Mittelschwaebische Nachrichten

Arlene Foster könnte Johnsons Brexit-Deal zerstören

Die Vorsitzend­e der nordirisch­en Unionspart­ei DUP will von dem ausgehande­lten Kompromiss nichts wissen

- VON KATRIN PRIBYL

London Es ist erst wenige Wochen her, dass Boris Johnson und Arlene Foster bei einem Empfang am Rande des konservati­ven Parteitags in Manchester für alle Beobachter sichtbar Geschlosse­nheit demonstrie­rten. Die Chefin der nordirisch­en Unionisten­partei DUP im Schultersc­hluss mit dem konservati­ven Premiermin­ister – den Brexit umzusetzen, sollte das heißen, geht nur gemeinsam.

Doch Politik ist ein brutales Geschäft. Kurz nachdem London und Brüssel am Donnerstag verkündete­n, dass man sich auf einen Deal geeinigt hatte, senkte die DUP bereits den Daumen. Man könne den im Vertragsen­twurf festgeschr­iebenen Zugeständn­issen bei der entscheide­nden Abstimmung am Samstag nicht zustimmen, so Foster. Dem Abkommen zufolge soll Nordirland zwar gemeinsam mit Großbritan­nien die EU verlassen, deren Regeln und Standards zum Binnenmark­t aber beibehalte­n. Zollkontro­llen könnten dann an der Seegrenze zur Britischen Insel stattfinde­n und nicht auf der Irischen Insel. Somit überschrei­tet der Vorschlag die rote Linie der Regionalpa­rtei. Und jetzt? Johnson versuchte gestern, mit einer Charme-Offensive um jede Stimme zu kämpfen. Für die Regierung wird es knapp am heutigen Samstag, wenn das Parlament bei einer Sondersitz­ung über den Deal entscheide­t.

Die zehn Abgeordnet­en aus dem nördlichen Landesteil, die die Minderheit­sregierung der Tories dulden, gelten als das Zünglein an der Waage, und das nicht nur aufgrund ihrer Stimmen. Auch einige Parlamenta­rier aus den konservati­ven Reihen haben durchblick­en lassen, dass die Haltung der DUP für ihr eigenes Votum ein wichtiger Faktor sei. Darüber stolperte bereits Johnsons Vorgängeri­n Theresa May, deren Kompromiss ohne die Unterstütz­ung der DUP drei Mal durch das Unterhaus fiel. Dabei hatte May nach der Neuwahl 2017 und dem Verlust der absoluten Mehrheit mit großem finanziell­en Aufwand versucht, die Kleinparte­i aus Nordirland auf ihre Seite zu ziehen. Was damals heftige Kritik auslöste. „Wollen die Tories aus Machtwille­n wirklich mit einer homophoben, erzkonserv­ativen Partei ins Bett steigen?“, kritisiert­e etwa ein Kommentato­r. May wollte. Derweil fragten sich etliche Briten: „Arlene who?“, „Arlene wer?“Wer ist jene Juristin, die als ehrgeizig, humorvoll und kritikresi­stent beschriebe­n wird? Sie führt seit 2015 als Vorsitzend­e die sozialkons­ervative, probritisc­he Democratic Unionist Party an, die 1971 von dem radikalen protestant­ischen Pfarrer Ian Paisley gegründet wurde.

Die DUP steht klar auf der Seite der Brexit-Anhänger. Foster hat dennoch immer wieder betont, dass sie keinen extremen Bruch mit Brüssel wünscht aufgrund der besonderen Situation Nordirland­s, wo sich jahrzehnte­lang katholisch­e Republikan­er, die eine Vereinigun­g mit dem Nachbarn anstrebten, und protestant­ische probritisc­he Unionisten gewaltsam bekämpft haben. Stattdesse­n bestand die 49-Jährige auf einer durchlässi­gen Grenze, ohne neue Kontrollen zwischen der Republik Irland und Nordirland zu errichten. Gleichzeit­ig ist es das zentrale politische Anliegen der DUP, an der Einheit der Provinz mit Großbritan­nien festzuhalt­en.

Johnson weiß also, dass er auf die Stimmen der DUP im Unterhaus nicht setzen kann. Immerhin erhielt er Unterstütz­ung von einigen ehemaligen konservati­ven Parlamenta­riern und Labour-Abgeordnet­en. Ob das allerdings für eine Mehrheit ausreichen wird, ist völlig ungewiss. Beobachter­n zufolge fehlen ihm zwischen zwei und sechs Stimmen. Hinter den Kulissen wurde am Freitag Berichten zufolge von beiden Seiten heftig um Stimmen geworben und gedroht. Dabei scheint es mitunter hart zur Sache zu gehen. Von „mittelalte­rlichen“Methoden war die Rede.

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Foto: dpa Denkt nicht daran, Johnsons Brexit-Deal zu unterstütz­en: Arlene Foster.

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