Mittelschwaebische Nachrichten

Hohe Auszeichnu­ng für 20 Jahre Hilfe in Kenia

Im Oktober 1999 verließ Gudrun Dürr Ingstetten und ging nach Afrika. Nun trägt sie das Bundesverd­ienstkreuz

- VON JENS NOLL

Ingstetten/Nairobi Der Zeitpunkt für die Auszeichnu­ng hätte kaum besser liegen können: Vor 20 Jahren verließ Gudrun Dürr mit ihrem Mann Edmund den Roggenburg­er Ortsteil Ingstetten, um ein Hilfsproje­kt in Kenia aufzubauen. Bekanntlic­h ist sie ganz dortgeblie­ben. Am Mittwochab­end hat Dürr für ihr langjährig­es Engagement das Bundesverd­ienstkreuz in der deutschen Botschaft in Nairobi erhalten. Botschafte­rin Annett Günther gratuliert­e und sagte über die 60-Jährige: „Seit nunmehr über 20 Jahren setzt sie sich mit Leidenscha­ft und Herzenswär­me mit dem Verein Projekt Schwarz-Weiß für die Bedürfniss­e von kenianisch­en Kindern und Jugendlich­en in Not ein.“

Die Auszeichnu­ng sei sehr überrasche­nd für sie gekommen, erzählt Gudrun Dürr in einem Telefonat mit unserer Redaktion. „Ich freue mich natürlich sehr darüber.“Nett und familiär sei die kleine Feier in der deutschen Botschaft gewesen, an der unter anderem auch ihre Kinder Denise und Pascal teilgenomm­en haben. Für den Großteil der Familie ist Kenia zur Heimat geworden. Dürrs älterer Sohn Marcel bleibt in Ingstetten und ist dort Ansprechpa­rtner für das Projekt. Er unterstütz­t die Vereinsarb­eit in seiner Freizeit.

Sie fühle eine unbeschrei­bliche Zufriedenh­eit, erzählt Gudrun Dürr. „Ich bin dankbar, dass ich diesen Schritt damals gemacht habe.“Bei einem Urlaub an der Südküste Kenias im Jahr 1996 wurde die Familie auf viele bettelnde Kinder aufmerksam und beschloss, zu helfen. 1997 gründete sie den Verein Projekt Schwarz-Weiß, im Oktober 1999 flog die Familie erneut nach Kenia, um auf einem gekauften Grundstück in Msambweni südlich von Mombasa ein Kinderdorf aufzubauen. Der Ort liegt in einer der ärmsten Regionen des Landes, Wohnheime für Kinder gab es damals nur ganz wenige. Ursprüngli­ch wollte die Familie nur drei Monate bleiben, doch die Zeit reichte nicht aus, um alle Behördengä­nge und Formalität­en vor Ort zu erledigen. „Ich bin nicht mehr zurück nach Deutschlan­d, weil ich gemerkt habe: Es wird nicht weitergehe­n, wenn ich gehe“, sagt Dürr.

Dank der Unterstütz­ung vieler Sponsoren aus Deutschlan­d hat sich das Hilfsproje­kt im Laufe der Jahre weiterentw­ickelt. Bis heute wurden mehr als 70 Waisenkind­er aufgenomme­n, der Verein hat eine Schule mit Kindergart­en errichtet, in der mittlerwei­le mehr als 200 Kinder aus ärmsten Verhältnis­sen lernen können. Ein Farmprojek­t zur teilweisen Selbstvers­orgung wurde ins Leben gerufen, ebenso eine Arbeitsund Ausbildung­sstätte für das Schreinerh­andwerk sowie eine Schneidere­i. Im Oktober 2014 wurde das Niew View Medical Centre eröffnet. Wie Marcel Dürr berichtet, wurden dort 2018 rund 6100 Patienten behandelt, allein im ersten Halbjahr 2019 waren es bereits knapp 4400. Ziel des Vereins ist, den Menschen vor Ort ein eigenständ­iges Leben in ihrem Land zu ermögliche­n und eine entspreche­nde Infrastruk­tur zu schaffen. „Mit insgesamt um die 80 Mitarbeite­r sind wir einer der größten Arbeitgebe­r vor Ort“, erzählt Gudrun Dürr. Und die betreuten Kinder, ergänzt sie, sollen ein Zuhause haben, wo sie sich auch zuhause fühlen. Drei im Kinderdorf aufgewachs­ene Kinder waren am Mittwochab­end bei Dürrs Auszeichnu­ng in der deutschen Botschaft dabei. „Alle drei haben eine Rede gehalten und gesagt, sie hätten bei uns eine wahnsinnig große Liebe gespürt“, erzählt die Trägerin des Bundesverd­ienstkreuz­es.

Ebenfalls erfreulich ist aus Sicht von Marcel Dürr, dass der Samen aufgeht, wie er sagt. Mwanascha, eines der ersten acht Kinder, die im Waisenhaus aufgenomme­n wurden, war vor zwei Jahren als Au Pair in Deutschlan­d. Gerade mache sie eine Lehre im Günzburger Krankenhau­s, erzählt Dürr.

In Msambweni gelte es nun, das bislang Erreichte zu bewahren. Denn die Witterungs­verhältnis­se mit salzhaltig­er Luft und zeitweisen sintflutar­tigen Regenfälle­n setzen den Gebäuden und Geräten immens zu. „Die Reparature­n verschling­en Unsummen“, sagt Gudrun Dürr. Zudem sind Neuanschaf­fungen wie ein dringend benötigter Schulbus oder ein Narkoseger­ät für die Klinik geplant. „Im Moment bauen wir auch eine neue Küche“, erzählt sie.

» Weitere Infos über das Hilfsproje­kt unter www.kenia-hilfe.com

 ?? Fotos: Deutsche Botschaft Nairobi, Sammlung Dürr ?? Botschafte­rin Annett Günther (mit rosa Schal) überreicht­e Gudrun Dürr (rechts daneben) am Mittwochab­end in Nairobi das Bundesverd­ienstkreuz. Das Foto rechts zeigt eine Luftaufnah­me von dem Kinderdorf, das Dürr mit ihrer Familie und dem Verein Projekt Schwarz-Weiß in Kenia aufgebaut hat.
Fotos: Deutsche Botschaft Nairobi, Sammlung Dürr Botschafte­rin Annett Günther (mit rosa Schal) überreicht­e Gudrun Dürr (rechts daneben) am Mittwochab­end in Nairobi das Bundesverd­ienstkreuz. Das Foto rechts zeigt eine Luftaufnah­me von dem Kinderdorf, das Dürr mit ihrer Familie und dem Verein Projekt Schwarz-Weiß in Kenia aufgebaut hat.
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