Mittelschwaebische Nachrichten
Über die Hintertreppe zu Erfolg und Anerkennung
Der Krumbacher Künstler Alfred Hennings wäre am 25. Oktober 100 Jahre alt geworden. Sein Leben ist ein Spiegelbild der Windungen der Zeitgeschichte
Krumbach Wer den Maler und Designer Alfred Hennings beim Festakt zu seinem 90. Geburtstag im Krumbacher Schloss erlebte, der hätte ihm weitere zehn Lebensjahre allemal zugetraut. Vital und aktiv wirkte der Jubilar, neugierig und experimentierfreudig, körperlich fit und geistig hellwach. Als er auf die Lobreden zu seinem Leben und Werk antwortete, erntete er mit einer Anspielung auf Wilhelm Weischedels Buch „Die philosophische Hintertreppe“viel Beifall. Wenn er sein Leben rückblickend betrachte, erklärte Hennings, so sei er immer ans Ziel gekommen, nie aber auf dem direkten Weg, stets über die Hintertreppe. Eine direkte Karriere, gleichsam erzwungen durch Strategie, unerschütterliches Selbstbewusstsein und Ellbogenmentalität, das war kein Weg für Alfred Hennings.
Ohnehin versperrten ihm die politischen Ereignisse eine gradlinige künstlerische Entwicklung. Von der „Fachschule für angewandte Kunst“in Magdeburg wurde er als 20-Jähriger 1939 zum Kriegsdienst eingezogen. Als er zehn Jahre später aus russischer Gefangenschaft zurückkam, gab es kein Zuhause mehr. Die Eltern waren bei einem Bombenangriff ums Leben gekommen, das Elternhaus zerstört.
Es sind immer wieder Zufälle, vor allem aber Zufallsbekanntschaften gewesen, die Alfred Hennings den Weg wiesen, ihm Brücken „bauten“und Türen öffneten, was er in seinen Bildern oft thematisierte. Ein Kriegskamerad hatte Alfred Hennings angeboten, er könne nach dem Krieg Holzbildhauer bei ihm lernen, wenn er nicht mehr weiter wisse. Holzbildhauer, akademischer Maler und Grafiker, wie der mittellose Student in den kargen Nachkriegsjahren eine so umfassende Ausbildung finanzierte, darauf gibt es zwei Antworten. Ein Bild von ihm zeigt den Blick aus dem nur wenige Quadratmeter großen Zimmer, das er und seine Frau Margret damals bewohnten.
Die Fähigkeit, ganz karg zu leben, ist das eine. Immer wieder jemanden kennenzulernen, der weiterhilft, ist das andere. Schon während des Grafik-Studiums an der Fachhochschule in Bielefeld bekommt Hennings Aufträge. Beispielsweise soll er die Räume der neu gebauten Villa eines Industriellen gestalten und möblieren. Der junge Designer wird rasch zum Geheimtipp.
Er leitet schon kurz nach dem Studium das Atelier der MelittaWerke und entwirft 1960 die Verpackung der Melitta-Filtertüte, die so zeitlos gerät, dass es sie, mit geringfügigen Änderungen, bis heute gibt.
Als sich Hennings einige Jahre später beruflich neu orientiert, leitet ihn ein Missverständnis. Er sei, so erzählte er gern, zum Vorstellungsgespräch in das falsche Krumbach gereist, das sich im Nachhinein aber für ihn als das richtige erwiesen habe.
Er fasst in Mittelschwaben Fuß, arbeitet als freier Grafiker und Maler, als Kunstlehrer an mehreren Bildungseinrichtungen. In seinem Atelier entstehen Gemälde und Grafiken, die sich vielfach auch mit den Problemen der Zeit auseinandersetzen. Einige davon sind sozusagen zu „Klassikern“geworden. Der Künstler wollte sie nicht verkaufen, stellte sie aber immer wieder aus, sodass der Besuch seiner Ausstellungen immer auch zu einer Begegnung mit Bildern wurde, die zu einer Art von Gemeingut in Krumbach geworden waren.
Alfred Hennings hat der regionalen Kunstszene viel gegeben. Er wies vielen Schülern den Weg zur Kunst. Vor allem aber war er als Mensch und Freund geschätzt, der stets freigiebig aus seinem unendlich reichen Fundus an Erfahrungen und Geschichten austeilte.
Info: Zum 100 Geburtstag präsentiert das Mittelschwäbische Heimatmuseum die Ausstellung: Alfred Hennings (1919 – 2014): Begegnungen. Gezeigt werden Gemälde, Zeichnungen, Collagen, Druckund Werbegrafik. Die Ausstellung wird bis zum 24. November zu sehen sein.