Mittelschwaebische Nachrichten
Er ist ein Regenbogenradler
Porträt Michael Rossdal hatte als Kind Krebs. Heute besucht der 31-Jährige aus Niederraunau als Regenbogenfahrer immer wieder Kinder auf Krebsstationen, um dort Hoffnung zu schenken
Krumbach Michael Rossdal war wieder unterwegs mit seinem Fahrrad. Der 31-jährige Niederrauner macht sich seit sieben Jahren jeden Sommer auf, um an der Regenbogenfahrt teilzunehmen. Diese einwöchige Radtour setzt sich aus einem exklusiven Teilnehmerfeld zusammen. Wer mitradeln will, muss ein schweres Schicksal erlitten haben: eine Krebserkrankung, die nun aber ausgeheilt ist. Veranstaltet wird die Aktion seit 1993 von der Kinderkrebsstiftung. Mit ihr kommen Menschen mit ähnlichen Schicksalen zusammen, die sich im normalen Leben niemals treffen würden. Ihnen alles ist gemein, dass sie nicht nur ihre Krankheit überwunden haben, sondern auch mit den dauerhaften Folgen zurechtkommen und ein lebenswertes, leistungsfähiges Leben führen können.
Michael Rossdal gesteht, dass er selbst sich lange nicht mit seiner Krankheit auseinandersetzen wollte. Im Alter von einem Jahr wurde ein Gehirntumor bei ihm festgestellt und behandelt, ein Jahr später war der Krebs wieder da, Michael musste operiert werden. Dies ging nicht ohne bleibende Einschränkungen. Erst in der Schicksalsgemeinschaft der Radler sei ihm bewusst geworden, dass er kein Einzelfall ist. Auch andere Krebskinder müssen noch als Erwachsene mit den Folgen der Erkrankung leben. „In der Gruppe“, erklärt Michaels Vater Peter Rossdal, „ist kaum einer ohne echte Einschränkung. Michael kann nur auf einem Auge sehen, anderen fehlen Gliedmaßen oder Organe.“
Mit der Entscheidung, sich den Regenbogenfahrern anzuschließen, hat sich das Leben für Michael deutlich zum Positiven verändert. „Wir zeigen, dass wir leistungsfähig sind. Die Tour ist ziemlich anstrengend. fahren wir eine Woche ohne Ruhetag bis zu hundert Kilometer täglich.“Das erfordert Disziplin, Kraft und Motivation. Eine wichtige Antriebsfeder für die Regenbogenfahrer ist ihre Mission. Denn sie radeln nicht um des Radelns willen.
Die Tour durch einen Teil Deutschlands führt immer auch zu den Kinderkrebsstationen in der jeweiligen Region. Dort machen die Tourteilnehmer halt und besuchen die Kinder. „Wir wollen ihnen einen Lichtblick in ihrer bedrohlichen Situation sein. Sie ein bisschen aus ihrem beängstigenden Alltag entführen. Und natürlich wollen wir ihnen mit unserem Beispiel zeigen, dass es sich lohnt zu kämpfen, dass das Leben nach dem Krebs, gleich welche Narben er hinterlässt, ein lebensImmerhin wertes und erfüllten Leben sein kann.“
Das bedeutet für viele der Tourteilnehmer einen ewigen Kampf. Auch wenn Michael es nicht offen anspricht, sein Vater nimmt sich da kein Blatt vor den Mund: „Es ist traurig, wie wenig unsere Gesellschaft bereit ist, Menschen mit Einschränkungen am alltäglichen Leben teilhaben zu lassen. Michael hat seine Ausbildung mit guten Noten abgeschlossen, dennoch war er lange Zeit arbeitslos. Menschen mit Behinderungen bekommen oft nur über persönliche Beziehungen eine Arbeitsstelle.“Um diese vom Schicksal schwer Gebeutelten wirklich in die Gesellschaft zu integrieren, bedarf es Empathie und Verständnis, durch Arbeitgeber und Kollegen. Dabei zeigen Persönlichkeiten wie Michael Rossdal, zu welchen Leistungen sie fähig sind, wenn sie nur die Chance dazu bekommen. Deshalb hofft Peter Rossdal auch, dass das Beispiel seines Sohnes dazu beiträgt, potenzielle Arbeitgeber Schwerbehinderten mehr zuzutrauen, auf ihre Leitungsfähigkeit und ihren Leistungswillen zu setzen.
Mit 25 Jahren hat es bei Michael endlich geklappt, er fand eine Anstellung in seinem erlernten Beruf, wurde kaufmännischer Angestellter. Genau zu dieser Zeit hat er auch begonnen, an den Regenbogentouren teilzunehmen. „Sie festigen mein Selbstbewusstsein und stärken das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten.“Besonders gut gefällt Michael, dass man als Tourteilnehmer nicht nur radelt und Kinderkrebsstationen besucht, sondern sich in die Gestaltung der Fahrt aktiv einmischt. An jedem Tourtag wird eine Person zum Reporter erkoren, der alle Ereignisse des Tages kommentiert und dabei gefilmt wird, so entsteht ein Videotagebuch, das auch auf der Website der Kinderkrebsstiftung abgerufen werden kann. Auch Michael war einen Tag lang der Fernsehmann. Und zusätzlich war es seine Aufgabe, die gefahrenen Kilometer der kompletten Strecke akribisch festzuhalten.
Inzwischen ist die Tour 2019 Geschichte. Doch schon beginnt die Planung für das kommende Jahr. Auch hier sind die Aktiven selbst gefordert. „Die Strecke muss so geplant werden, dass möglichst viele Kinderkrebsstationen besucht werden können. Das schränkt die Tourenplanung ein. Wir haben Deutschland schon einmal durch, so alle sieben Jahre sind dann wieder die gleichen Kliniken auf der Besuchsliste.“Unterwegs werden die Regenbogenfahrer von den örtlichen Elternvereinen versorgt. Sie kümmern sich in der Regel um die Übernachtung und laden die Radler zum Essen ein. „Oft“, erzählt Michael Rossdal, „überraschen uns die Vereine mit einem eigens organisierten Programm. Im Gedächtnis ist mir unter anderem das Essen auf einer Bootsfahrt geblieben, aber auch Besuche im Musical oder Theater.“
Wichtig ist Michael auch, dass sich aus den Radlerkontakten echte Freundschaften ergeben haben. „Wir sind auch unter dem Jahr in Kontakt. Ich besuche die Informationsund Fortbildungsangebote der Deutschen Kinderkrebshilfe, die unser Leben als Erwachsene begleiten und uns medizinische, psychologische und gesellschaftliche Unterstützung bieten. Dabei kommen immer auch Radler zusammen. Und jetzt bin ich in die Tourplanung 2020 involviert, die federführend von Franz Edel und Georg Teucher, beide aus Schwaben, organisiert wird.“
So hat die Regenbogentour einen wichtigen Anstoß dazu gegeben, Michael aus seiner Isolation herauszuholen und offensiv mit seiner Behinderung umzugehen. Als leistungsund begeisterungsfähiger junger Mann, der sich auch durch Stürze und Muskelschmerzen nicht demotivieren und von seinem Ziel abbringen lässt, sondern die Kraft aufbringt, schwerkranken Kindern Zuversicht zu vermitteln, beweist er sich und anderen, wie wertvoll sein Leben ist.