausbildung als Sozialpflegerin abgeschlossen.
Neben der Berufsschule sammelte sie praktische Erfahrung im Altenheim. Das war eine Herausforderung. „Am Anfang hatte ich zu sehr Angst, etwas falsch zu machen“, sagt Hanadi. Außerdem war es schwer, den Dialekt der Leute zu verstehen. Doch die 19-Jährige stellt erheitert fest, dass sie mittlerauch Schwäbisch kann. Plötzlich vergisst der dreijährige Faadi den Fernseher. Denn Alfred Kalischko kommt; ein Freund der Familie. Er nimmt neben Hanadi Platz, hat Faadi auf dem Schoß. „Ihm verdanke ich sehr viel“, betont die junge Frau. Kalischko hat Hanadi unterrichtet, mit ihr regelmäßig Deutsch geübt. Er hat schnell erkannt, wie motiviert, aber auch talentiert die Kurdin ist. Sie beherrschte bereits drei Sprachen: Arabisch, Kurdisch und Türkisch. Letzteres lernte sie während des ersten Kapitels ihrer Fluchtgeschichte.
Bereits 2012 flohen die Mahmos in die Türkei. 2015 brachen sie dann nach Europa auf. Hanadi fließen Tränen durchs Gesicht, als sie darauf angesprochen wird. Das überfüllte Boot, auf dem sie ihr ganzes Gepäck über Bord warfen, um nicht zu ertrinken. Der Hunger, den sie während der Nachtmärsche durch Wälder und Wiesen nach Tagen ohne Essen litten. All das scheint sie bis heute zu traumatisieren. Eines Tages will sie ihre Erlebnisse aufschreiben. Doch derzeit fällt es ihr noch schwer darüber zu sprechen.
In Deutschland angekommen, zogen sie in ein Flüchtlingsheim: sieben Personen in ein einziges Zimmer mit kaltem Fliesenboden. Lange versuchten die Mahmos vergeblich eine Wohnung zu finden. Alfred Kalischko half ihnen dabei und war am Ende erfolgreich. Er ist motiviert zu helfen, weil auch seine Familie Flucht erlebt hat. Kalischkos Eltern kamen nach dem Zweiten Weltkrieg als Vertriebene nach Deutschland. Wenn er spricht, trifft er keine großen gesellschaftspolitiweile schen Aussagen. Der Rentner meint: „Ich will einfach von dem Guten, was meinen Eltern widerfahren ist, etwas zurückgeben.“Hanadi war am Anfang skeptisch. Die kulturellen Unterschiede waren für beide eine Herausforderung. Doch sie haben darüber immer wieder offen gesprochen und so viele Missverständnisse beseitigt.
Hanadis Vater, Riad Mahmo, kommt von der Arbeit. Der gelernte Koch ist als Lagerist tätig. Auch er betont, wie viel sie Kalischko zu verdanken haben: „Er hat uns immer gesagt, dass Deutschland wie eine Treppe ist. Man kommt Stufe für Stufe weiter.“Bei einer Tasse Kaffee erzählt er empört von einem Arbeitskollegen, der seit vielen Jahren hier ist und noch kein Deutsch kann. Seine Tochter Hanadi hat er immer angespornt, die Sprache zu lernen und sich weiterzubilden.
Bald will er ihr ein Auto kaufen. Denn sie macht gerade ihren Führerschein, um ab Oktober nach Mindelheim fahren zu können. Dort beginnt sie dann eine weitere Ausbildung und wird Krankenpflegerin.