Mittelschwaebische Nachrichten

Die Frage der Woche Dialekt in der Schule lernen?

- LEA THIES DORIS WEGNER

Ja mei, freilig! Ich würde jetzt diesen ProDialekt-Text gerne weiter auf Schwäbisch schreiben, aber leider spreche ich nur den Dialekt, den alle Hochdeutsc­h nennen – daran hätte sich auch nichts geändert, wenn wie das Fach „Dialekt“in der Schule gehabt hätten, damals, in den 1980ern im Raum Hannover. Sich jetzt von dem Kollegen aus Dillingen oder der Kollegin aus Augsburg helfen zu lassen, wäre nicht authentisc­h, käme irgendwie aufgesetzt rüber – und außerdem: Was würden dann Leser aus dem Allgäu dazu sagen?

Es ist wichtig, dass es eine einheitlic­he „Verkehrssp­rache“gibt, die jeder versteht, egal aus ob Nord oder Süd. Indem Hochdeutsc­h die Sprache in Schulen oder in den Medien ist, wird niemand ausgegrenz­t. Es ist aber dennoch wichtig, dass Dialekt gepflegt und von Kindesbein­en an gelernt wird, denn sprachlich­es Lokalkolor­it transporti­ert viel mehr als nur Informatio­nen. Da schwingt auch Geschichte, Tradition, Herkunft mit. Mundart sorgt für sprachlich­e Vielfalt, für wunderschö­ne Wörter, über die sich auch Menschen außerhalb der Heimat freuen können. Und doch ist die Mundart mancherort­s vom Aussterben bedroht. Das mag auch daran liegen, dass Dialektspr­echen vielerorts als hinterwäld­lerisch oder dumm wahrgenomm­en wird – dabei ist längst wissenscha­ftlich erwiesen, dass dabei das Gehirn trainiert wird, ähnlich wie beim Fremdsprac­henlernen. Dialekt braucht eine Imagekampa­gne. Mundart in Schulen zu fördern, ist ein richtiger Ansatz. Das darf aber nicht heißen, dass Dialekt zum Zwang oder gar benotet wird, schließlic­h soll Mundart Spaß machen. Und selbst wer nicht aktiv Dialekt spricht/sprechen will, sondern „nur“mundarteln­de Mitschüler versteht und toleriert, der hat „fei“doch was gewonnen.

Als ob Schulen nicht andere Probleme hätten. Lehrermang­el zum Beispiel. Zu große Klassen oft. Zu alte Räume. Zu wenige Räume. Keine Sporthalle. Oder keine Mensa... Kaum Unterstütz­ung wie das Thema Digitalisi­erung sinn- und maßvoll für den Unterricht umgesetzt werden kann. Und dann kommt auch noch der Söder Markus und fordert mehr Dialekt an Schulen – sozusagen zu integriere­n. Was für ein Schmarrn.

Hochdeutsc­h oder Dialekt – jeder soll reden, wie ihm der Schnabel gewachsen ist. Ein Schulthema – nur weil dort der staatliche Einfluss gewährleis­tet – ist Mundart jedenfalls nicht. Sowie der Verlust eines Kulturgute­s droht oder missfällt, sollen es die Schulen richten. Nur zur Erinnerung: Es wurde ja auch schon mal gefordert, an Schulen Schafkopf zu unterricht­en...

Und wie könnte das ganze in der Praxis aussehen? Vokabelnle­rnen nicht nur für Latein, Englisch und Fränzösisc­h, sondern auch auf Schwäbisch? Batschlach = Pfütze.

Spoichdi = Beeil dich. Babberle = Aufkleber.

Vor dem geistigen Auge sieht man prompt Schulkinde­r schwäbisch­e Steigerung­sformen dekliniere­n: Woischno, Woischdsch­ono. Deswoischd­aberfeisch­ono, gell?

Polemik beiseite: Wie soll und wie könnte Mundart in der Schule aufpfropft werden, wenn sie zu Hause oder im Umfeld nicht ganz normal gepflegt wird. Sprache verändert sich, passt sich der Zeit an. Andauernd und ganz automatisc­h. Vor fünf Jahren haben wir noch anderes gesprochen als wir es heute tun. Worte verschwind­en, neue kommen dazu, ja auch aus anderen Kulturen. Das macht den Charme und die Faszinatio­n von Sprache aus.

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Foto: Armin Weigel, dpa
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