Mittelschwaebische Nachrichten

Ein Abgang mit Klasse an der Abbey Road

Beatles Vor 50 Jahren, im Endstadium ihrer Karriere, spielte die Band ein Album ein, das Musikgesch­ichte schrieb

- VON FRANZ NEUHÄUSER

Im Januar 1969 arbeiteten die Beatles an dem Album „Let It Be“. Bei den Sessions ließen sie sich für eine geplante Dokumentat­ion filmen. Keine gute Idee. Denn so wurde der Zerfall der größten Band aller Zeiten festgehalt­en. Vier übel gelaunte Typen, die sich nur noch anraunzten. Ihr langjährig­er Produzent George Martin befürchtet­e: „Das war’s.“

Ein paar Monate später rief Paul McCartney überrasche­nd bei ihm an. „Wir machen noch mal ein Album. Bist du dabei?“Ja, George Martin machte mit und erlebte ein Wunder. Die müden Stars, nach rund zehn höllisch intensiven Jahren einander überdrüssi­g und dazu noch in geschäftli­che Streitigke­iten verstrickt, sie rissen sich zusammen, gingen respektvol­l und freundlich miteinande­r um.

Und es gelang, was im Showgeschä­ft selten ist: ein Karriere-Abgang mit Klasse, mit Stil, in Würde. „Abbey Road“, am morgigen Donnerstag vor 50 Jahren erschienen, ist eines der besten Alben der Musikgesch­ichte. Das knackige „Come Together“von John Lennon, das von McCartney kunstvoll verwobene Songfragme­nte-Medley, Ringos Kinderlied aus dem Garten des Tintenfisc­hes („Octopus’s Garden“), die herausrage­nden George-Harrison-Beiträge „Something“und „Here Comes The Sun“– die Beatles hatten sich das Beste für den Schluss aufgehoben.

Verblüffen­d ist die Geschwindi­gkeit, mit der damals ein Meisterwer­k entstand. Netto nur etwa zehn Wochen beanspruch­ten Aufnahme und Abmischung des Albums. Einen Monat nach der letzten Studiosess­ion kam die Platte auf den Markt. Das ikonisch gewordene, tausendfac­h kopierte, imitierte, persiflier­te Cover – eine Idee von Paul McCartney, umgesetzt in etwa zehn Minuten, draußen, direkt vor dem Studio in der Londoner Abtei-Straße. Ein Fotograf auf einer Staffelei, ein Polizist, der kurz den Verkehr stoppte. Sechs Aufnahmen (nur sechs!) zur Auswahl. Mehr brauchte es nicht, um Design-Geschichte zu machen.

Pünktlich zum 50-Jährigen ist „Abbey Road“jetzt noch mal in verschiede­nen, erweiterte­n Versionen veröffentl­icht worden. Man höre und staune.

P.S.: „Let It Be“, das Album, das im Januar 1969 unter so misslichen Umständen aufgenomme­n worden war, erschien erst im Mai 1970, ist also die letzte Veröffentl­ichung der Beatles. Aber nicht das letzte Werk.

P.P.S.: Zum Jubiläum gibt es sogar eine komplette Neueinspie­lung von „Abbey Road“, live. Freilich nicht von den Beatles bzw. dem übrig gebliebene­n Duo des einstigen Quartetts. Der letzte Auftritt der Band liegt ja gut 50 Jahre zurück, das berühmte „Rooftop Concert“vom 30. Januar 1969 – „Abbey Road“-Songs haben sie ja nie live gespielt. Das am Freitag erscheinen­de „Abbey Road Relived“ist von den niederländ­ischen Beatles-Cover-Spezialist­en The Analogues und wurde, natürlich, in den Abbey Road Studios aufgenomme­n.

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Foto: Apple Corps Ltd, dpa Das Album-Cover, eines der meist nachgestel­lten Fotos überhaupt: Pilger aus aller Welt fotografie­ren sich beim Gang über den Zebrastrei­fen.

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