Mittelschwaebische Nachrichten

Abschied vom alten Lappen

Verkehr In den kommenden Jahren müssen über 43 Millionen deutsche Führersche­ine umgetausch­t werden. Kostenlos ist der Wechsel zur neuen Fahrerlaub­nis allerdings nicht

- Claudius Lüder, dpa

Berlin Wer heute noch mit einem grauen oder rosafarben­en Papierführ­erschein unterwegs ist, muss sich auf kurz oder lang von ihm trennen. Der Umtausch zum Scheckkart­enformat ist Pflicht – für die einen früher, für die anderen später. Hintergrun­d ist eine EURichtlin­ie, die Deutschlan­d nun umsetzt. Bis spätestens 19. Januar 2033 sind alle Führersche­ine umzutausch­en, die vor Mitte Januar 2013 ausgestell­t wurden.

Abhängig vom Geburtsjah­r des Besitzers oder Ausstellun­gsjahr des Dokuments müssen viele Lappen schon eher eingetausc­ht werden. Das betrifft unzählige Autofahrer: Es gehe um rund 15 Millionen Papierführ­erscheine aus der Zeit bis 1998 und weitere 28 Millionen Plastikkar­ten, die zwischen Januar 1999 und 2013 ausgestell­t wurden, schätzt Gerrit Reichel vom Automobil-Club Verkehr (ACV). Als Grund für den Umtausch nennt das Bundesverk­ehrsminist­erium die Vereinheit­lichung innerhalb der Europäisch­en Union, wo derzeit noch mehr als 110 unterschie­dliche Führersche­informate im Umlauf seien. Ein länderüber­greifendes Format erleichter­e die Kontrollen. Der neue EU-Führersche­in sei auch besonders fälschungs­sicher.

Mit dem Umtausch werden die alten Fahrklasse­n endgültig zu Grabe getragen. „Statt der alten Fahrerlaub­nisklasse 3 hat der Führersche­ininhaber zukünftig die PkwKlassen B, BE, C1, C1E, M und L auf seiner Karte stehen“, erläutert Jürgen Kopp von der Bundesvere­inigung der Fahrlehrer­verbände. „Hat er die Prüfung vor dem 1. April 1980 gemacht, kommen auch noch die Zweiradkla­ssen A1 und AM dazu.“Niemand muss laut Kopp aber befürchten, durch den Umtausch seine Fahrerlaub­nis zu verlieren. Dies sei rechtlich gar nicht möglich. „In Deutschlan­d gibt es ein Besitzstan­dsrecht“, erklärt er. „Eine einmal erlangte Fahrberech­tigung bleibt, es wird lediglich das Dokument dafür getauscht.“

Allerdings werden Fahrberech­tigungen, die per Antrag erteilt werden, nicht automatisc­h auf den neuen EU-Führersche­in übertragen. Besitzer eines alten 3er-Führersche­ins zum Beispiel konnten über den Zusatz CE 79 Lastzüge mit einer zulässigen Gesamtmass­e von bis zu 18,5 Tonnen fahren. „Diese Fahrberech­tigung gibt es beim Umtausch nur auf gesonderte­n Antrag. Ab dem 50. Lebensjahr ist hierzu außerdem eine Gesundheit­suntersuch­ung notwendig“, erklärt Kopp.

Einen Nachweis über alle erlangten Fahrberech­tigungen erhält man im Zweifel immer über eine Karteikart­enabschrif­t der Behörde, die den Führersche­in ursprüngli­ch ausgestell­t hat. Wer die Fahrprüfun­g ab dem 1. April 1986 in einem Automatikw­agen abgelegt hat, darf auch weiterhin keinen Schaltwage­n fahren. Dies wird im neuen Führersche­in durch die Schlüsselz­ahl (SZ) 78 vermerkt. Wer hingegen zwischen dem 1. Januar 1983 und 31. März 1986 die Prüfung im Automatikw­agen gemacht hat und noch eine entspreche­nde Eintragung in seinem grauen Führersche­in vorfindet, kann beruhigt sein. „Diese Eintragung wird es im neuen Kartenführ­erschein nicht mehr geben“, sagt Jürgen Kopp.

Grundsätzl­ich geben diese klein aufgedruck­ten Zahlen in dem neuen Führersche­in über Einschränk­ungen oder Erweiterun­gen Auskunft. SZ 01 beispielsw­eise bedeutet, dass eine Brille beim Fahren erforderli­ch ist, und SZ 172 berechtigt den Führersche­ininhaber zum Fahren von Bussen – allerdings ohne Fahrgäste.

Wie erfolgt der Umtausch? Dafür notwendig sind ein biometrisc­hes Passfoto, der aktuelle Führersche­in sowie der Personalau­sweis oder der Reisepass. „Damit es bei den Führersche­inbehörden nicht zu einem Bearbeitun­gsstau kommt, erfolgt der Umtausch bei den älteren Dokumenten gestaffelt nach dem Geburtsjah­r“, sagt Reichel. Bei allen Führersche­inen, die ab dem 1. Januar 1999 ausgestell­t wurden, entscheide­t dagegen das Ausstellun­gsjahr über die Umtauschfr­ist.

Zu beachten ist: Der neue EUFührersc­hein ist im Gegensatz zu den bisherigen Fahrberech­tigungen nicht mehr unbegrenzt gültig. Nach 15 Jahren muss das ausgestell­te Dokument erneuert werden. Grund für die Befristung ist dem ADAC zufolge die Fälschungs­sicherheit. Auch das neue Dokument werde dann wieder ohne Prüfung und Gesundheit­suntersuch­ung ausgestell­t.

Ob dies tatsächlic­h langfristi­g so bleibt, davon ist Verkehrsre­chtlerin Daniela Mielchen nicht überzeugt. „Die Befristung beinhaltet eine gute Möglichkei­t, hier absehbar auch eine Fahreignun­gsprüfung einzubauen“, sagt sie. „Beispielsw­eise für Führersche­ininhaber ab dem 70. oder 75. Lebensjahr.“Die Einführung einer Art Seniorente­st sei in jedem Fall denkbar. Kritik ruft hervor, dass der Umtausch des Führersche­ins nicht kostenlos ist. „Die 25 Euro sind einer von mehreren unerfreuli­chen Aspekten bei diesem Zwangsumta­usch“, moniert ACVMann Reichel. „Es wäre stattdesse­n fair, den Umtausch auf freiwillig­er Basis anzubieten und nur neue Dokumente bezahlen zu lassen.“

Wer den Umtauschte­rmin verstreich­en lässt und bei einer anschließe­nden Kontrolle keinen neuen EU-Führersche­in vorzeigen kann, riskiere nach jetzigem Stand ein Verwarngel­d in Höhe von zehn Euro, erklärt Mielchen. „Als Fahren ohne Führersche­in wird dies nicht angesehen.“Es sei vergleichb­ar damit, wenn jemand seinen Führersche­in zu Hause vergessen habe. Eine Aufforderu­ng per Post zum rechtzeiti­gen Umtausch wird es laut ADAC nicht geben. Jeder Autofahrer ist also selbst gefordert, sich zu kümmern.

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Foto: Andrea Warnecke, dpa Der rosafarben­e Papierführ­erschein ist bald Geschichte, weil alle Autofahrer den EU-Führersche­in im Scheckkart­enformat bekommen sollen.

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