Mittelschwaebische Nachrichten
Handwerk will Meister für mehr Berufe zurück
In Kempten erhalten 510 junge Männer und Frauen aus ganz Schwaben ihren Meisterbrief. Handwerkskammer-Präsident Hans-Peter Rauch fordert, den Titel auch in anderen Branchen verpflichtend zu machen
Kempten/Königsbrunn Für Lucas und Stefan Willam aus Königsbrunn war von Anfang an klar, dass sie in einem handwerklichen Beruf arbeiten wollen. Ein Grund: Die beiden Brüder hatten früh Einblick in den Betrieb ihrer Eltern – das Bauunternehmen Eiwi Tief- und Pflasterbau. „Seit ich denken kann, kenne ich den Anblick der großen Baufahrzeuge und war auf Baustellen mit dabei“, sagt Stefan, der jüngere der beiden Brüder. Heute blickt der 23-Jährige längst nicht mehr nur bewundernd auf das Werkzeug, sondern arbeitet damit – als frisch gebackener Elektrotechnik-Meister beim Königsbrunner Bauunternehmer Dumberger.
Stefan Willam ist nur einer von 510 neuen Meisterinnen und Meistern in Schwaben, die in den letzten Monaten ihre Prüfung abgelegt hatten und jetzt auf einer Feier in der Big Box in Kempten vor 1200 Gästen ihren Meisterbrief in Empfang nehmen konnten. Hans-Peter Rauch, Präsident der Handwerkskammer für Schwaben, forderte dabei, den Meistertitel wieder zu stärken. Im Jahr 2004 war die Meisterpflicht in vielen Berufen abgeschafft worden. „Die Abschaffung in 53 Gewerken zum Jahr 2004 haben wir nie akzeptiert“, sagte Rauch. Dass die Bundesregierung die Meisterpflicht diesen Oktober in zwölf Berufen – zum Beispiel für Fliesenleger – wieder eingeführt hat, wertete Rauch als „wichtigen Schritt in die richtige Richtung“. Doch nach Ansicht des Kammerpräsidenten reicht dies nicht.
„Es wäre schön gewesen, wenn die Meisterpflicht für ein paar Berufe mehr zurückgekehrt wäre“, sagte Rauch im Gespräch mit unserer Zeitung. Ziel sei es, dass auch andere Berufe „zurückvermeistert“werden, formulierte es Rauch. Der Handwerkspräsident nennt drei Beispiele. Zum einen Gebäudereiniger. „Einen Klinikumsbereich von Keimen zu reinigen, ist eine anspruchsvolle Aufgabe, für die es einer hohen Qualifikation bedarf“, sagt Rauch. Auch für Galvaniseure sollte seine Meinung nach die Meisterpflicht wieder eingeführt werden, da diese mit gefährlichen Säuren und Laugen arbeiten. Zudem Rauch, auch Gold- und Silberschmiede wieder aufzunehmen. „Bei ihnen gibt es viel historisches Wissen, das mit dem Wegfall der Meisterpflicht nicht mehr weitergegeben wird“, kritisiert Rauch.
Teile der Politik warnen dagegen vor der Einführung der Meisterpflicht in weiteren Bereichen: „Eine weitergehendere Ausweitung der Meisterpflicht wäre höchst riskant“, sagte Michael Theurer, stellvertretender Vorsitzender der FDP-Fraktion im Deutschen Bundestag, unserer Zeitung. „Durch die Aufnahme weiterer Gewerke würden sich verfassungsund europarechtliche Fragen mit einer neuen Intensität stelfordert len“, argumentiert er. „Durch eine solche Ausweitung wäre die Meisterpflicht an sich gefährdet. Das wäre auch nicht im Interesse der Handwerkskammern.“
Wer heute in seinem Beruf einen Meister macht, tut dies aus Überzeugung: „Ich bin nicht für einen Ganztags-Bürojob gemacht, ich will raus auf die Baustelle“, erklärt in Königsbrunn Stefan Willam, nur um gleich hinzuzufügen, dass er auch nicht den ganzen Tag Steckdosen setzen wolle. Ein Mix sei für ihn das Richtige. Mit seinem Meistertitel kümmert er sich nicht nur um die praktische Seite seines Berufs wie das Verkabeln und Programmieren von Smart Homes, sondern plant auch am Schreibtisch und koordiniert andere Handwerker. Sein junges Alter sei dabei kein Hindernis: „Es war von Anfang an kein Problem, von den deutlich älteren Kollegen akzeptiert zu werden.“
Sein Bruder Lucas Willam hat seinen Meistertitel schon seit Jahren in der Tasche: Jetzt hat er zusätzlich eine Ausbildung zum Betriebswirt abgeschlossen. „Natürlich habe ich schon beim Meister etwas von der kaufmännischen Seite mitbekommen, aber als Betriebswirt kenne ich mich damit jetzt richtig gut aus“, sagt der 24-Jährige. Er ist Vorarbeiter bei der Firma Dobler und Meister im Straßenbau. Wie sein Bruder lege auch er Wert auf eine Mischung von Büroarbeit und Anpacken. Er macht ebenso gerne Materialbestellungen, wie er vermisst oder mit dem Bagger arbeitet.
Beide bereuen es nicht, sich für einen handwerklichen Beruf entschieden zu haben. „Handwerker sind gesucht, und es gibt immer weniger“, erklärt Lucas Willam. Er schätze seinen Beruf als sehr zukunftssicher ein. Auch privat sei das Erlernte nützlich: „Ich habe ein altes Haus gekauft und zusammen mit Stefan fast völlig in Eigenregie kernsaniert.“Außerdem mache ihm die Arbeit Spaß, und er sehe immer gleich, was er geleistet habe.