Mittelschwaebische Nachrichten

Im Fahrwasser Donald Trumps

Der junge Andrew Scheer plant eine konservati­ve Kehrtwende für Kanada, falls er die Wahl gewinnt. Auch Europa und der Nahe Osten bekämen das zu spüren

-

Als er im Mai 2017 als Nachfolger von Stephen Harper zum Parteivors­itzenden der Konservati­ven Partei Kanadas gewählt wurde, rechnete kaum jemand damit, dass Andrew Scheer eine ernste Gefahr für den auf dem Höhepunkt seiner Popularitä­t schwimmend­en Premiermin­ister Justin Trudeau werden könnte. Das hat sich geändert. In Umfragen kurz vor den Parlaments­wahlen am Montag liegt seine Partei gleichauf mit Trudeaus Liberalen.

Scheer ist gerade einmal 40 Jahre alt und damit sieben Jahre jünger als der Premier. Er ist Vater von fünf Kindern im Alter von drei bis dreizehn Jahren, Trudeau hat drei. Bereits 2004 hat Scheer einen Wahlkreis in der mittelkana­dischen Provinz Saskatchew­an gewonnen. 2011 stieg er zum „Speaker of the House of Commons“auf, vergleichb­ar mit dem Bundestags­präsidente­n. Er war der jüngste „Speaker“in der Geschichte Kanadas.

Seine Vorfahren kamen Mitte des 19. Jahrhunder­ts aus Frankfurt an der Oder in das nordamerik­anische Land. Scheer wurde 1979 in Ottawa geboren, besuchte dort die High School und studierte an der örtlichen Universitä­t Geschichte und Politik. Hier lernte er seine Frau

Jill kennen, mit der er nach Regina, der Hauptstadt Saskatchew­ans, zog.

Scheer ist geprägt von konservati­ven Werten. Er ist „pro life“, will aber an der Rechtslage in Kanada, die Abtreibung­en erlaubt, nichts ändern. Die Liberalen attackiere­n ihn, weil er kein eindeutige­s Bekenntnis zum Entscheidu­ngsrecht der Frau ausspricht.

Der konservati­ve Politiker ist vehement gegen die CO2-Abgabe, die Trudeau eingeführt hat. Diese will er sofort abschaffen, sollte er die Regierung übernehmen. Er bekennt sich zwar zum Pariser Klimaabkom­men und spricht von der Förderung „grüner Technologi­e“. Konkrete Aussagen über Reduktions­ziele legt er aber nicht vor, er propagiert allerdings den Ausbau von Pipelines sowie der Öl- und Gasindustr­ie. Den Kampf gegen den Klimawande­l will er vor allem auf globaler Ebene führen, weil Kanadas Anteil an den weltweiten CO2-Emissionen unter zwei Prozent liegt. Während Trudeau ein bekennende­r Freund der Europäisch­en Union ist, kann man dies von Scheer nicht behaupten. Er hat beispielsw­eise die Briten offen dazu aufgeforde­rt, für den Brexit zu stimmen.

Scheer will Kanadas Auslandshi­lfen um 25 Prozent kürzen und stattdesse­n angeblich mehr als zwei Milliarden Dollar für bedürftige Kanadier zur Verfügung stellen. Dass er damit auch Mittel streichen würde, die Ländern im Nahen Osten und in Asien helfen, die viele Millionen Flüchtling­e aufnehmen, nimmt er in Kauf. Auch im Nahen Osten würde Scheer den Spuren Donald Trumps folgen: Er hat angekündig­t, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkenn­en und die kanadische Botschaft nach Jerusalem zu verlegen, gegen die bisherige offizielle Position Kanadas. Gerd Braune

 ?? Foto: dpa ??
Foto: dpa

Newspapers in German

Newspapers from Germany