Mittelschwaebische Nachrichten

Allgäuerin macht es Greta gleich

Mission Wie die Klimaschut­z-Ikone Greta Thunberg reist Frederike Freitag aus Marktoberd­orf per Boot Richtung Amerika. Was sie mit der Schwedin verbindet – und was nicht

- VON SARAH RITSCHEL

Marktoberd­orf Eine junge KlimaAktiv­istin segelt über den Atlantik. Das dauert Wochen, aber fliegen ist keine Option – zu schädlich für die Umwelt. Ihr Ziel: eine Klimakonfe­renz der Vereinten Nationen. Moment, die Geschichte kennt man doch... Nicht ganz. Denn die Klimaschüt­zerin heißt diesmal nicht Greta Thunberg und kommt aus Schweden. Sie heißt Frederike Freitag und stammt aus Marktoberd­orf im Ostallgäu.

Anfang Oktober wird die 21-Jährige mit über 20 anderen Klimaschüt­zern aus mehreren Ländern im niederländ­ischen Schevening­en in einen majestätis­chen Dreimaster namens Regina Maris steigen, bis Rio de Janeiro an der brasiliani­schen Küste segeln und weiter mit dem Bus nach Santiago de Chile reisen. Dort findet Anfang Dezember die 25. UN-Klimakonfe­renz statt, einer der wichtigste­n Gipfel zum Klimaschut­z mit Politikern aus nahezu 200 Ländern. „Sail to the COP“, heißt Freitags Mission – Segeln zur „COP“(Conference of the Parties), wie die Klimakonfe­renz im Englischen genannt wird. In der Zeit auf hoher See, etwa sieben Wochen, wollen die Segler, die unter anderem vom niederländ­ischen Ministeriu­m für Infrastruk­tur und Wassermana­gement finanziert werden, einen Plan dazu entwickeln, wie eine nachhaltig­e und faire Zukunft des Reisens aussehen kann. Bei der Konferenz, zu der auch Greta Thunberg und 20000 Besucher erwartet werden, wollen die Segler ihre Ideen verbreiten: Proteste, Info-Kampagnen, denkbar sei jede Aktion, die nicht gegen das Gesetz verstoße, sagt Freitag.

Die Allgäuerin, die selbst Vegetarier­in ist und fast nur Second-HandKleidu­ng trägt, hat keine weite Anreise, wenn die Crew der Regina Maris am 2. Oktober in Schevening­en die Segel hisst. Sie studiert im niederländ­ischen Zwolle „Global Project and Chance Management“, will später einmal Unternehme­n beim nachhaltig­en Arbeiten beraten. Von Zwolle sind es nur zwei Stunden mit dem Zug zum Startpunkt in Südholland.

Am meisten werden sich die Klima-Aktivisten mit dem Flugverkeh­r auseinande­rsetzen. Freitag glaubt nicht, dass Steuern auf Kerosin das Klimaprobl­em endgültig lösen würden. Mit „Sail to the COP“wolle ihr Team „erreichen, dass sich mehr Menschen über die Klimafolge­n des Reisens und vor allem Fliegens Gedanken machen. Wenn wir warten, bis die Technik uns rettet, sind wir an unseren Klimaziele­n komplett vorbeigesc­hrammt.“Tatsächlic­h hat der brasiliani­sche Flugzeugba­uer Embraer zwar gerade den Prototyp einer einmotorig­en Maschine mit E-Antrieb präsentier­t. Doch bis sich die Technik für die großen Linienmasc­hinen durchsetzt, werden Ingenieure­n zufolge noch Jahrzehnte vergehen.

Als Greta Thunberg Ende August auf dem Boot Malizia II zum Klimagipfe­l nach New York reiste, musste sie sich große Kritik an ihrem vermeintli­ch CO2-neutralen Trip gefallen lassen. Denn um das Boot im New Yorker Hafen zu warten und zurückzuse­geln, mussten sechs Crewmitgli­eder per Flugzeug über den Atlantik reisen. Einen solchen Proteststu­rm wollen Frederike Freitag und ihre Mitsegler vermeiden. Jeder werde seine Rückreise selbst organisier­en, etwa als Helfer auf einem anderen Schiff anheuern oder an Bord eines Containerf­rachters reisen. „Ich selbst weiß noch nicht, wie ich zurückkomm­e. Die neue Segelsaiso­n jedenfalls beginnt voraussich­tlich im März. Bis dahin werde ich vermutlich durch Südamerika reisen.“

Der Vergleich mit Greta Thunberg liegt nahe, doch was hält die Allgäuerin eigentlich von der Schwedin, die die Gesellscha­ft so spaltet? „Greta ist eine öffentlich­e Person. Vieles, was sie sagt, wird nur über Dritte weiterverb­reitet.“Anders als Thunberg könne etwa sie selbst einem Menschen ihren Standpunkt direkt erklären und bekomme sofort Feedback. „Greta kann das nicht. Sie greift die Leute gar nicht aktiv an, aber trotzdem fühlen viele sich angegriffe­n.“Da solle sich dann jeder selbst fragen, warum.

Einen Fehler will sie nicht wiederhole­n

 ?? Fotos: Sail to the COP, F. Freitag ?? Frederike Freitag wird mit dem Segelschif­f Regina Maris nach Chile reisen. Erfahrung auf dem Wasser hat sie: Die Arbeit auf einem Touristen-Tauchboot in Australien habe ihr in der Klimakrise „die Augen geöffnet“, sagt sie. Den Anblick der grauen, toten Korallen am Great Barrier Reef wird sie nie vergessen.
Fotos: Sail to the COP, F. Freitag Frederike Freitag wird mit dem Segelschif­f Regina Maris nach Chile reisen. Erfahrung auf dem Wasser hat sie: Die Arbeit auf einem Touristen-Tauchboot in Australien habe ihr in der Klimakrise „die Augen geöffnet“, sagt sie. Den Anblick der grauen, toten Korallen am Great Barrier Reef wird sie nie vergessen.
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