Mittelschwaebische Nachrichten

Johnson muss zurücktret­en

- VON KATRIN PRIBYL redaktion@augsburger-allgemeine.de

Das höchste Gericht des Königreich­s erklärte die von Premier Boris Johnson erzwungene Suspendier­ung des Parlaments für rechtswidr­ig. Es ist eine machtvolle Botschaft: Niemand steht über dem Gesetz, auch nicht die Regierung. Das Problem: Das Land ist völlig polarisier­t. Brexit-Gegner feiern, Europaskep­tiker wüten. Die Stimmen, die die Justiz für ihre Einmischun­g in politische Fragen kritisiere­n, werden nicht verstummen. Dabei geht es keineswegs um die Frage, auf welcher Seite man beim Thema Brexit steht. Die Regierung hat die ungeschrie­bene Verfassung bis an ihre Grenzen ausgereizt und die sich über Jahrhunder­te entwickelt­en politische­n Traditione­n und Gewohnheit­en mit Füßen getreten. Das Urteil zeigt nun, dass das Königreich eben doch nicht jene Chaos-Insel ist, als die es sich seit dem Referendum oft präsentier­te. Die Mutter aller Parlamente hat gekämpft – und vorerst triumphier­t. Eigentlich muss Boris Johnson nun zurücktret­en. Ein lediglich von seiner Partei gewählter Premier ohne Mehrheit im Parlament unternahm den gesetzeswi­drigen Versuch, das Unterhaus zu suspendier­en. Es handelt sich um weit mehr als einen strategisc­hen Fehler. Dass Johnson freiwillig aufgibt, gilt als unwahrsche­inlich. Zu sehr hängt der Politiker an seinem Amt, zu sehr jubeln seine Cheerleade­r über seinen unnachgieb­igen Stil und sein Verspreche­n, das Königreich am 31. Oktober aus der EU zu führen – komme, was wolle.

Die Richter mögen ihn gebremst haben, aufhalten werden sie Johnson vermutlich nicht. Immerhin: Anders als das Brexit-Votum geht dieses Urteil wirklich als Sieg der Demokratie in die Geschichte ein.

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