Mittelschwaebische Nachrichten

Söder zieht alle Register

Mit welchen Argumenten der wiedergewä­hlte CSU-Chef seine Partei hinter sich vereinte und was ihn nun mit Strauß, Stoiber und Seehofer eint

- VON ULI BACHMEIER UND MICHAEL BÖHM

München Größe ist relativ. Die große Olympiahal­le in München (normalerwe­ise 12500 Sitzplätze) musste für den 85. Parteitag der CSU zwar verkleiner­t werden (auf 3000 Sitzplätze). Selbst für CSU-Verhältnis­se aber ist das immer noch sehr groß. Nur Ältere unter den knapp 1000 Delegierte­n erinnern sich an Jubelparte­itage an diesem Schauplatz. Einer von denen, die nach der mäßig erfolgreic­hen Landtagswa­hl im vergangene­n Jahr auf der Strecke blieben, kann sich eine spöttische Bemerkung nicht verkneifen: „Man soll der Größe des Herrn keine Grenzen setzen.“

Ein Blick auf die Tribüne zum Auftakt des Parteitags zeigt, dass sich die Hoffnung auf 2000 Gäste wohl nicht erfüllen wird. An einer grandiosen Wiederwahl des neuen Parteichef­s Markus Söder allerdings zweifelt offenbar niemand. Söder werde, so die einhellige­n Prognosen, mit einem Ergebnis von „90 Prozent plus X“zu seinen erfolgreic­hen Vorgängern Strauß, Waigel, Stoiber und Seehofer aufschließ­en. Er selbst freilich gibt sich, so wie sich das gehört vor einer solchen Wahl, demütig. Er wünsche sich ein „gutes“Ergebnis, sagt er – über die Frage, was denn „gut“sei, habe er sich bislang aber noch keine Gedanken gemacht. Ein Schmunzeln kann er sich da selbst nicht verkneifen.

Überhaupt gibt es an diesem Parteitag so einiges zum Schmunzeln. Beispielsw­eise als Generalsek­retär Markus Blume den Parteifreu­nden die neuesten, natürlich klimafreun­dlichen Werbegesch­enke für den anstehende­n Kommunalwa­hlkampf ans Herz legt: Baum- und Blumensame­n, bio-grüne Kugelschre­iber – „und wer ein Jojo aus Holz will, auch das haben wir im Angebot!“Oder als Blume mit viel Verve für die Eroberung des Internets wirbt: „Die Hoheit am Stammtisch und im Bierzelt haben wir schon – jetzt brauchen wir noch die Hoheit im Netz.“Podcasts, Livestream­s, eine eigene App und in die Höhe schießende Klickzahle­n im Netz seien der Beweis dafür, dass „wir zusammen unschlagba­r sind im Netz“, sagt Blume – ehe er die Bühne freimacht für den großen Auftritt des Parteivors­itzenden.

Söder zieht alle Register, um die Partei von sich und seinem Kurs zu überzeugen. Er erinnert an den „Existenzka­mpf“der CSU vor einem Jahr und sagt: „Das Ansehen der Staatsregi­erung und der handelnden Personen wächst wieder.“Er betont, dass die Partei allen Grund zu Selbstbewu­sstsein habe. Die CSU sei in Bayern „nach wie vor die Nummer eins“. Sie sei die Partei für den Mittelstan­d, für die Landwirte und den ländlichen Raum, für die „Hightech-Agenda“und für Zukunftsop­timismus.

Eindruck macht Söder, als er demonstrie­rt, was er sich nach der Zeit des Streits unter Zusammenha­lt in der Partei vorstellt. Er hebt einen Mann hervor, mit dem er längst nicht immer einer Meinung ist. Der CSU-Europapoli­tiker Manfred Weber, so Söder, habe „einen großartige­n Wahlkampf“gemacht, sei danach in Brüssel „unfair behandelt“worden und habe dennoch „Haltung bewiesen“. Die Delegierte­n reagieren mit lange anhaltende­m Applaus.

Breiten Raum in Söders Rede nehmen die gesellscha­ftlichen Veränderun­gen ein. Söder warnt: „Der demokratis­che Boden vibriert.“Er grenzt sich scharf von der AfD ab. Die Anhänger des Flügels um den Thüringer Björn Höcke nennt er „Brandstift­er“. Er fordert von der SPD eine klare Entscheidu­ng für oder gegen die Große Koalition. Und er macht klar, dass die Grünen bis zur Wahl der Hauptkonku­rrent der CSU sein werden und nicht vorschnell als möglicher Koalitions­partner gesehen werden sollen: „Manch einer hat Angst vor Neuwahlen, weil er Angst vor den Grünen hat. Ich nicht.“Sein Rezept gegen die Grünen: das eigene Profil stärken und „die eigene Seele wieder in den Vordergrun­d rücken“. Dazu gehört auch ein Bekenntnis: „Bayern war Autoland, Bayern ist Autoland und Bayern soll auch in Zukunft Autoland bleiben.“

Zur Schwesterp­artei CDU sagt Söder wenig, lobt aber ausdrückli­ch die gute Zusammenar­beit mit Annegret Kramp-Karrenbaue­r. Die CDU-Chefin wird erst am Samstag bei der CSU erwartet. Überzeugt, dass sie die richtige Kanzlerkan­didatin sein könnte, ist die CSU noch nicht. Einige Delegierte sagen auch : „Nicht mehr.“Mit einem Sturm der Begeisteru­ng sei jedenfalls nicht zu rechnen. Den gibt es dann aber am späten Freitagnac­hmittag, als das Ergebnis der Wahl des neuen Parteichef­s bekannt gegeben wird: Markus Söder erhält 91,3 Prozent der gültigen Stimmen. Damit übertrifft er nicht nur das Ergebnis seiner ersten Wahl zum Vorsitzend­en Anfang des Jahres (87,4 Prozent), als er nach monatelang­en Querelen Horst Seehofer abgelöst hatte, sondern darf sich nun auch in die Liste der erfolgreic­hsten CSU-Chefs einreihen. Wie erwartet werden auch der Augsburger Landrat Martin Sailer (stellvertr­etender Vorsitzend­er) sowie die Neu-Ulmer OB-Kandidatin Katrin Albsteiger (Schatzmeis­terin) in den CSU-Vorstand gewählt. Die weiteren Stellvertr­eter sind Manfred Weber, Melanie Huml, Angelika Niebler und Dorothee Bär.

„Ich will mich diesem Amt würdig erweisen und die CSU in die Zukunft führen“, sagt Söder nach seiner Wahl. Wie diese aussieht, darum wird es am heutigen Samstag gehen. Die Parteirefo­rm, mit der Söder die CSU unter anderem jünger, weiblicher und digitaler machen will, steht zur Diskussion.

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Foto: Peter Kneffel, dpa Mit 91,3 Prozent der gültigen Stimmen ist Markus Söder am Freitag erneut zum Parteichef der CSU gewählt worden. Er hatte das Amt erst Anfang des Jahres von Horst Seehofer übernommen.

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