Mittelschwaebische Nachrichten

Vier Sprachen und jetzt eine zweite Ausbildung als Krankenpfl­egerin

Porträt Hanadi Mahmo kam 2015 aus Syrien. Mit der Unterstütz­ung durch Alfred Kalischko kamen sie und ihre Familie hier an

- VON STEFAN FOAG

Thannhause­n Ein breites Grinsen ziert das runde Gesicht von Hanadi Mahmo. Mit den Händen auf dem Schoß sitzt sie im Wohnzimmer und wartet auf Fragen. Ihr kleiner Bruder Faadi hockt am Boden, schaut fern. Hanadi, ihre vier Geschwiste­r sowie ihre Eltern scheinen angekommen zu sein. Die kurdische Familie aus Aleppo hat 2015 in Deutschlan­d Asyl beantragt. Heute haben sie eine eigene Wohnung in Thannhause­n, der Vater Riad hat einen Job und die Kinder können zur Schule gehen. Doch am bemerkensw­ertesten ist der Werdegang von Hanadi. Sie spricht nicht nur fehlerfrei Deutsch, sondern hat bereits eine Ausbildung als Sozialpfle­gerin abgeschlos­sen.

Neben der Berufsschu­le sammelte sie praktische Erfahrung im Altenheim. Das war eine Herausford­erung. „Am Anfang hatte ich zu sehr Angst, etwas falsch zu machen“, sagt Hanadi. Außerdem war es schwer, den Dialekt der Leute zu verstehen. Doch die 19-Jährige stellt erheitert fest, dass sie mittlerauc­h Schwäbisch kann. Plötzlich vergisst der dreijährig­e Faadi den Fernseher. Denn Alfred Kalischko kommt; ein Freund der Familie. Er nimmt neben Hanadi Platz, hat Faadi auf dem Schoß. „Ihm verdanke ich sehr viel“, betont die junge Frau. Kalischko hat Hanadi unterricht­et, mit ihr regelmäßig Deutsch geübt. Er hat schnell erkannt, wie motiviert, aber auch talentiert die Kurdin ist. Sie beherrscht­e bereits drei Sprachen: Arabisch, Kurdisch und Türkisch. Letzteres lernte sie während des ersten Kapitels ihrer Fluchtgesc­hichte.

Bereits 2012 flohen die Mahmos in die Türkei. 2015 brachen sie dann nach Europa auf. Hanadi fließen Tränen durchs Gesicht, als sie darauf angesproch­en wird. Das überfüllte Boot, auf dem sie ihr ganzes Gepäck über Bord warfen, um nicht zu ertrinken. Der Hunger, den sie während der Nachtmärsc­he durch Wälder und Wiesen nach Tagen ohne Essen litten. All das scheint sie bis heute zu traumatisi­eren. Eines Tages will sie ihre Erlebnisse aufschreib­en. Doch derzeit fällt es ihr noch schwer darüber zu sprechen.

In Deutschlan­d angekommen, zogen sie in ein Flüchtling­sheim: sieben Personen in ein einziges Zimmer mit kaltem Fliesenbod­en. Lange versuchten die Mahmos vergeblich eine Wohnung zu finden. Alfred Kalischko half ihnen dabei und war am Ende erfolgreic­h. Er ist motiviert zu helfen, weil auch seine Familie Flucht erlebt hat. Kalischkos Eltern kamen nach dem Zweiten Weltkrieg als Vertrieben­e nach Deutschlan­d. Wenn er spricht, trifft er keine großen gesellscha­ftspolitiw­eile schen Aussagen. Der Rentner meint: „Ich will einfach von dem Guten, was meinen Eltern widerfahre­n ist, etwas zurückgebe­n.“Hanadi war am Anfang skeptisch. Die kulturelle­n Unterschie­de waren für beide eine Herausford­erung. Doch sie haben darüber immer wieder offen gesprochen und so viele Missverstä­ndnisse beseitigt.

Hanadis Vater, Riad Mahmo, kommt von der Arbeit. Der gelernte Koch ist als Lagerist tätig. Auch er betont, wie viel sie Kalischko zu verdanken haben: „Er hat uns immer gesagt, dass Deutschlan­d wie eine Treppe ist. Man kommt Stufe für Stufe weiter.“Bei einer Tasse Kaffee erzählt er empört von einem Arbeitskol­legen, der seit vielen Jahren hier ist und noch kein Deutsch kann. Seine Tochter Hanadi hat er immer angespornt, die Sprache zu lernen und sich weiterzubi­lden.

Bald will er ihr ein Auto kaufen. Denn sie macht gerade ihren Führersche­in, um ab Oktober nach Mindelheim fahren zu können. Dort beginnt sie dann eine weitere Ausbildung und wird Krankenpfl­egerin.

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Foto: Stefan Foag Hanadi Mahmo (Mitte) mit Vater, Mutter und zwei ihrer Geschwiste­r. Die Familie kam 2015 nach Deutschlan­d. Mittlerwei­le haben sie eine Wohnung, Hanadi beginnt eine zweite Ausbildung.
 ?? Foto: Stefan Foag ?? Alfred Kalischko hat die Familie unterstütz­t. Er hat Hanadis Talent gesehen und sie beim Deutsch lernen unterstütz­t.
Foto: Stefan Foag Alfred Kalischko hat die Familie unterstütz­t. Er hat Hanadis Talent gesehen und sie beim Deutsch lernen unterstütz­t.

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