Mittelschwaebische Nachrichten

Sonst bleiben die Felder kahl

Umwelt Phosphor ist lebenswich­tig für Pflanzen. Doch der Rohstoff für Dünger wird knapp. Jetzt soll er aus Klärschlam­m zurückgewo­nnen werden. Mit dabei ist eine Memminger Firma

- VON JULIAN WÜRZER

Memmingen Stellen Sie sich vor, es ist ein Frühlingsm­orgen und Sie blicken in Ihren Garten. Dort steht der Apfelbaum, kahl vom Winter. Und noch immer leblos. Dabei ist es bereits Anfang Mai. Und Sie machen sich auf den Weg zur Arbeit – im T-Shirt, zum ersten Mal in diesem Jahr. Vorbei an dem Rapsfeld, dessen Duft eigentlich den Sommer ankündigt. Doch an diesem Tag wächst kein Raps. Die einzige Farbe, die Sie auf Ihrem Radweg ins Büro wahrnehmen, ist der blaue Schriftzug, der über dem Eingang Ihrer Firma ragt. Und nun stellen Sie sich vor, Ihr Arbeitsweg bleibt so grau. Für den Rest Ihres Lebens.

Zugegeben, die einleitend­e Dystopie wirkt vielleicht übertriebe­n. Doch sie macht deutlich, wie wichtig Phosphor ist. Der Stoff bedeutet Leben. Kein Mensch, keine Pflanze und keine Zelle würde ohne Phosphor funktionie­ren. Und geht der Rohstoff zur Neige, um das Weltunterg­angsszenar­io vollends auszureize­n, würde wohl die größte Nahrungsmi­ttelkrise der Welt ausbrechen.

Und nun müssen Sie wissen, ohne Phosphor gäbe es die Nahrungsmi­ttelindust­rie, wie wir sie kennen, nicht. Der Rohstoff wird als Dünger auf die Felder geschüttet und sorgt für das Wachstum von Nutzpflanz­en, etwa Raps oder Mais. Doch Phosphor ist endlich, wie Kohle, wie Erdöl. Auf der Erde kommt er lediglich in gebundener Form in Phosphaten vor. Auf dem Inselstaat Nauru im Pazifik, der wirtschaft­lich ausschließ­lich auf den Abbau von Phosphat angewiesen ist, sind die Ressourcen nahezu erschöpft.

Deutschlan­d importiert Phosphor beispielsw­eise aus China oder Marokko – meist als Dünger. Dabei verfügen wir hierzuland­e über riesige Phosphorqu­ellen, nicht als natürliche Ressource, aber zuhauf im Klärschlam­m. Im Jahr 2017 fielen in Bayern 257401 Tonnen Klärschlam­m an, das entspricht etwa 9500 Lkw-Ladungen. Das geht aus einer Statistik der Hausmüll-Bilanz des Bayerische­n Landesamts für Umwelt hervor.

Vor Jahren kauften Landwirte den Klärschlam­m von den Kläranlage­n auf und schütteten ihn für das Wachstum der Pflanzen auf die Felder. Heutzutage ist das in Verruf geraten. „Wegen der im Klärschlam­m enthaltene­n Schwermeta­lle und dem spielt der Klärschlam­m in der Landwirtsc­haft fast keine Rolle mehr“, sagt Stefan Meitinger, Referent für Agrarpolit­ik und Parlaments­arbeit beim Bayerische­n Bauernverb­and.

Der Großteil des Klärschlam­ms, nahezu 70 Prozent, wird einfach in Müllheizkr­aftwerken oder Kohlekraft­werken verbrannt. Das zeigen die Statistike­n des Landesamts. Das Pikante daran: Die resultiere­nde Asche enthält den lebenswich­tigen Phosphor. Noch tüftelt Deutschlan­d an einer Lösung, wie die verlorene Ressource zurückgewo­nnen werden könnte.

Deshalb reagierte die Bundesregi­erung im Jahr 2017 auf das Phosphor-Problem und setzte eine neue Klärschlam­mverordnun­g durch. Die auch eine Chance in Form von Fördergeld­ern für die Abfallwirt­schaft birgt. Ab dem Jahr 2029 müssen größere Kläranlage­n den Klärschlam­m in sogenannte­n Mono-Verbrennun­gsanlagen verwerten. So kann theoretisc­h aus der zurückblei­benden Asche der Phosphor wiedergewo­nnen werden. Von diesem Gesetz ist auch Augsburg betroffen.

Bislang werde der Augsburger Klärschlam­m, etwa 30000 Tonnen jährlich, in der Abfallverw­ertungsMik­roplastik anlage in Mannheim mitverbran­nt, sagt Gunther Höhnberg, Leiter des Augsburger Tiefbauamt­s. Eine klare Strategie, wie der Phosphor recycelt werden soll, gibt es aber bislang weder in Augsburg noch in Bayern.

Das Bayerische Landesamt für Umwelt verwies auf ein Pilotproje­kt im Klärwerk in Weißenburg im Landkreis Weißenburg-Gunzenhaus­en. Eine weitere Reinigungs­stufe eliminiert dort seit zwei Jahren einen Großteil der Medikament­enrückstän­de und andere für die Umwelt schädliche Stoffe aus dem Abwasser. Phosphorve­rbindungen werden ebenfalls in großem Maße abgetrennt. Derzeit handelt es sich in Weißenburg um ein kleines Projekt, das für die Zukunft eine große Wirkung erzielen kann.

Ortswechse­l. Hamburg. Auf einer Landzunge östlich der A7, südlich der Elbe gegenüber dem Hamburger Bezirk Altona könnte das Phosphor-Problem gelöst werden. Die Baufirma Beck aus Memmingen plant dort die Tragwerke und baut eine Halle für eine Phosphor-Recyclinga­nlage.

Pilotanlag­e soll kommendes Jahr in Betrieb gehen

Sie soll im kommenden Jahr in Betrieb genommen werden und Phosphor in großem Maße aus Klärschlam­m zurückgewi­nnen. Rund 20000 Tonnen jährlich sollen dort verarbeite­t werden. Das entspricht zwei Dritteln des in Augsburg anfallende­n Klärschlam­ms. Daraus sollen dann rund 7000 Tonnen Phosphor recycelt werden. Entwickelt wurde das Verfahren von dem Abfallwirt­schaftsunt­ernehmen Remondis Aqua.

Geschäftsf­ührer Martin Lebek erklärt gegenüber unserer Redaktion, dass in Hamburg aus der Asche des Klärschlam­ms das Phosphor herausgelö­st werden soll. In dem sogenannte­n TetraPhos-Verfahren gewinne man durch Zufuhr von Phosphorsä­ure am Ende noch mehr Phosphorsä­ure. Die könne dann als Düngemitte­l oder auch als Korrisions­chutzmitte­l in der Autoindust­rie eingesetzt werden. Aus der Asche bleibe eine Art Filterkuch­en zurück, der künftig als Sandersatz verwendet werden soll. Die Forschunge­n seien dafür aber noch nicht abgeschlos­sen. Sprichwört­lich soll so in den nächsten Jahren in ganz Deutschlan­d aus Abfall Geld gemacht werden.

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Foto: Bernd Wüstneck, dpa Ohne Phosphor, der im Dünger enthalten ist, würde es die herkömmlic­he Nahrungsmi­ttelindust­rie wohl nicht geben.

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