Mittelschwaebische Nachrichten

Der neue Star in der Serien-Welt

Phoebe Waller-Bridge ist Schauspiel­erin, Drehbuchau­torin und derzeit vielleicht eines der größten Talente. Selbst der nächste Bond-Film trägt ihre Handschrif­t

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Normalerwe­ise läuft es im Fernsehges­chäft so: Wenn eine Serie erfolgreic­h ist, wird sie verlängert, Staffel um Staffel, so lange, bis die Handlung mehr als einmal auserzählt ist. Für die britische Sendung „Fleabag“, die hierzuland­e vom Streamingd­ienst Amazon Prime ausgestrah­lt wird, gilt diese ungeschrie­bene Regel nicht. Phoebe Waller-Bridge, zugleich Autorin und Hauptdarst­ellerin, verkündete nach zwei Staffeln, auf dem Höhepunkt des Erfolgs, das Aus für „Fleabag“. Die Fans waren entsetzt, im Internet wird die Autorin bestürmt, Material für eine dritte Staffel zu schreiben.

Aber Waller-Bridge hält eisern an ihrer Entscheidu­ng fest – und das allein zeigt, welchen Stellenwer­t die Britin mittlerwei­le in der Branche hat. Die 34-Jährige gehört zu den gefragtest­en Drehbuchau­toren der Welt. Bei den Emmys, dem internatio­nal bedeutends­ten Fernsehpre­is, der am Sonntagabe­nd verliehen wird, ist „Fleabag“elf Mal nominiert. Besonders die zweite Staffel, darin sind sich die meisten Kritiker einig, ist ein kleines Meisterwer­k, ein Leuchtturm, der herausragt aus der Vielzahl an Serien, die Monat für Monat auf den Markt kommen.

Waller-Bridge hat „Fleabag“zunächst als Theaterstü­ck geschriebe­n und schließlic­h für die BBC als Serie adaptiert. Im Mittelpunk­t steht die Titelheldi­n, Fleabag, eine chaotische, durch den Tod einer Freundin tief verunsiche­rte Frau, die von Affäre zu Affäre taumelt. Fleabag ist anders als die meisten Frauen, die Zuschauer sonst im Fernsehen zu sehen bekommen: zynisch, neurotisch, egoistisch, überforder­t vom Leben. Die Serie lebt von den Dialogen, die die Drehbuchau­torin ihren Darsteller­n schreibt, schnelle, sarkastisc­he Wortgefech­te, in denen viel von ihrer eigenen, unangepass­ten Persönlich­keit mitschwing­t. Dem Guardian erzählte sie vor einiger Zeit, dass sie schon als Kind gerne andere Menschen schockiert habe, am liebsten ihre Großmutter, eine zugeknöpft­e und tief religiöse Frau. Die Künstlerin stammt aus einer behüteten Familie, sie hat einen Lebenslauf, wie man ihn vergleichs­weise häufig in der britischen Mittelschi­cht findet: Ein Jahr verbrachte Waller-Bridge im Internat, danach besuchte sie eine Privatschu­le. Nach ihrem Abschluss wechselte sie auf die Royal Academy of Dramatic Art, wo schon Anthony Hopkins, Alan Rickman oder Ralph Fiennes studiert haben.

Spätestens im vergangene­n Jahr ereilte die Britin der Ritterschl­ag der Branche: Daniel Craig persönlich verlangte, Waller-Bridge als Autorin für den nächsten JamesBond-Film zu engagieren. Craig hatte „Fleabag“im Fernsehen gesehen. Die Künstlerin, forderte er, solle helfen, das Drehbuch zu überarbeit­en. Mehr Witz, mehr starke weibliche Rollen, so lauteten angeblich die Vorgaben. Und wer weiß, vielleicht verhilft Waller-Bridge, deren Werke immerhin regelmäßig mit Preisen überhäuft werden, auch der Bond-Reihe bald zum nächsten Oscar. Sarah Schierack

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Foto: dpa

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