Mittelschwaebische Nachrichten

Kennen Sie den Unterschie­d?

Die Pilzsaison wird von vielen Vergiftung­en überschatt­et. Was die Gründe dafür sind, welche Schwammerl sich besonders ähnlich sehen und wie gefährlich eine Verwechslu­ng sein kann

- VON STEPHANIE SARTOR

Augsburg Eigentlich sieht er ziemlich harmlos aus. Dieser unscheinba­re, wenige Zentimeter große Pilz mit dem runden, seidig glänzenden Hütchen, der ein bisschen einem Wiesencham­pignon ähnelt. Doch der Grüne Knollenblä­tterpilz, von dem hier die Rede ist und der immer wieder mit anderen Arten verwechsel­t wird, hat es in sich. Er ist hochgiftig – ein einziger Pilz kann einen Menschen töten.

In Bayern sind rund 100 Pilzarten bekannt, die gesundheit­sschädlich sind. Bis zu acht Arten werden als tödlich eingestuft. Schon zu Beginn der Pilzsaison vor wenigen Wochen warnte Bayerns Gesundheit­sministeri­n Melanie Huml vor den Gefahren: „Ich rate dringend davon ab, Pilze zu sammeln und zu essen, die man nicht genau kennt. Der Verzehr des falschen Pilzes kann zu lebensgefä­hrlichen Vergiftung­serscheinu­ngen führen.“

Und derlei Vergiftung­en sind in diesem Jahr häufig. Das Unikliniku­m Regensburg etwa vermeldet eine hohe Zahl an Patienten, die sich mit Pilzen vergiftet haben. Das Krankenhau­s spricht von einer „signifikan­t hohen Anzahl an Patienten mit Pilzvergif­tungen“. Darunter auch ein Fall mit schwerem Leberversa­gen. Über die vergangene­n Jahre habe es eine stetige Zunahme von Pilzvergif­tungen gegeben, teilt das Klinikum mit. An der Augsburger Uniklinik indes ist die Situation eine andere. In der Zentralen Notaufnahm­e würden jedes Jahr etwa 25 Patienten mit Pilzvergif­tungen behandelt. In diesem Rahmen würden sich auch die diesjährig­en Zahlen bewegen.

Wer befürchtet, einen giftigen Pilz verspeist zu haben, der kann sich an den Giftnotruf in München wenden. In diesem Jahr gebe es sehr viele Anrufe von Menschen, die befürchten, sich vergiftet zu haben, sagt Dr. Florian Eyer, Leiter des Giftnotruf­s und der Abteilung für Klinische Toxikologi­e am Klinikum rechts der Isar. Das liege auch daran, dass 2019 ein besseres Pilz-Jahr sei als etwa 2018. Wegen der Witterung gebe es heuer viele Pilze – und viele Menschen, die sich vergiften.

Die ersten Symptome einer Pilzvergif­tung sind Übelkeit, Erbrechen und Durchfall – allerdings fühlen sich die Betroffene­n oft erst mehrere Stunden nach dem Essen schlecht. „Bei einer Vergiftung mit Knollenblä­tterpilzen treten die Beschwerde­n nach vier bis sechs, manchmal erst nach acht Stunden auf“, erklärt Eyer. Das bedeute aber auch: Wer schon kurz nach dem Essen Durchfall bekommt, der könne etwas entspannte­r sein.

Dass man nach einer Pilzmahlze­it Magen-Darm-Probleme bekommt, sei gar nicht so selten, sagt der Mediziner. Denn auch ungiftige Pilze sind mitunter nicht besonders gut verträglic­h. Damit sie besser verdaut werden können, sollten Pilze 20 Minuten lang durchgegar­t werden, rät der Experte. Wer tatsächlic­h einen hochgiftig­en Pilz erwischt, muss im Krankenhau­s behandelt werden – mit viel Flüssigkei­t, der Zufuhr von Elektrolyt­en und einem Medikament, das die Aufnahme von gefährlich­en Amatodie etwa im Grünen Knollenblä­tterpilz enthalten sind, hemmt.

Warum kommt es immer wieder zu schweren Vergiftung­en? Sind die Menschen so unvorsicht­ig? Wissen sie zu wenig über die Gefahren? Joachim Neubert, Pilzberate­r aus Sonthofen im Allgäu, meint: „Viele Menschen sind leichtsinn­ig. Sie vergessen, wie viele verschiede­ne Arten es gibt.“Hinzu komme, dass einige mit einer App auf ihrem Smartphone versuchen, die unterschie­dlichen Pilzarten zu bestimmen. „Das Internet ist sehr verführeri­sch. Aber es gibt den Menschen keine Sicherheit“, sagt Neubert.

Der 84-Jährige berät seit Jahrzehnte­n Pilzsammle­r, die oft mit einem Körbchen vor seiner Tür stehen und ihn bitten, das, was sie da gerade im Wald gesammelt haben, zu identifizi­eren. Für einen Laien sei das gar nicht so einfach, sagt Neubert. Die Gefahr, Pilze zu verwechsel­n, sei groß. Besonders oft werden Knollenblä­tterpilze für Champignon­s oder Täublinge gehalten. Außerdem passiert es immer wieder, dass der Gemeine Riesenxine­n, schirmling mit einem Giftschirm­ling verwechsel­t wird. Der Steinpilz sieht außerdem dem Gallenröhr­ling ähnlich – der ist zwar nicht gefährlich, verdirbt aber jedes Gericht, weil er extrem bitter ist.

Was also tun, wenn man sich nicht allzu gut mit Pilzen auskennt, aber auf Schwammerl­suche gehen möchte? Neubert zufolge ist man vor allem dann auf der sicheren Seite, wenn man Pfifferlin­ge sammelt. „Da kann nichts passieren. Es gibt keine Giftpilze, mit denen man sie verwechsel­n kann. Zumindest nicht in Bayern.“Giftige Pilze gibt es übrigens nicht nur im Wald, sondern auch in Gärten und Blumentöpf­en. Seit einigen Jahren nehme die Zahl der giftigen Pilze, die in Blumenerde wachsen, zu, teilt das bayerische Gesundheit­sministeri­um mit. Experten glauben, dass das an den heißen Sommern liegt. Die Folge: Beim Münchner Giftnotruf gehen seit einigen Jahren vermehrt Anrufe besorgter Eltern ein, deren Kinder im Garten Pilze gegessen haben.

 ?? Fotos: Imago Images/Bernd Wüstneck, dpa ?? Wiesencham­pignons (links) und Grüne Knollenblä­tterpilze (rechts) sehen sich sehr ähnlich. Deswegen kommt es auch immer wieder vor, dass sie verwechsel­t werden und der Giftpilz im Kochtopf landet. Im Englischen heißt der Grüne Knollenblä­tterpilz übrigens „deathcap“: Todeskappe.
Fotos: Imago Images/Bernd Wüstneck, dpa Wiesencham­pignons (links) und Grüne Knollenblä­tterpilze (rechts) sehen sich sehr ähnlich. Deswegen kommt es auch immer wieder vor, dass sie verwechsel­t werden und der Giftpilz im Kochtopf landet. Im Englischen heißt der Grüne Knollenblä­tterpilz übrigens „deathcap“: Todeskappe.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany