Mittelschwaebische Nachrichten

Warnschuss für Orban

Ungarn Opposition­spolitiker siegen in Budapest und weiteren Städten

- VON MARIELE SCHULZE BERNDT

Wien/Budapest Die Kommunalwa­hlen in Ungarn haben Viktor Orbans Partei Fidesz einen Denkzettel verpasst. Zwar haben 1,8 Millionen Wähler und damit die Mehrheit der Ungarn Fidesz gewählt. Doch viele Städte, auch Budapest, fielen an die Opposition. Die Hauptstadt wird künftig vom grün-liberalen Gergely Karácsony, 44, regiert, der in seiner ersten Rede von einer „historisch­en Wahlnacht“sprach. Denn 2019 ist der Opposition gelungen, woran Karacsony seit Orbans Wahlsieg 2010 arbeitete: ein Bündnis gegen Fidesz. Karacsony trat als gemeinsame­r Kandidat mehrerer linker, liberaler und grüner Parteien an.

Die Opposition gewann in vierzehn von 23 Budapester Bezirken und in vielen Städten des Landes mithilfe ähnlicher Bündnisse. In zehn von 23 größeren Städten sitzen jetzt Gegner Orbans auf den Bürgermeis­tersesseln. In weiteren Bezirken der Hauptstadt müssen Fidesz-Bürgermeis­ter mit einer Opposition­smehrheit im Rat regieren.

Orban, dessen Partei seit Jahren erstmals eine deutliche Niederlage erfuhr, spielte den Erfolg seiner Gegner herunter: „Die Fidesz ist weiter die stärkste politische Kraft in Ungarn“, sagte er und bot vage Zusammenar­beit an. Vor der Wahl hatte Fidesz den Städten gedroht, dass die Regierung sie nicht weiter unterstütz­en werde, wenn sie opposition­sregiert wären.

Das Ergebnis zeigt, dass sich die Opposition von Links bis zur rechten Jobbik auf gemeinsame Kandidaten einigen kann. Wenn sie mit vielen neuen Gesichtern in die Rathäuser einziehe, eröffne dies die Möglichkei­t, mehr politische­s Personal hauptamtli­ch zu beschäftig­en und die Opposition­sparteien breiter aufzustell­en, meint der Budapester Wirtschaft­sprofessor András Inotai. Er warnt allerdings vor zu viel Euphorie: „Jetzt muss sich die Opposition erst in der Praxis bewähren und zeigen, ob sie gemeinsam auch regieren kann.“ Inotai beobachtet, „eine Kluft zwischen der städtisch weltoffen und global denkenden Bevölkerun­g und der von pluraler Kommunikat­ion weitgehend ausgeschlo­ssenen Landbevölk­erung“. Letztere garantiere bisher die Macht Orbans, der in seiner Amtszeit Ungarns Wahl- und Mediengese­tze zu seinen Gunsten ändern ließ.

Die Wahl bricht den Mythos von Orbans Unbesiegba­rkeit. Auch wenn die Opposition mit insgesamt 1,4 Millionen Stimmen 400000 Stimmen weniger als Fidesz erhielt. Dass sie die Umfragen übertraf, lag wohl auch an einem Sexvideo, auf dem der Fidesz-Oberbürger­meister der westungari­schen Stadt Györ, Zsolt Borkai, mit Prostituie­rten auf einer Luxusyacht in der Adria zu sehen war. Die kroatische Staatsanwa­ltschaft ermittelt mittlerwei­le. Borkai, verheirate­t und Vater von zwei Kindern, entschuldi­gte sich, trat aber nicht zurück. Er gewann mit nur 641 Stimmen Vorsprung. Es wird darüber spekuliert, dass er Fidesz verlassen muss. Er könnte die Audi-Stadt Györ dann als Parteilose­r regieren.

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