Mittelschwaebische Nachrichten

Endlich daheim

Besuch Ottfried Fischer wurde bekannt als „Sir Quickly“und beliebt als Spötter mit großem Herzen. Dann erkrankte er an Parkinson. Es bedeutete das Ende seiner Kabarett- und TV-Karriere. Warum er vor etwas mehr als zwei Jahren zurück in seine Heimat zog. U

- VON JOSEF KARG

Passau Das noch ziemlich neu renovierte, mächtige alte Haus schmiegt sich an den Domberg in Passau. Als könnte der es schützen vor den Überschwem­mungen des Inns, der in der Nähe in die Donau fließt. Hier, im Haus seiner Großeltern, in dem seit dem 13. Jahrhunder­t Geistliche wohnten, lebt jetzt Ottfried Fischer. Der an Parkinson erkrankte Schauspiel­er und Kabarettis­t, den seine Fans liebevoll Otti rufen, hat sich mit seiner Lebensgefä­hrtin Simone Brandlmeie­r an diesen Ort, in dieses Haus zurückgezo­gen.

Die Tür öffnet sich nach dem Klingeln automatisc­h. Wie von Geisterhan­d gezogen. Dann steht Fischers Freundin im Türbogen und bittet herein. Eine helle Wohnung, hier ein Kunstwerk, dort ein hübsches Deko-Element. Alles ist eben, gut zugänglich. Am Esszimmert­isch, der sich auch zum Arbeiten eignet, sitzt Ottfried Fischer im Mittagslic­ht. In einem von Fenstern umgebenen Hausvorspr­ung. Durch die Scheiben ist der Inn zu sehen.

Vor über zwei Jahren schon verließ Fischer München, um wieder in seine Heimat zu gehen; in Ornatsöd im Kreis Passau wuchs er ja auf. Das Millionend­orf München war ihm unheimlich geworden. Es hatte 2009 Schlagzeil­en aus dem Rotlicht-Milieu gegeben und danach einen mehrjährig­en Prozess gegen einen Reporter der Bild-Zeitung. Seine geliebten Kneipen schlossen auch; die Häuser wurden luxussanie­rt. Dann folgte der gesundheit­liche Zusammenbr­uch mit einer lebensbedr­ohlichen Sepsis.

„So ois is zsammgfoin, auf oan Haufa“, sagt Fischer auf Bairisch, weil es sich wohl nur so richtig ausdrücken lässt. „Die Stadt“, er meint München, „bot mir nichts mehr, was mich gehalten hätte.“Also kehrte er der Stadt den Rücken. „Ich vermisse sie auch nicht.“

Seine Lebensgefä­hrtin, die ihn durch diese schwere Zeit brachte, hat ihm ein Glas Wasser auf den Tisch gestellt. Auch eine Schachtel Marlboro Lights liegt da, eine Zigarette und ein kleiner Aschenbech­er. Fischer reicht die Hand zum Gruß. Sie zittert nicht. Er sitzt im Rollstuhl. Vieles an ihm wirkt starr. Der Kopf, der üppige Körper. Seine Augen aber sind flink geblieben. Eigentlich kann man nur an ihnen ablesen, wie es Ottfried Fischer gerade geht. Seine Mimik ist, wie bei Parkinson-Kranken üblich, sehr reduziert. 2008 machte er seine Erkrankung öffentlich.

Fischer hat ein Buch geschriebe­n, das am Freitag erscheint. Eins über seine Rückkehr nach Passau. „Heimat ist da, wo dir die Todesanzei­gen etwas sagen“, heißt es.

Die Idee zu dem Buch sei ihm in der Reha gekommen, erzählt er. An seinem 65. Geburtstag vor einem Jahr hat er es angekündig­t. Fischer gibt einem das Gefühl, dass er nicht über seinen Gesundheit­szustand reden will. „Es geht wieder ganz gut“, nuschelt er nur einsilbig. Über das Buch redet er dagegen gerne. „Heimat ist da, wo dir die Todesanzei­gen etwas sagen“: Ob er die Sterbenach­richten schon studiert habe heute? „Nein, ich habe noch keine Zeitung gelesen“, antwortet er. Man muss genau hinhören, wenn er spricht. Nach wie vor schießt er seine Sätze regelrecht heraus. Wie in seiner Kabarettse­ndung „Ottis Schlachtho­f“, die Ende 2012 eingestell­t wurde, hat er das schludrige Dahinhaspe­ln als sprachlich­es Stilmittel perfektion­iert.

Warum viele Menschen diesen doch eher traurigen Teil der Zeitung so aufmerksam lesen, lautet eine der nächsten Fragen. Und plötzlich, wie in seinen besten Zeiten, sprudelt es aus ihm heraus: „Weil sie das schöne Gefühl erleben wollen, dass sie nicht dabei sind.“Da ist er, der Otti, wie ihn seine Fans kennen und lieben – der schlagfert­ige Spötter mit dem großen Herzen. In diesem Moment scheint er seinem Gesicht ein Lächeln abzuringen.

Der schlagfert­ige Spötter Otti, das ist die eine Rolle seines Lebens. Und dann gibt es da noch „Irgendwie und Sowieso“, die legendäre Bogner-Serie, in der Fischer einen jungen Bauernbub in seinen Sturmund-Drang-Jahren spielt, den „Sir Quickly“. Der bricht vom heimischen Bauernhof aus und erlebt im Münchner Umland der 1968er-Zeit mit seinen Freunden eine Menge Abenteuer und die erste große Liebe. Am Ende kehrt er dorthin zurück, wo er herkam, weil er weiß, dass er genau dorthin gehört. Der Sir auf seinem Zündapp-Moped hat das allerdings deutlich schneller erkannt als Ottfried Fischer.

Bei ihm habe es bis zur Zielgerade­n des Lebens gedauert, sagt Fischer. Die Auseinande­rsetzung mit dem Tod hat ihn vermutlich zurückgezo­gen, so wie ein Lachs am Ende zu seinem Laichplatz zurückkehr­t. Jetzt sei für ihn die Zeit, über seine Wurzeln zu reflektier­en, sagt er. In seinem Buch hat er gleich im ersten Kapitel zum Thema Heimat geschriebe­n: „Was meine Herkunft anbelangt, gestehe ich: Unser Humus ist auch manches Mal hart wie Stein. Stein, Quarz, Feldspat, Gneis und Glimmer. So setzte sich, da gibt’s nichts zu leugnen, unser Bodenschat­z zusammen: Granit! Das beeinfluss­t natürlich auch unsere Schädel.“Wenn er so, in seinem Körper gefangen, dasitzt, wirkt Ottfried Fischer wie ein großer Findling aus dem nahe gelegenen Bayerwald.

„Ich bin zwar noch ziemlich immobil“, sagt er nun. Aber mit Krücken sei er schon wieder ganz gut unterwegs. Fischer jammert nicht. drängt ihn nach draußen. „Man kann am Inn entlanggeh­en bis zur Ortsspitze und dann an der Donau wieder zurück.“Damit er fitter werde, jage ihn sein Physiother­apeut, wie er es formuliert, regelmäßig die 74 Treppenstu­fen zu seinem Haus am Domberg hoch.

Langweilig ist ihm nicht. Auch wegen der Buchveröff­entlichung. Aus ganz Deutschlan­d kommen deswegen Journalist­en nach Passau. Doch er hat aus früheren Zeiten, in denen er von der Arbeit getrieben war, gelernt: „Ich bin ja jetzt quasi Rentner, ich kann es mir selbst richten, wie viele Termine ich haben will.“

Sagt’s und kommt noch einmal auf München zu sprechen: „Die Stadt war damals nicht mehr gut für mich.“Er geht nicht groß darauf ein, dass ihn die Boulevardp­resse damals gejagt hat, weil er Dienste von Prostituie­rten in Anspruch genommen hatte. Die zweigten von seiner Kreditkart­e über 30 000 Euro ab. Ottfried Fischer erklärt sich dies, das sagt er dann doch, auch mit dem Abschied von der Bühne und vom Fernsehen: „Das war vielleicht der Grund, warum ich in Seelennot geraten bin.“Wegen dieses Abschieds habe er wohl ein zu lockeres Leben geführt.

Jetzt Passau. Er wohnt wieder in der Nähe der Familie. Sein Bruder führt den Einödhof in Ornatsöd, wo er geboren wurde und von dessen Bergwiese er bis weit ins oberösterE­s reichische Mühlvierte­l schauen konnte. Für einen, der sich mit dem Gehen schwertut, ist die Stadt im Herzen Niederbaye­rns allerdings kein passender Ort. „Mit Barrieren ist Passau reichlich gesegnet: Kopfsteinp­flasterwüs­ten und drei Flüsse, damit haben nicht viele Städte aufzuwarte­n.“

Die Lebensgeme­inschaft FischerBra­ndlmeier hat sich inzwischen trotzdem eingelebt. „Ich habe einige Schulfreun­de wieder getroffen“, erzählt Ottfried Fischer. Mit denen sei er häufig unterwegs. Selbst die übrig gebliebene­n Freunde aus der Landeshaup­tstadt setzen sich des Öfteren in den Zug, um ihn zu besuchen.

München, das ist in „Irgendwie und Sowieso“Manhattan. Was fällt ihm ein, wenn er an die Serie denkt? „Dankbarkei­t“, sagt Fischer. Vor allem das. Vor allem gegenüber seinem frühen Förderer Franz Xaver Bogner, und dass der ihm einen so grandiosen Start in die Karriere ermöglicht habe. Kein schlechtes Wort kommt ihm über den Regisseur über die Lippen.

Die Wahrschein­lichkeit, dass Ottfried Fischer in diesem Leben beruflich noch mal große Programme, Serien oder Filme bestreitet, schätzt er als gering ein. „Die Zeit ist vorbei. Ich bin dazu nicht mehr in der Lage.“So realistisc­h sieht er es. Er weigert sich aber auch, den ganzen Tag darüber nachzudenk­en: „Ich habe mir jegliches Grübeln strikt untersagt.“Gleichwohl hat er sich ein Ziel gesetzt: Wenigstens vielleicht bei einem der früheren Kollegen für eine Nummer auftauchen – oder aus seinem Buch lesen. Zweimal die Woche geht er ins Fitnessstu­dio, um an seinem Körper zu arbeiten.

Fischer zündet sich die seit Beginn des Gesprächs vor ihm liegende Zigarette an. Die Unterhaltu­ng, so scheint es, strengt ihn allmählich an. Arbeiten, um seinen Lebensunte­rhalt zu sichern, muss der Schauspiel­er nicht mehr. Finanziell hat er ausgesorgt. „Das Beste an meinem Leben ist, dass ich in der ersten Hälfte genügend Geld zur Seite schaffen konnte.“Allein die Mieteinnah­men aus den 13 Parteien seines Hauses in Passau dürften für ein finanziell sorgenfrei­es Leben ausreichen.

In dem spielt Politik unveränder­t eine wesentlich­e Rolle. „Man muss sich zeitlebens politisch einführen und Stellung beziehen“, betont Fischer denn auch. Gerade, wenn man es so gewohnt sei wie er. Als die Rede auf Bayerns Ministerpr­äsidenten Markus Söder kommt, setzt Fischer wieder eine Pointe: „Wer ist des? Ist des a Grüner?“, fragt er scheinheil­ig. Söder müsse wohl ein Saulus-Paulus-Erlebnis gehabt haben, so wie er sich heute gebe.

Von den Grünen fordert Fischer, sie müssten „jetzt mal eine regierungs­fähige Politik machen“. Der Zustand der SPD, die er alleine aufgrund ihrer Vergangenh­eit für mehr als eine Partei hält, sei „ein Jammer“. Zur rechtspopu­listischen AfD sagt er nur: „Die politische­n Allheilmit­telverkäuf­er haben am Ende immer den Krieg gebracht.“Der AfD traut er das dennoch nicht zu: „Die werden sich am Ende selbst zerlegen.“

Schließlic­h der Klimawande­l, das Thema dieser Tage. Am Inn wollen sie Mauern bauen, sodass der Fluss kaum mehr zu sehen ist. Dabei könne man schlimme Hochwasser auch damit nicht aufhalten, meint Fischer. „Jeder weiß, welche Folgen steigende Temperatur­en haben.“Er finde es gut, dass Kinder und Jugendlich­e sich zu Wort melden, weil sie die politische Führung zu tiefgründi­gen Veränderun­gen nicht in der Lage hielten. „Ich wäre wahrschein­lich früher auch auf die Demos gegangen. Aber das ist mehr eine Gewissensb­eruhigung.“

Das Treffen neigt sich dem Ende zu. Fürs Foto achtet Simone Brandlmeie­r darauf, dass Ottfried Fischer aufrecht im Rollstuhl sitzt. Vorm Abschied muss jedoch eines unbedingt geklärt werden. Ist er, der direkt unterhalb des Doms wohnt, gläubig?

„Ich habe etwas in mir, das könnte Glauben sein“, sinniert Fischer. In seinem Buch schreibt er, es gebe

Er sagt, er sei auf der Zielgerade­n des Lebens

In seinem neuen Buch befasst er sich mit „Heimat“

weder bei Sokrates noch bei Jesus „Erkenntnis­se der gesicherte­n Art“. So recht will er sich nicht festlegen. Dabei war er in seinem Berufslebe­n als „Pfarrer Braun“überaus erfolgreic­h im Namen der katholisch­en Kirche unterwegs, wenn auch nur im Fernsehen. Als typischer Niederbaye­r will er die Türe zum Himmel offenbar aber nicht endgültig zuschlagen. Seine Großmütter seien gläubig im besten Sinn gewesen, erzählt er. „Die dachten, die Verstorben­en gehen einfach nur in einen anderen Raum und warten dort, bis man sich später wieder trifft.“Er beneide sie ob dieser naiven Vorstellun­g, die vieles im Leben und Sterben einfacher mache.

In seinem Buch heißt es allerdings: „Nachdem der Mensch Gott schon nachweisli­ch seine Schöpfung versaut hat, bin ich gar nicht mehr sicher, ob das ewige Leben überhaupt ein Fortschrit­t ist.“Trotzdem habe er nach der Rückkehr vom gottlosen München ins fromme Passau wie seine Omas eine Kerze für die armen Seelen anzünden wollen, sagt Fischer. „Vielleicht bin ich ja selbst eine.“

Allzu viel übers Sterben mag er nun nicht mehr nachdenken. Ottfried Fischer will sich um sein Leben auf der Zielgerade­n kümmern. Und es klingt ein wenig wie eine Kampfansag­e an die eigene Vergänglic­hkeit, wenn er meint: „Ich habe noch nicht vor, dass ich mich abschließe­nd langweile.“Da ist er wieder, der wundervoll­e Spötter.

 ?? Foto: Monika Mendat ?? Ottfried Fischer am Esszimmert­isch seiner Wohnung in Passau. Vieles an ihm wirkt starr. Der Kopf, der üppige Körper. Seine Augen aber sind flink geblieben. Eigentlich kann man nur an ihnen ablesen, wie es ihm gerade geht. Seine Parkinson-Erkrankung machte der Kabarettis­t und Schauspiel­er im Jahr 2008 öffentlich.
Foto: Monika Mendat Ottfried Fischer am Esszimmert­isch seiner Wohnung in Passau. Vieles an ihm wirkt starr. Der Kopf, der üppige Körper. Seine Augen aber sind flink geblieben. Eigentlich kann man nur an ihnen ablesen, wie es ihm gerade geht. Seine Parkinson-Erkrankung machte der Kabarettis­t und Schauspiel­er im Jahr 2008 öffentlich.

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