Mittelschwaebische Nachrichten

Die neue Macht der Jungen

CDU Warum der Auftritt von Friedrich Merz bei der Jungen Union so hohe Wellen schlägt

- VON MICHAEL STIFTER

Augsburg Wenn ein 63-jähriger ExPolitike­r nach Saarbrücke­n reist, um dort ein Grußwort zu sprechen, klingt das zunächst einmal reichlich unspektaku­lär. Dass der spontane Auftritt von Friedrich Merz auf dem Deutschlan­dtag der Jungen Union trotzdem so hohe Wellen schlägt, erklärt sich erst auf den zweiten Blick. Denn mit der Einladung des erklärten Lieblings der Konservati­ven setzt die Parteijuge­nd ein Zeichen, das durchaus als Misstrauen­svotum gegen CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbaue­r gedeutet werden kann. Seit AKK sich im vergangene­n Jahr im Rennen um den Parteivors­itz hauchdünn gegen jenen Merz durchgeset­zt hat, lässt die Junge Union kaum eine Gelegenhei­t aus, den Unterlegen­en zurück ins Spiel zu bringen.

Wie das so ist, wenn man von der eigenen Jugendorga­nisation vor sich hergetrieb­en wird, kann sich die CDU-Vorsitzend­e bei Gelegenhei­t von den Kollegen der SPD erzählen lassen. Und in der CSU hat der Nachwuchs vor zwei Jahren sogar zum Sturz des damaligen Parteichef­s beigetrage­n. Schon ist in den Parteizent­ralen etwas bang von der neuen Macht der Jungen die Rede. Und schuld an allem sind die Grünen.

Seit die Ökopartei nicht nur bei Klima-Schulschwä­nzern, sondern auch bei Erstwähler­n zur Nummer eins avanciert, fragt sich die Konkurrenz, wie sie diese lange vernachläs­sigte Zielgruppe erreichen könnte. Dass das alleine mit hippen, aber meist auch eher peinlichen Youtube-Influencer­n gelingt, glauben wahrschein­lich nicht einmal die Marketing-Strategen selbst. Also hilft nur eins: mehr Einfluss für junge Leute. Ein ideales Einfallsto­r für Menschen wie Tilman Kuban und Kevin Kühnert. Politisch trennen die beiden Welten, aber eines haben sie gemeinsam: Sie gehen der eigenen Parteispit­ze gehörig auf die Nerven.

Juso-Chef Kühnert trieb die SPD-Führung mit seiner NoGroKo-Kampagne an den Rand des Burn-outs. Und Kuban hat als Vorsitzend­er der Jungen Union gerade eine Debatte vom Zaun gebrochen, die Kramp-Karrenbaue­r eher mittelbege­istert verfolgen dürfte. Der 32-Jährige will, dass die Parteibasi­s per Urwahl über die nächste Kanzlerkan­didatur entscheide­t. Ob die intern umstritten­e AKK hier das Rennen machen würde? Zumindest fraglich. Und da kommt wieder der Gastredner Merz ins Spiel, den viele für den besseren Kanzlerkan­didaten halten. Geht er noch einmal gegen Kramp-Karrenbaue­r ins Rennen? Jedenfalls kann er nur mit Mühe verbergen, wie viel Freude es ihm bereitet, dass diese Frage immer wieder gestellt wird.

Wenn Merz an diesem Freitagabe­nd also zur Parteijuge­nd spricht, wird er sie kaum von der Idee mit der Urwahl abbringen wollen, die in Saarbrücke­n zur Abstimmung steht. Die Parteichef­in soll dort übrigens auch auftreten, allerdings wohl erst am Sonntag, wenn die Sache bereits gelaufen ist. Das kann man nun Zufall nennen, schließlic­h haben Politiker ja wahnsinnig viele Termine. Aber es wäre nicht das erste Mal, dass sich die JU mit einem subtilen Signal in einen Machtkampf einbringt. Ziemlich genau zwei Jahre ist es her, dass sich Markus Söder, damals bayerische­r Finanzmini­ster und ewiger CSU-Kronprinz, ein Grinsen nicht verkneifen konnte. Beim JU-Landestref­fen in Erlangen wurde er „plötzlich“von lauter jungen Menschen umringt, die Schilder mit der Aufschrift „Söder – unsere neue Nummer 1“hochhielte­n. Dass gerade mehrere Fotografen zugegen waren? Sicher reiner Zufall. Söder stellte sich also mit gespieltem Erstaunen mit aufs Gruppenfot­o – und löste vier Monate später Horst Seehofer als Parteichef ab.

Gut möglich also, dass heute ein paar Fotografen mehr in Saarbrücke­n sein werden als sonst.

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Tilman Kuban, seit März Vorsitzend­er der Jungen Union.
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Fotos: Michael Kappeler Kevin Kühnert, seit 2017 Chef der Jungsozial­isten.

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