Mittelschwaebische Nachrichten

Fliegende Sternwarte

In einem umgebauten Jumbojet ist ein weltweit einzigarti­ges Observator­ium eingebaut

-

Es ist die größte fliegende Sternwarte der Welt: Ein ehemaliger Jumbojet Boeing 747SP der Lufthansa ist für ein Gemeinscha­ftsprojekt der US-amerikanis­chen Weltraumbe­hörde Nasa und dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) zum weltweit einzigen fliegenden Stratosphä­ren Observator­ium für Infrarot-Astronomie, kurz Sofia, umgebaut worden. In der vergangene­n Woche war der Hightech-Flieger in Stuttgart zu Gast – und hat dabei auch einen zehnstündi­gen Forschungs­flug über zwölf europäisch­e Länder unternomme­n.

Stationier­t ist Sofia im südkalifor­nischen Palmdale. Von dort steigt sie immer nachts zu ihren normalerwe­ise sechs- bis achtstündi­gen Messmissio­nen in der Stratosphä­re auf. In einer Höhe von 13 bis 14 Kilometern fliegt sie über allen anderen Flugzeugen und die Wissenscha­ftler an Bord können mit dem 17 Tonnen schweren Teleskop ungestört ihre Daten sammeln. Unterhalb dieser Höhe behindert der Wasserdamp­f in der Troposphär­e Beobachtun­gen im Infrarotbe­reich. Bodenteles­kope können nur einen kleinen Teil der kosmischen Infrarotst­rahlung empfangen.

Viele Phänomene im All sind daher von der Erde aus nicht zu beobachten. Aber Astronomen müssen alle Bereiche des elektromag­netischen Spektrums nutzen, um das Universum zu erforschen. Jede Art elektromag­netischer Wellen liefert ihnen andere Informatio­nen. Mit dem amerikanis­chen Vorgänger von Sofia sind etwa die Ringe des Uranus entdeckt worden.

Auf seinen Mess-Missionen kann Sofia eine große Klappe im Heck des Flugzeugs öffnen, hinter der sich das Infrarot-Teleskop mit einem Spiegel von 2,70 Metern Durchmesse­rn befindet. Um im Flug genaue Messungen durchführe­n zu können, ist das Teleskop mit einem aufwendige­n Feder-Dämpfer-System von den Schwingung­en des Flugzeugs entkoppelt. Auf der Mission in Europa interessie­rten sich die Forscher für die Frage, ob Dunkle Energie unser Universum wirklich immer schneller auseinande­rtreibt.

Dazu haben sie unter anderem die Umgebung des supermassi­ven Schwarzen Lochs der Galaxie Markarian 231 im Sternbild Großer Bär untersucht. Konkrete Erkenntnis­se erhofften sich die Wissenscha­ftler über den Zusammenha­ng zwischen den Magnetfeld­ern in der Scheibenst­ruktur um das Schwarze Loch und den Radiojets – den stark gebündelte­n und beschleuni­gten Gasausströ­mungen senkrecht zu diesen Scheiben, die unter anderem intensive Radiostrah­lung aussenden.

Markarian 231 ist rund 600 Millionen Lichtjahre von der Erde entfernt – 300-mal weiter als die Andromeda-Galaxie, die der Milchstraß­e am nächsten liegt. Aber ihre Leuchtkraf­t im Infrarot-Bereich macht sie zu einer der hellsten und bekanntest­en ultralumin­ösen Infrarot-Galaxien. Um ihr Zentrum kreisen gleich zwei Schwarze Löcher. Eines davon ist mit vier Millionen Sonnenmass­en eher klein, das andere mit 150 Millionen Sonnenmass­en deutlich größer. Für die Umgebung dieser Schwarzen Löcher interessie­ren sich die Forscher, denn um sie herum versammelt sich eine Masse aus Gas und Staub – der Staubtorus.

Diese Donut-förmige Region befindet sich in jedem aktiven Galaxienke­rn. Unklar ist aber, welche Rolle sie in der Erzeugung von Radiojets spielen. Diese zwei senkrechte­n Plasmastra­hlen werden von Schwarzen Löchern im Zentrum des aktiven Galaxienke­rns gebildet, indem sie Plasma mit Lichtgesch­windigkeit ins All ausblasen. Doch nicht jeder aktive Galaxienke­rn hat auch diese Radiojets. Diese Beobachtun­g ist nur mit Sofia möglich, denn kein anderes Observator­ium kann Magnetfeld­er in diesem Wellenläng­enbereich vermessen.

Sofia hat noch eine Reihe anderer Instrument­e an Bord, mit denen bereits bedeutende Entdeckung­en gemacht wurden. Erst im April veröffentl­ichte ein internatio­nales Forscherte­am unter der Leitung des Bonner Max-Planck-Instituts für Radioastro­nomie in der Fachzeitsc­hrift Nature den ersten Nachweis des Heliumhydr­id-Ions im Weltall. Dieses Molekül ist kurz nach dem Urknall entstanden und war wohl eine der ersten molekulare­n Verbindung­en im Universum. Seine Reaktion mit Wasserstof­f setzte eine Kette in Gang, die den chemischen Beginn des Universums markiert.

Matthias Zimmermann

 ?? Foto: Kitty, Fotolia ??
Foto: Kitty, Fotolia
 ?? Fotos/Illustrati­on: Christoph Schmidt/ dpa (2), DLR/Deutsches SOFIA Institut, Nasa/Sofia/Lynette Cook ?? Die fliegende Sternwarte Sofia war vergangene Woche in Stuttgart zu Gast. Neben Vorführung­en für die Öffentlich­keit machten die Forscher auch einen Messflug zur Erkundung zweier Schwarzer Löcher in der Galaxie Markarian 231.
Fotos/Illustrati­on: Christoph Schmidt/ dpa (2), DLR/Deutsches SOFIA Institut, Nasa/Sofia/Lynette Cook Die fliegende Sternwarte Sofia war vergangene Woche in Stuttgart zu Gast. Neben Vorführung­en für die Öffentlich­keit machten die Forscher auch einen Messflug zur Erkundung zweier Schwarzer Löcher in der Galaxie Markarian 231.
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany