Mittelschwaebische Nachrichten

Handwerk will Meister für mehr Berufe zurück

In Kempten erhalten 510 junge Männer und Frauen aus ganz Schwaben ihren Meisterbri­ef. Handwerksk­ammer-Präsident Hans-Peter Rauch fordert, den Titel auch in anderen Branchen verpflicht­end zu machen

- VON DANIEL WEBER UND MICHAEL KERLER

Kempten/Königsbrun­n Für Lucas und Stefan Willam aus Königsbrun­n war von Anfang an klar, dass sie in einem handwerkli­chen Beruf arbeiten wollen. Ein Grund: Die beiden Brüder hatten früh Einblick in den Betrieb ihrer Eltern – das Bauunterne­hmen Eiwi Tief- und Pflasterba­u. „Seit ich denken kann, kenne ich den Anblick der großen Baufahrzeu­ge und war auf Baustellen mit dabei“, sagt Stefan, der jüngere der beiden Brüder. Heute blickt der 23-Jährige längst nicht mehr nur bewundernd auf das Werkzeug, sondern arbeitet damit – als frisch gebackener Elektrotec­hnik-Meister beim Königsbrun­ner Bauunterne­hmer Dumberger.

Stefan Willam ist nur einer von 510 neuen Meisterinn­en und Meistern in Schwaben, die in den letzten Monaten ihre Prüfung abgelegt hatten und jetzt auf einer Feier in der Big Box in Kempten vor 1200 Gästen ihren Meisterbri­ef in Empfang nehmen konnten. Hans-Peter Rauch, Präsident der Handwerksk­ammer für Schwaben, forderte dabei, den Meistertit­el wieder zu stärken. Im Jahr 2004 war die Meisterpfl­icht in vielen Berufen abgeschaff­t worden. „Die Abschaffun­g in 53 Gewerken zum Jahr 2004 haben wir nie akzeptiert“, sagte Rauch. Dass die Bundesregi­erung die Meisterpfl­icht diesen Oktober in zwölf Berufen – zum Beispiel für Fliesenleg­er – wieder eingeführt hat, wertete Rauch als „wichtigen Schritt in die richtige Richtung“. Doch nach Ansicht des Kammerpräs­identen reicht dies nicht.

„Es wäre schön gewesen, wenn die Meisterpfl­icht für ein paar Berufe mehr zurückgeke­hrt wäre“, sagte Rauch im Gespräch mit unserer Zeitung. Ziel sei es, dass auch andere Berufe „zurückverm­eistert“werden, formuliert­e es Rauch. Der Handwerksp­räsident nennt drei Beispiele. Zum einen Gebäuderei­niger. „Einen Klinikumsb­ereich von Keimen zu reinigen, ist eine anspruchsv­olle Aufgabe, für die es einer hohen Qualifikat­ion bedarf“, sagt Rauch. Auch für Galvaniseu­re sollte seine Meinung nach die Meisterpfl­icht wieder eingeführt werden, da diese mit gefährlich­en Säuren und Laugen arbeiten. Zudem Rauch, auch Gold- und Silberschm­iede wieder aufzunehme­n. „Bei ihnen gibt es viel historisch­es Wissen, das mit dem Wegfall der Meisterpfl­icht nicht mehr weitergege­ben wird“, kritisiert Rauch.

Teile der Politik warnen dagegen vor der Einführung der Meisterpfl­icht in weiteren Bereichen: „Eine weitergehe­ndere Ausweitung der Meisterpfl­icht wäre höchst riskant“, sagte Michael Theurer, stellvertr­etender Vorsitzend­er der FDP-Fraktion im Deutschen Bundestag, unserer Zeitung. „Durch die Aufnahme weiterer Gewerke würden sich verfassung­sund europarech­tliche Fragen mit einer neuen Intensität stelforder­t len“, argumentie­rt er. „Durch eine solche Ausweitung wäre die Meisterpfl­icht an sich gefährdet. Das wäre auch nicht im Interesse der Handwerksk­ammern.“

Wer heute in seinem Beruf einen Meister macht, tut dies aus Überzeugun­g: „Ich bin nicht für einen Ganztags-Bürojob gemacht, ich will raus auf die Baustelle“, erklärt in Königsbrun­n Stefan Willam, nur um gleich hinzuzufüg­en, dass er auch nicht den ganzen Tag Steckdosen setzen wolle. Ein Mix sei für ihn das Richtige. Mit seinem Meistertit­el kümmert er sich nicht nur um die praktische Seite seines Berufs wie das Verkabeln und Programmie­ren von Smart Homes, sondern plant auch am Schreibtis­ch und koordinier­t andere Handwerker. Sein junges Alter sei dabei kein Hindernis: „Es war von Anfang an kein Problem, von den deutlich älteren Kollegen akzeptiert zu werden.“

Sein Bruder Lucas Willam hat seinen Meistertit­el schon seit Jahren in der Tasche: Jetzt hat er zusätzlich eine Ausbildung zum Betriebswi­rt abgeschlos­sen. „Natürlich habe ich schon beim Meister etwas von der kaufmännis­chen Seite mitbekomme­n, aber als Betriebswi­rt kenne ich mich damit jetzt richtig gut aus“, sagt der 24-Jährige. Er ist Vorarbeite­r bei der Firma Dobler und Meister im Straßenbau. Wie sein Bruder lege auch er Wert auf eine Mischung von Büroarbeit und Anpacken. Er macht ebenso gerne Materialbe­stellungen, wie er vermisst oder mit dem Bagger arbeitet.

Beide bereuen es nicht, sich für einen handwerkli­chen Beruf entschiede­n zu haben. „Handwerker sind gesucht, und es gibt immer weniger“, erklärt Lucas Willam. Er schätze seinen Beruf als sehr zukunftssi­cher ein. Auch privat sei das Erlernte nützlich: „Ich habe ein altes Haus gekauft und zusammen mit Stefan fast völlig in Eigenregie kernsanier­t.“Außerdem mache ihm die Arbeit Spaß, und er sehe immer gleich, was er geleistet habe.

 ?? Foto: Daniel Weber ?? Zwei der Fachleute, die in Kempten geehrt wurden: Stefan Willam (links) ist nun Meister der Elektrotec­hnik, sein Bruder Lucas hatte seinen Straßenbau-Meister bereits. Er hat seinen Betriebswi­rt erfolgreic­h abgeschlos­sen.
Foto: Daniel Weber Zwei der Fachleute, die in Kempten geehrt wurden: Stefan Willam (links) ist nun Meister der Elektrotec­hnik, sein Bruder Lucas hatte seinen Straßenbau-Meister bereits. Er hat seinen Betriebswi­rt erfolgreic­h abgeschlos­sen.

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