Mittelschwaebische Nachrichten
Arlene Foster könnte Johnsons Brexit-Deal zerstören
Die Vorsitzende der nordirischen Unionspartei DUP will von dem ausgehandelten Kompromiss nichts wissen
London Es ist erst wenige Wochen her, dass Boris Johnson und Arlene Foster bei einem Empfang am Rande des konservativen Parteitags in Manchester für alle Beobachter sichtbar Geschlossenheit demonstrierten. Die Chefin der nordirischen Unionistenpartei DUP im Schulterschluss mit dem konservativen Premierminister – den Brexit umzusetzen, sollte das heißen, geht nur gemeinsam.
Doch Politik ist ein brutales Geschäft. Kurz nachdem London und Brüssel am Donnerstag verkündeten, dass man sich auf einen Deal geeinigt hatte, senkte die DUP bereits den Daumen. Man könne den im Vertragsentwurf festgeschriebenen Zugeständnissen bei der entscheidenden Abstimmung am Samstag nicht zustimmen, so Foster. Dem Abkommen zufolge soll Nordirland zwar gemeinsam mit Großbritannien die EU verlassen, deren Regeln und Standards zum Binnenmarkt aber beibehalten. Zollkontrollen könnten dann an der Seegrenze zur Britischen Insel stattfinden und nicht auf der Irischen Insel. Somit überschreitet der Vorschlag die rote Linie der Regionalpartei. Und jetzt? Johnson versuchte gestern, mit einer Charme-Offensive um jede Stimme zu kämpfen. Für die Regierung wird es knapp am heutigen Samstag, wenn das Parlament bei einer Sondersitzung über den Deal entscheidet.
Die zehn Abgeordneten aus dem nördlichen Landesteil, die die Minderheitsregierung der Tories dulden, gelten als das Zünglein an der Waage, und das nicht nur aufgrund ihrer Stimmen. Auch einige Parlamentarier aus den konservativen Reihen haben durchblicken lassen, dass die Haltung der DUP für ihr eigenes Votum ein wichtiger Faktor sei. Darüber stolperte bereits Johnsons Vorgängerin Theresa May, deren Kompromiss ohne die Unterstützung der DUP drei Mal durch das Unterhaus fiel. Dabei hatte May nach der Neuwahl 2017 und dem Verlust der absoluten Mehrheit mit großem finanziellen Aufwand versucht, die Kleinpartei aus Nordirland auf ihre Seite zu ziehen. Was damals heftige Kritik auslöste. „Wollen die Tories aus Machtwillen wirklich mit einer homophoben, erzkonservativen Partei ins Bett steigen?“, kritisierte etwa ein Kommentator. May wollte. Derweil fragten sich etliche Briten: „Arlene who?“, „Arlene wer?“Wer ist jene Juristin, die als ehrgeizig, humorvoll und kritikresistent beschrieben wird? Sie führt seit 2015 als Vorsitzende die sozialkonservative, probritische Democratic Unionist Party an, die 1971 von dem radikalen protestantischen Pfarrer Ian Paisley gegründet wurde.
Die DUP steht klar auf der Seite der Brexit-Anhänger. Foster hat dennoch immer wieder betont, dass sie keinen extremen Bruch mit Brüssel wünscht aufgrund der besonderen Situation Nordirlands, wo sich jahrzehntelang katholische Republikaner, die eine Vereinigung mit dem Nachbarn anstrebten, und protestantische probritische Unionisten gewaltsam bekämpft haben. Stattdessen bestand die 49-Jährige auf einer durchlässigen Grenze, ohne neue Kontrollen zwischen der Republik Irland und Nordirland zu errichten. Gleichzeitig ist es das zentrale politische Anliegen der DUP, an der Einheit der Provinz mit Großbritannien festzuhalten.
Johnson weiß also, dass er auf die Stimmen der DUP im Unterhaus nicht setzen kann. Immerhin erhielt er Unterstützung von einigen ehemaligen konservativen Parlamentariern und Labour-Abgeordneten. Ob das allerdings für eine Mehrheit ausreichen wird, ist völlig ungewiss. Beobachtern zufolge fehlen ihm zwischen zwei und sechs Stimmen. Hinter den Kulissen wurde am Freitag Berichten zufolge von beiden Seiten heftig um Stimmen geworben und gedroht. Dabei scheint es mitunter hart zur Sache zu gehen. Von „mittelalterlichen“Methoden war die Rede.