Mittelschwaebische Nachrichten
Elektrisch nach Porsche-Art
Neuvorstellung Mit dem Taycan bringen die Zuffenhausener den Supersportwagen unter den Stromern – wie gewohnt mit gigantischer Power und zu einem exorbitant hohen Preis. Schnell ist er nicht nur auf der Straße, sondern auch an der Ladesäule. Warum sich Te
Wer die IAA in Frankfurt besucht hat, konnte feststellen: Die Elektromobilität macht sich tatsächlich breit. Vor allem einige mehr oder weniger bezahlbare Stromer haben auf der Frankfurter Messe ihr Debüt gegeben – mehr zum neuen Renault Zoe, VW ID.3 und Co. lesen Sie in der Samstagsausgabe dieser Zeitung. Daneben allerdings gab mit dem Porsche Taycan auch ein Sportwagen par excellence seinen Einstand. Rein elektrisch, natürlich.
Die Frage, ob man einen 2,3 Tonnen schweren Fünfmeter-Viertürer in 2,8 Sekunden auf Tempo 100 beschleunigen können muss, darf man freilich stellen. Und auch die Antwort ist klar: Nein, das muss man nicht. Allein, für das Spektakel, das sich abspielt, wenn man im Taycan den rechten Fuß flott in Richtung Bodenblech bewegt, haben die Ingenieure ein großes Lob verdient.
Beruhigen wir das moralinsaure, grüne Gewissen für einen kurzen Moment mit der Tatsache, dass hier kein einziger Tropfen Erdöl verbrannt wird, und genießen wir einfach: Die beiden in der Spitze 762 PS und 1050 Newtonmeter starken E-Motoren im Taycan Turbo S reagieren schneller auf den Marschbefehl als jeder Verbrenner, an der Hinterachse sorgt ein für E-Autos unübliches Zweigang-Getriebe für noch mehr Druck beim Anfahren. Und da sie beide Achsen antreiben, kennen die E-Maschinen keinerlei Traktionsprobleme. Nur einen halWimpernschlag nachdem der Fahrer Vollstrom gegeben hat, klebt man am Sitz und die überschüssigen Pfunde verschwinden geradezu in den Ritzen. Besser als mit jeder Botox-Kur werden die Falten im Gesicht straff gezogen und in der Magengrube stellt sich ein flaues Kribbeln ein, das sich wie eine Mischung aus erster großer Liebe und zu viel Maibowle anfühlt.
Zugegeben, das haben auch schon andere hinbekommen. Mercedes vor gut zehn Jahren mit dem nie wirklich serienreifen Elektro-SLS, aber auch Tesla mit dem Model S. Das Besondere am Taycan: Den Porsche-Entwicklern ist es gelungen, eine nahezu beliebige Wiederholbarkeit solcher BeschleunigungsArien zu ermöglichen.
Während fast alle E-Autos auf starke Leistungsabfrage mit noch stärkerer Wärmeentwicklung reagieren und kurzerhand den Stromhahn zudrehen, erlaubt es die 800-Volt-Technik (üblich sind sonst 400 Volt) dem Taycan, ein ums andere Mal mit voller Kraft anzugben asen – oder besser anzustromern. Positiver Nebeneffekt der hohen Spannung: Auch das Laden geht schneller. Ist der 93,4-kWh-Akku leer, pumpt der Porsche, wenn die Ladesäule so viel Energie bereitstellt, mit bis zu 270 kW Strom in die Batterie. Die Ladeleistung wird mit zunehmender Ladung freilich weniger. Doch wer nur noch rund 100 Kilometer nach Hause hat, soll schon nach fünf Minuten weiterfahren können.
Bis der Akku zu 80 Prozent voll ist, vergehen gerade mal 23 Minuten; das reicht für einmal Toilette und einen heißen Kaffee. Wer nicht ständig ausprobiert, ob der Taycan wirklich in unter drei Sekunden auf Tempo 100 kommt, soll mit einer Akkufüllung übrigens bis zu 412 Kilometer weit kommen.
Und: Kann man sich auch mit einer Sprintzeit von 3,2 Sekunden zufriedengeben, muss man nicht unbedingt zum 185 456 Euro teuren Taycan Turbo S greifen. Für mehr als 30000 Euro weniger gibt es das Turbo-Modell, bei dem die Maximalleistung mit 680 PS nur marginal geringer ist. Die steht aber ohnehin nur für zwei Sekunden bereit, und die – von diesem Overboost abgesehen – Höchstkraft ist mit 625 PS bei beiden identisch. Dafür kommt der Nicht-S mit einer Batterieladung knapp 40 Kilometer weiter.
Hat man sich an der Leistungsentfaltung ausreichend erfreut, ist die Zeit für einen genaueren Blick in den Innenraum gekommen. Der ist vor allem recht eng – und futuristisch: Mit zahlreichen Bildschirmen – ein gebogenes, freistehendes Kombiinstrumenten-Display, Infotainment-Touchscreen, eine Anzeige für die Klimasteuerung und noch ein extra Beifahrer-Bildschirm – wirkt der Taycan auch heute noch ein bisschen wie ein Raumschiff.
Allerdings hätte Captain Kirk seinen Ingenieuren wahrscheinlich was gehustet, wenn sie die Regler an den Lüftungsdüsen weggelassen hätten: Die Einstellung des Luftstroms über ein Untermenü im Infotainmentsystem ist nicht spacig, sondern schlichtweg unpraktisch.