Mittelschwaebische Nachrichten

Elektrisch nach Porsche-Art

Neuvorstel­lung Mit dem Taycan bringen die Zuffenhaus­ener den Supersport­wagen unter den Stromern – wie gewohnt mit gigantisch­er Power und zu einem exorbitant hohen Preis. Schnell ist er nicht nur auf der Straße, sondern auch an der Ladesäule. Warum sich Te

- VON MICHAEL GEBHARDT

Wer die IAA in Frankfurt besucht hat, konnte feststelle­n: Die Elektromob­ilität macht sich tatsächlic­h breit. Vor allem einige mehr oder weniger bezahlbare Stromer haben auf der Frankfurte­r Messe ihr Debüt gegeben – mehr zum neuen Renault Zoe, VW ID.3 und Co. lesen Sie in der Samstagsau­sgabe dieser Zeitung. Daneben allerdings gab mit dem Porsche Taycan auch ein Sportwagen par excellence seinen Einstand. Rein elektrisch, natürlich.

Die Frage, ob man einen 2,3 Tonnen schweren Fünfmeter-Viertürer in 2,8 Sekunden auf Tempo 100 beschleuni­gen können muss, darf man freilich stellen. Und auch die Antwort ist klar: Nein, das muss man nicht. Allein, für das Spektakel, das sich abspielt, wenn man im Taycan den rechten Fuß flott in Richtung Bodenblech bewegt, haben die Ingenieure ein großes Lob verdient.

Beruhigen wir das moralinsau­re, grüne Gewissen für einen kurzen Moment mit der Tatsache, dass hier kein einziger Tropfen Erdöl verbrannt wird, und genießen wir einfach: Die beiden in der Spitze 762 PS und 1050 Newtonmete­r starken E-Motoren im Taycan Turbo S reagieren schneller auf den Marschbefe­hl als jeder Verbrenner, an der Hinterachs­e sorgt ein für E-Autos unübliches Zweigang-Getriebe für noch mehr Druck beim Anfahren. Und da sie beide Achsen antreiben, kennen die E-Maschinen keinerlei Traktionsp­robleme. Nur einen halWimpern­schlag nachdem der Fahrer Vollstrom gegeben hat, klebt man am Sitz und die überschüss­igen Pfunde verschwind­en geradezu in den Ritzen. Besser als mit jeder Botox-Kur werden die Falten im Gesicht straff gezogen und in der Magengrube stellt sich ein flaues Kribbeln ein, das sich wie eine Mischung aus erster großer Liebe und zu viel Maibowle anfühlt.

Zugegeben, das haben auch schon andere hinbekomme­n. Mercedes vor gut zehn Jahren mit dem nie wirklich serienreif­en Elektro-SLS, aber auch Tesla mit dem Model S. Das Besondere am Taycan: Den Porsche-Entwickler­n ist es gelungen, eine nahezu beliebige Wiederholb­arkeit solcher Beschleuni­gungsArien zu ermögliche­n.

Während fast alle E-Autos auf starke Leistungsa­bfrage mit noch stärkerer Wärmeentwi­cklung reagieren und kurzerhand den Stromhahn zudrehen, erlaubt es die 800-Volt-Technik (üblich sind sonst 400 Volt) dem Taycan, ein ums andere Mal mit voller Kraft anzugben asen – oder besser anzustrome­rn. Positiver Nebeneffek­t der hohen Spannung: Auch das Laden geht schneller. Ist der 93,4-kWh-Akku leer, pumpt der Porsche, wenn die Ladesäule so viel Energie bereitstel­lt, mit bis zu 270 kW Strom in die Batterie. Die Ladeleistu­ng wird mit zunehmende­r Ladung freilich weniger. Doch wer nur noch rund 100 Kilometer nach Hause hat, soll schon nach fünf Minuten weiterfahr­en können.

Bis der Akku zu 80 Prozent voll ist, vergehen gerade mal 23 Minuten; das reicht für einmal Toilette und einen heißen Kaffee. Wer nicht ständig ausprobier­t, ob der Taycan wirklich in unter drei Sekunden auf Tempo 100 kommt, soll mit einer Akkufüllun­g übrigens bis zu 412 Kilometer weit kommen.

Und: Kann man sich auch mit einer Sprintzeit von 3,2 Sekunden zufriedeng­eben, muss man nicht unbedingt zum 185 456 Euro teuren Taycan Turbo S greifen. Für mehr als 30000 Euro weniger gibt es das Turbo-Modell, bei dem die Maximallei­stung mit 680 PS nur marginal geringer ist. Die steht aber ohnehin nur für zwei Sekunden bereit, und die – von diesem Overboost abgesehen – Höchstkraf­t ist mit 625 PS bei beiden identisch. Dafür kommt der Nicht-S mit einer Batteriela­dung knapp 40 Kilometer weiter.

Hat man sich an der Leistungse­ntfaltung ausreichen­d erfreut, ist die Zeit für einen genaueren Blick in den Innenraum gekommen. Der ist vor allem recht eng – und futuristis­ch: Mit zahlreiche­n Bildschirm­en – ein gebogenes, freistehen­des Kombiinstr­umenten-Display, Infotainme­nt-Touchscree­n, eine Anzeige für die Klimasteue­rung und noch ein extra Beifahrer-Bildschirm – wirkt der Taycan auch heute noch ein bisschen wie ein Raumschiff.

Allerdings hätte Captain Kirk seinen Ingenieure­n wahrschein­lich was gehustet, wenn sie die Regler an den Lüftungsdü­sen weggelasse­n hätten: Die Einstellun­g des Luftstroms über ein Untermenü im Infotainme­ntsystem ist nicht spacig, sondern schlichtwe­g unpraktisc­h.

 ?? Fotos: Porsche ?? Weiße Weste: Der Porsche Taycan Turbo ist ein Supersport­ler. Er verbrennt aber keinen Tropfen Sprit.
Fotos: Porsche Weiße Weste: Der Porsche Taycan Turbo ist ein Supersport­ler. Er verbrennt aber keinen Tropfen Sprit.

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