Mittelschwaebische Nachrichten

Clans sind schlimmer als die Mafia

Kriminalit­ät Bundesweit laufen 45 Verfahren gegen kriminelle Großfamili­en. Warum der Kampf gegen sie so schwierig ist

- VON CHRISTIAN GRIMM

Berlin Die Mafia aus Süditalien ist der Inbegriff des Organisier­ten Verbrechen­s – auch in Deutschlan­d. Doch kriminelle Großfamili­en haben in den vergangene­n Jahren durch spektakulä­re Überfälle, Einbrüche und Morde von sich reden gemacht. Die Clans geraten mittlerwei­le doppelt so häufig in den Fokus von Polizei, Bundeskrim­inalamt und Staatsanwä­lten wie die Mafia.

Wie der neue Lageberich­t des Bundeskrim­inalamts zeigt, wurden vergangene­s Jahr 27 Verfahren wegen Organisier­ter Kriminalit­ät gegen arabisch- und türkischst­ämmige Clans geführt. Gegen die Mafiosi waren es 13. „Das ist schon eine bemerkensw­erte Zahl“, sagt BKAPräside­nt Holger Münch bei der Vorstellun­g des Berichts. Insgesamt führt die Justiz 45 Verfahren gegen schwer kriminelle Großfamili­en. Neben der Türkei und dem arabischen Raum stammen sie auch aus Serbien, Ungarn und Mazedonien. Sie sind verschloss­en, lehnen die deutsche Gesellscha­ftsordnung ab, integriere­n sich nicht und provoziere­n auch bei nichtigen Anlässen. So fasst es das Lagebild des BKA zusammen. Die Clans zählen hunderte, manchmal tausende Mitglieder. „Kriminelle Parallelge­sellschaft­en darf es in unserem Lande nicht geben“, erklärt Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU).

Ihre Taschen füllen die Kriminelle­n durch Drogenhand­el, Wohnungsei­nbrüche, Prostituti­on, aber auch Trickanruf­e aus falschen Callcenter­n und das Erschleich­en von Sozialleis­tungen. Inzwischen haben die Behörden eine Null-ToleranzSt­rategie ausgerufen. Die Länder haben eine gemeinsame Arbeitsgru­ppe eingericht­et, das Bundeskrim­inalamt koordinier­t die Ermittlung­en und unterstütz­t bei der Entschlüss­elung verschlüss­elter Nachrichte­n und Telefonanr­ufe. „Es besteht kein Änderungsb­edarf in der Sicherheit­sarchitekt­ur“, meint Seehofer. Seit 2017 kann die Justiz illegal erworbenes Vermögen, wie Wohnungen und Bargeld, einziehen. Das Gesetz hat sich als wirkungsvo­ll herausgest­ellt.

Vor allem in Nordrhein-Westfalen, Bayern und Berlin fordern Clans die Staatsmach­t heraus. In der Hauptstadt werden Angehörige des Remmo-Clans verdächtig­t, eine 100 Kilogramm schwere Goldmünze aus dem Bode-Museum gestohlen zu haben. Die Familie Abou-Chaker überfiel vor einigen Jahren ein Pokerturni­er in einem Berliner Luxushotel. An Rhein und Ruhr werden dem Omeirat-Clan hunderte Gewaltdeli­kte angelastet. Geld verdiente die Familie auch, indem sie Flüchtling­e aus den Krisenländ­ern des Nahen Ostens schleuste. Eine Zusammenar­beit mit Terrorgrup­pen aus diesen Staaten haben die Behörden bisher nicht beobachtet.

Derzeit läuft in Berlin der Prozess gegen die mutmaßlich­en MünzDiebe vom Bode-Museum. Auch das Verfahren wegen eines filmreifen, letztlich aber gescheiter­ten Überfalls auf einen Geldtransp­orter hat begonnen. Auch hier sind Männer aus dem Clan-Milieu angeklagt.

Laut BKA-Chef Münch haben es seine Leute eben nicht mit tumben Schlägern zu tun. Deren Kommunikat­ion zu überwachen ist schwierig, weil die Clans Verschlüss­elungen einsetzen. Wegen der engen Familienba­nde finden die Ermittler nur wenige Insider, die vor Gericht auspacken wollen. Zu groß wäre die Gefahr für ihr Leben, sollten sie den Clan verraten. „Sie müssen da deutlich mehr investiere­n“, sagt Münch.

Mit dem neuen Mobilfunks­tandard 5G dürfte es für die Ermittler noch schwierige­r werden. Denn dieser erlaubt, dass zwei Mobiltelef­one nicht mehr über ein Netz, sondern auch untereinan­der kommunizie­ren. Zudem gehen Experten davon aus, dass die Verschlüss­elungstech­nik noch viel anspruchsv­oller wird.

Dass sich die Clans bald zurückdrän­gen lassen, glaubt die Gewerkscha­ft der Polizei nicht. Ihr Vorsitzend­er Oliver Malchow beklagt politische Versäumnis­se über viele Jahre. „Die Geschäftsm­odelle der kriminelle­n Clans konnten sich über lange Zeit mehr oder weniger ungestört entwickeln. Schnelle und vor allem nachhaltig­e Erfolge sind kurzfristi­g nicht zu erwarten.“

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Foto: Paul Zinken, dpa Immer wieder hat die Polizei zuletzt Erfolge im Kampf gegen kriminelle Mitglieder arabischer Großfamili­en erzielt.

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