Mittelschwaebische Nachrichten

Arbeiten für Jettinger Medizinzen­trum ruhen

Am Ortseingan­g der Gemeinde soll ein Versorgung­szentrum entstehen. Bislang gehörte die Fläche dem Apotheker, gegen den die Behörden ermitteln. Was dort nun geschehen soll. Und wie es um den Rechtsstre­it des Mannes steht

- VON TILL HOFMANN

Jettingen-Scheppach Ein Eilantrag soll – so er Erfolg hat – verhindern, dass die St.-Martins-Apotheke in Jettingen-Scheppach schließen muss. Die baldige Schließung aber verfolgt das Landratsam­t als Aufsichtsb­ehörde mit dem Widerruf der Betriebser­laubnis. Das Amt hält, wie berichtet, dem Apotheker vor, nicht zuverlässi­g zu sein, um sein Geschäft korrekt führen zu können. Der von dem Anwalt des Jettinger Apothekers Dr. Michael Lyhs angekündig­te Eilantrag lag dem Verwaltung­sgericht Augsburg zufolge bis Freitagmit­tag noch nicht vor. Behördenak­ten schon. Die Sammlung des Landratsam­tes Günzburg umfasst über 800 Seiten. Darunter sind auch einige Fotos, die von Behördenve­rtretern während der Razzien im Juli gemacht worden waren.

Die 1. Kammer des Verwaltung­sgerichts ist unter anderem mit dem Vollzug des Arzneimitt­elgesetzes betraut. Sie wird sich des Falles annehmen. Nur wann, das ist die Frage. „Über einen Eilantrag müsste zeitnah entschiede­n werden. Aber es ist auch sorgfältig zu prüfen“, sagt Wolfgang Miller, der Sprecher des Verwaltung­sgerichts. In der Hauptsache ist von Lyhs’ Augsburger Rechtsanwa­lt Christoph Mayer bereits Klage eingereich­t worden.

Während also verwaltung­srechtlich in den nächsten Tagen etwas geschehen könnte, werden sich die unter Umständen strafrecht­lich relevanten Ermittlung­en noch länger hinziehen. Thomas Hörmann, Sprecher der Staatsanwa­ltschaft Memmingen, hat sich auf Nachfrage unserer Zeitung beim zuständige­n Sachbearbe­iter umgehört. Und der nannte als Zeitrahmen „vier bis fünf Monate“. Dann sollen die Ermittlung­en spätestens abgeschlos­sen sein und dann soll entschiede­n werden, ob die Staatsanwa­ltschaft Anklage erhebt oder nicht. Entgegen einer früheren Ankündigun­g des Landesamte­s für Gesundheit und Lebensmitt­elsicherhe­it (LGL) liegt der Staatsanwa­ltschaft offenbar noch nicht das vollständi­ge Gutachten der Landesbehö­rde vor. Bei Durchsuchu­ngen der drei relevanten Apotheken – zwei davon in Jettingen-Scheppach – waren unter anderem Proben von 60 Präparaten mitgenomme­n worden, um sie im Landesamt zu analysiere­n. Einer der Vorwürfe gegenüber dem Apotheker lautet, er habe selbst hergestell­te Präparate als Nahrungser­gänzungsmi­ttel deklariert, obwohl sie dem Arzneimitt­elgesetz unterlägen. Die über etwa die Hälfte dieser Produkte sei abgeschlos­sen. Außerdem sollen noch Zeugen vernommen werden – zum Beispiel Abnehmer der Ware. Auch die Vertriebsw­ege etwa der Ausgangsst­offe sollen nachvollzo­gen werden. Nach Informatio­nen unserer Zeitung stammen sie zum Teil jedenfalls aus dem Ausland.

Das LGL hatte zwei Präparate mit den Wirkstoffe­n Procain und Roter Reisschale­nextrakt nach einer Anzeige, die im Günzburger Landratsam­t eingegange­n war, nach den erwähnten Razzien und nach entspreche­nden Laboranaly­sen als „gesundheit­lich bedenklich“eingestuft. Aus der Bevölkerun­g schlug und schlägt dem Apotheker eine Welle der Solidaritä­t und Sympathie entgegen. Entspreche­nde Bezeugunge­n haben in dieser Zeitung Leserbrief­spalten gefüllt. Vor wenigen Tagen hatte Lyhs angekündig­t, dass wohl am 24. Oktober Schluss sein werde. Erst steht ein Betriebsur­laub an. Und dann hängt die Weiterführ­ung der Apotheke wohl vom Beschluss des Verwaltung­sgerichts über den noch einzureich­enden Eilantrag ab.

Folgen hat die Auseinande­rsetzung schon jetzt. Noch vor Wochen wurde am Ortseingan­g von Jettingen vor dem Edeka-Markt eine Baugrube ausgehoben. Doch plötzExper­tise lich hatten die Baumaschin­en dort, wo ein Medizinisc­hes Versorgung­szentrum entstehen soll, ihre Arbeit eingestell­t und waren abgezogen worden. Grundstück­seigentüme­r war Lyhs. Inzwischen sind die knapp 3000 Quadratmet­er an Johann und Georg Schlachter von der PS-Finanz GmbH verkauft worden. Ein Immobilien­maklerbüro als „Vollsortim­enter“, wie Johann Schlachter sagt. Dessen Sitz ist in Krumbach. Die wesentlich größere Fläche, auf dem auch der Supermarkt steht, gehört den beiden Gesellscha­ftern der PS-Finanzgese­llschaft bereits. Dass nun der Grund in einer Hand liegt, hat Vorteile: zum Beispiel, was die Abstandsfl­ächen anbelangt, erklärt Geschäftsf­ührer Johann Schlachter am Telefon. Jetzt ließen sich besser Parkmöglic­hkeiten schaffen.

Die Brüder wollen das Gesamtkonz­ept überarbeit­en – und die Ideen und Entwicklun­gsmerkmale, die bislang schon Teile des Planungspr­ozesses waren, einbeziehe­n. Das Ziel der Investoren ist es, den Mietern eines möglichen Medizinisc­hen Versorgung­szentrums eine „maximale Ertragsmög­lichkeit“zu schaffen (Johann Schlachter) – und für die Marktgemei­nde JettingenS­cheppach eine besondere Entwicklun­gsmöglichk­eit im Eingangsbe­reich des Ortes.

An Lyhs’ Lauterkeit zweifelt der Geschäftsf­ührer von PS-Finanz nicht. Der Mann sei beliebt. Er werde wegen seiner Kompetenz geschätzt, die auch für das Bauprojekt genutzt werden solle. „Und eine Apotheke ist und bleibt auch Inhalt des Gesamtkonz­epts“, sagt Johann Schlachter. Ob sie Lyhs betreiben wird, vermag er nicht zu sagen. Bauabschni­tte sollen nacheinand­er verwirklic­ht werden. Die zeitliche Zielmarke ist das Ende des Jahres 2022. Dann sollen alle Bauten auch stehen.

 ?? Foto: B. Weizenegge­r ?? Die Baugrube am Ortseingan­g von Jettingen ist derzeit verwaist. Das Grundstück hat mit der PS-Finanz GmbH einen neuen Eigentümer. Zuvor gehörte es Dr. Michael Lyhs, dessen St.-Martins-Apotheke das Landratsam­t schließen will.
Foto: B. Weizenegge­r Die Baugrube am Ortseingan­g von Jettingen ist derzeit verwaist. Das Grundstück hat mit der PS-Finanz GmbH einen neuen Eigentümer. Zuvor gehörte es Dr. Michael Lyhs, dessen St.-Martins-Apotheke das Landratsam­t schließen will.

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