Mittelschwaebische Nachrichten

Worüber wir nicht berichten

- VON STEFAN REINBOLD redaktion@mittelschw­aebische-nachrichte­n.de

Vor Kurzem meldete sich ein Leser bei uns, um uns darauf aufmerksam zu machen, dass ein Mitglied der Skinheadgr­uppierung „Voice of Anger“in unserem Verbreitun­gsgebiet einen Laden eröffnet habe. Das Portal „Allgäu rechtsauße­n“hatte den Fall aufgegriff­en. Er wollte wissen, ob nicht die Leser unserer Zeitung auch darüber informiert werden müssten. Zunächst hatten wir genau dies im Sinn. Doch bei der weiteren Recherche kamen Zweifel auf.

Inwieweit die Gesinnung des Ladenbetre­ibers noch auf dem Boden des Rechtsstaa­ts steht, ist angesichts seiner Mitgliedsc­haft bei „Voice of Anger“sicher fraglich. Aber es macht doch einen Unterschie­d, ob jemand tatsächlic­h Straftaten begeht oder einfach nur einen gewissen Habitus pflegt, der zwar fragwürdig sein mag, aber eben nicht strafbar ist. Es ist bekannt, dass sich der Verfassung­sschutz mit „Voice of Anger“beschäftig­t. Das ist auch gut so. Dass Menschen im direkten Umfeld wachsam sind, ist sogar noch besser. Somit belegt dieser Vorgang, dass die Zivilgesel­lschaft in diesem Teil des Landes bestens funktionie­rt.

Für uns als Zeitung gibt es indes aber vorerst keinen Grund, über diesen Fall zu berichten. Wir können nicht einfach jemanden an den Pranger stellen, der sich strafrecht­lich nichts zuschulden hat kommen lassen. Einen Menschen in der Öffentlich­keit bloßzustel­len, hat ja nicht unbedingt den Effekt, dass die Opfer dieser Prozedur die ihnen angelastet­en Fehler einsehen und sich plötzlich bessern. Insofern stellt sich die Frage, wie viel Sinn es macht, den Feinden der Menschlich­keit mit Unmenschli­chkeit zu begegnen. Würde sich der Mann etwa als Bürgermeis­terkandida­t in einer Kommune bewerben oder eine Nachhilfes­chule für Jugendlich­e betreiben, dann wäre das wiederum eine ganz andere Sache.

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