Mittelschwaebische Nachrichten
Johnson muss zurücktreten
Das höchste Gericht des Königreichs erklärte die von Premier Boris Johnson erzwungene Suspendierung des Parlaments für rechtswidrig. Es ist eine machtvolle Botschaft: Niemand steht über dem Gesetz, auch nicht die Regierung. Das Problem: Das Land ist völlig polarisiert. Brexit-Gegner feiern, Europaskeptiker wüten. Die Stimmen, die die Justiz für ihre Einmischung in politische Fragen kritisieren, werden nicht verstummen. Dabei geht es keineswegs um die Frage, auf welcher Seite man beim Thema Brexit steht. Die Regierung hat die ungeschriebene Verfassung bis an ihre Grenzen ausgereizt und die sich über Jahrhunderte entwickelten politischen Traditionen und Gewohnheiten mit Füßen getreten. Das Urteil zeigt nun, dass das Königreich eben doch nicht jene Chaos-Insel ist, als die es sich seit dem Referendum oft präsentierte. Die Mutter aller Parlamente hat gekämpft – und vorerst triumphiert. Eigentlich muss Boris Johnson nun zurücktreten. Ein lediglich von seiner Partei gewählter Premier ohne Mehrheit im Parlament unternahm den gesetzeswidrigen Versuch, das Unterhaus zu suspendieren. Es handelt sich um weit mehr als einen strategischen Fehler. Dass Johnson freiwillig aufgibt, gilt als unwahrscheinlich. Zu sehr hängt der Politiker an seinem Amt, zu sehr jubeln seine Cheerleader über seinen unnachgiebigen Stil und sein Versprechen, das Königreich am 31. Oktober aus der EU zu führen – komme, was wolle.
Die Richter mögen ihn gebremst haben, aufhalten werden sie Johnson vermutlich nicht. Immerhin: Anders als das Brexit-Votum geht dieses Urteil wirklich als Sieg der Demokratie in die Geschichte ein.