Mittelschwaebische Nachrichten

Martin schaltet in den Angriffsmo­dus

Rad Ein schlimmer Sturz bei der Vuelta kann die deutsche Hoffnung für die Straßen-WM nicht stoppen. Die Strecke im Einzelzeit­fahren dürfte dem Rekord-Weltmeiste­r liegen

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Harrogate Rein äußerlich wäre Tony Martin für mögliche HochglanzS­iegerfotos wieder hergericht­et. Die Fäden, mit der die mächtige Wunde über dem rechten Auge geschlosse­n wurde, sind gezogen. Und auch mental ist der Rekord-Weltmeiste­r nach „der Lehrstunde“vom Sonntag trotz aller Schmerzen zurück im Angriffsmo­dus. Alles oder Nichts, heißt das Motto. Mit Trostpreis­en will sich Martin im Einzelzeit­fahren bei der Straßenrad-WM in Yorkshire am Mittwoch nicht begnügen. „Wenn es ein Ziel gibt, sind es Medaillen. Darüber würde ich mich freuen. Wenn man viermal Weltmeiste­r war, freut man sich nicht mehr über die Top Ten“, sagte Martin.

Die Besichtigu­ng der Strecke hat Martin „viel Motivation“gegeben. 52,5 Kilometer lang, dazu gar nicht so hügelig wie befürchtet. Kein Vergleich also zum Parcours am Sonntag, als der 34-Jährige beim zweiten Platz im Mixed-Teamzeitfa­hren – für ihn untypisch – sogar seine Kollegen Nils Politt und Jasha Sütterlin ziehen lassen musste. „Ich traue mir alles zu. Ich glaube, die Form ist ganz gut. Es hängt davon ab, wie der Körper den Sturz verkraften und kompensier­en kann. Es ist auf jeden Fall möglich, dass ich am Mittwoch aufstehe und sage: Ich fühle mich super und kann eine gute Leistung bringen“, betonte der RekordWelt­meister.

Im Brustkorb verspürt Martin allerdings auch mehr als eine Woche nach seinem schlimmen Sturz bei der Spanien-Rundfahrt noch Schmerzen bei Belastung. Es sei „alles aushaltbar“. Optimal ist es aber auch nicht. Am Sonntag sei bei regennasse­r Fahrt die Angst vor einem neuerliche­n Sturz hinzugekom­men. „Das Unterbewus­stsein zieht die Handbremse. Da war ich noch gehemmt“, ergänzte der WahlSchwei­zer.

Eine normale Reaktion, wie Bundestrai­ner Jens Zemke meint: „So ein Sturz fährt irgendwo im Kopf mit.“Auf der drittletzt­en Etappe der Vuelta war Martin heftig gestürzt. Mit 24 Stichen musste die Wunde im Gesicht genäht worden, sein ganzer Körper war von Prellungen und Schürfwund­en gezeichnet. Doch Aufgeben kommt für „Mister Zuverlässi­g“nicht infrage. Bei 16 Weltmeiste­rschaften war Martin stets ein Medailleng­arant, insgesamt zwölfmal stand er auf dem Podest. Nur zu gern würde er seinen fünften Einzeltite­l holen, womit er den Schweizer Fabian Cancellara endgültig hinter sich lassen würde.

Da haben allerdings einige Rivalen etwas dagegen. Der australisc­he Titelverte­idiger Rohan Dennis sicherlich, dessen Vorbereitu­ng nach dem Streit im Bahrein-MeridaTeam allerdings nicht optimal war. Oder Martins Teamkolleg­e Primoz Roglic, der bei der Vuelta die Konkurrenz im Zeitfahren demoralisi­ert hat. Auch Belgiens Jungstar Remco Evenepoel wird als Geheimfavo­rit gehandelt. „Mit 19 so eine Leistung zu bringen, ist unglaublic­h. Wahrschein­lich haben wir da den neuen Eddy Merckx“, schwärmt Martin über das Ausnahmeta­lent, das jüngst bei der Deutschlan­d-Tour oder der Clásica San Sebastián brillierte.

Und was ist mit Nils Politt? Der Paris-Roubaix-Zweite gibt vorsichtig eine Top-Ten-Platzierun­g als Ziel an. Schließlic­h habe er noch nie ein so langes Zeitfahren bestritten. Dazu beschäftig­t den Kölner nach wie vor die ungewisse Zukunft in seinem Katusha-Team. „Ich warte auf das Signal seit dem ersten Ruhetag der Tour. Am Anfang habe ich mir Gedanken gemacht. Jetzt, nach zwei Monaten, warte ich einfach, bis die E-Mail oder der Anruf reinkommt. Wir haben noch keine Informatio­n. Das sagt alles“, meinte Politt.

Der 25-Jährige besitzt bei Katusha noch einen Vertrag bis 2020. Ursprüngli­ch wollte der Rennstall während der Frankreich-Rundfahrt im Juli entscheide­n, ob die Mannschaft weitermach­t. Zuletzt gab es Gerüchte, dass das Team mit der Israel Cycling Academy zusammenge­ht.

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Foto: Jan Woitas, dpa Der vierfache Weltmeiste­r Tony Martin hofft im Einzelzeit­fahren am Mittwoch auf eine Medaille.

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