Mittelschwaebische Nachrichten
Worüber wir nicht berichten
Vor Kurzem meldete sich ein Leser bei uns, um uns darauf aufmerksam zu machen, dass ein Mitglied der Skinheadgruppierung „Voice of Anger“in unserem Verbreitungsgebiet einen Laden eröffnet habe. Das Portal „Allgäu rechtsaußen“hatte den Fall aufgegriffen. Er wollte wissen, ob nicht die Leser unserer Zeitung auch darüber informiert werden müssten. Zunächst hatten wir genau dies im Sinn. Doch bei der weiteren Recherche kamen Zweifel auf.
Inwieweit die Gesinnung des Ladenbetreibers noch auf dem Boden des Rechtsstaats steht, ist angesichts seiner Mitgliedschaft bei „Voice of Anger“sicher fraglich. Aber es macht doch einen Unterschied, ob jemand tatsächlich Straftaten begeht oder einfach nur einen gewissen Habitus pflegt, der zwar fragwürdig sein mag, aber eben nicht strafbar ist. Es ist bekannt, dass sich der Verfassungsschutz mit „Voice of Anger“beschäftigt. Das ist auch gut so. Dass Menschen im direkten Umfeld wachsam sind, ist sogar noch besser. Somit belegt dieser Vorgang, dass die Zivilgesellschaft in diesem Teil des Landes bestens funktioniert.
Für uns als Zeitung gibt es indes aber vorerst keinen Grund, über diesen Fall zu berichten. Wir können nicht einfach jemanden an den Pranger stellen, der sich strafrechtlich nichts zuschulden hat kommen lassen. Einen Menschen in der Öffentlichkeit bloßzustellen, hat ja nicht unbedingt den Effekt, dass die Opfer dieser Prozedur die ihnen angelasteten Fehler einsehen und sich plötzlich bessern. Insofern stellt sich die Frage, wie viel Sinn es macht, den Feinden der Menschlichkeit mit Unmenschlichkeit zu begegnen. Würde sich der Mann etwa als Bürgermeisterkandidat in einer Kommune bewerben oder eine Nachhilfeschule für Jugendliche betreiben, dann wäre das wiederum eine ganz andere Sache.