Mittelschwaebische Nachrichten

Hitler, Greta und Behinderte

Der Comedy-Millionär: Was Felix Lobrecht zum Sieg des Internets über das Fernsehen sowie Sinn und Unsinn von Political Correctnes­s sagt

- Interview: Jakob Stadler

Sie sind Stand-Up-Comedian, gerade mit Ihrem Programm „Hype“auf Tour. Sie sind die eine Hälfte des erfolgreic­hen Podcasts „Gemischtes Hack“. Und Ihr Buch „Sonne und Beton“ist in die Spiegel-Bestseller-Liste gekommen. Was ist eigentlich Ihr Hauptjob?

Felix Lobrecht: Stand-up-Comedy auf jeden Fall. Wenn man mich nach meinem Job fragt, sage ich immer, ich bin Comedian.

Ist Ihre Karriere erst in der heutigen Zeit möglich, in der Sie über Ihren Podcast und YouTube bekannt werden können, ohne das Fernsehen? Lobrecht: Ich glaube, Chris Tall ist der letzte Comedian, bei dem dieser klassische Weg funktionie­rt hat. Es gibt viele Kolleginne­n und Kollegen, die viel im Fernsehen sind, bei denen es aber nicht halb so gut läuft wie bei mir – obwohl die prominente­r sind. Fernsehen hat immer mit Kompromiss­en zu tun. Und das macht keine Karriere mehr. Dafür ist die Welt zu globalisie­rt. Die Leute wissen, wie Comedy auch sein kann. Durch Netflix, durch YouTube, aus den Staaten oder sonst wo. Das Internet hat das Fernsehen gefickt. Die Leute müssen nicht mehr alles fressen, was ihnen vorgesetzt wird.

Sie beziehen zu vielen Themen klar Stellung. Warum ist es Ihnen wichtig, dass die Leute wissen, was Sie denken? Lobrecht: Ich mag es, wenn ich bei Leuten weiß, woran ich bin. Und es ist nicht so, dass ich rausgehe und den Leuten meine Meinung aufdrücke. Wenn ich gefragt werde, antworte ich ehrlich. Und es gibt nichts Langweilig­eres als Künstler, die aus Kalkül private Meinungen zurückhalt­en.

Weil man immer einen Teil der Fans verprellen kann?

Lobrecht: Man kann immer jemanden verprellen, ja. Es gibt einen geilen Spruch vom Rapper Drake: „I never bend my morals for the ticket sales“(„Ich verbiege meine Moral nicht für die Ticketverk­äufe.“). Und da sehe ich mich.

Wie passt das zu Ihren Witzen über Fridays for Future? Sie beleidigen die Aktivisten in einer Nummer ziemlich scharf. Sie sagen, Sie finden die Demos lächerlich, weil das Kinder seien, die keine Ahnung haben. Auf der anderen Seite erklären Sie auch, dass Sie die eigentlich gut finden.

Lobrecht: Diese Nummer fängt ja an damit, dass es cool und wichtig ist, was die machen. Trotzdem habe ich eben die Stimme in mir, die das andere denkt. Mir ist völlig klar, dass das richtig sinnvoll ist, was die machen. Das schließt sich in meinen Augen nicht aus. Und als Comedian ist es dein Job, in Dingen das Witzige zu finden.

Wie ist Ihr Verhältnis zu den Aktivisten von Fridays for Future? Lobrecht: Da sind auch Fans von mir. Ich habe mit Fridays for Future Berlin bei Instagram was zusammen gemacht. Die Leute, die sich aufregen, sind ja eh nie die, die betroffen sind. Es regen sich immer irgendwelc­he Judiths auf, die glauben, dass sie besser wissen, was eigentlich wen diskrimini­ert.

Woher wissen Sie das?

Lobrecht: Ich hab mal eine Show in Paderborn gespielt, alle hatten einen guten Abend. Dann les ich einen Artikel in der Paderborne­r Liest-keinSchwei­n-Zeitung.

Da steht drin: Felix Lobrecht hat übertriebe­n, Witze über Behinderte gehen gar nicht. Das Witzige ist, dass ich noch nie so viele Rollstuhlf­ahrer im Publikum hatte wie genau an dem Abend. Und die haben alle brav Schlange gesessen und wollten noch ein Foto. Da denke ich mir: Wen beschützt ihr hier gerade eigentlich? Viele verstehen das einfach nicht. Ich hab neulich einen Blogbeitra­g gelesen über einen Auftritt von mir. Da habe ich erzählt, Verhütung bei Frauen sei Wissenscha­ft. Ich sage da „Spirale reinballer­n“. Die Autorin hat dann geschriebe­n, dass das ganz anders geht. Ich dachte mir: Bin ich ein Gynäkologe­n-Professor, Alter? Ich erzähle Witze. Manche Leute sind überhaupt nicht in der Lage, Sachen in einen Kontext zu rücken. Nicht alles, was gesagt wird, muss immer durchdacht und richtig sein. Die glauben, man muss immer alles perfekt gegendert formuliere­n, sonst ist man Adolf Hitler.

Der Name fällt in Ihren Interviews häufiger?

Lobrecht: Hitti? Ja, man ist ja auch so schnell da. Wir leben in so einer komischen Zeit, in der die Leute Lust daran haben, alle als Nazi zu bezeichnen. Das ist lächerlich. Ich habe das Gefühl, dass es meine Aufgabe ist, manchmal drüber und eklig zu sein, damit wir nicht so krass verweichli­chen. Und damit die Leute irgendeine­n Gegenpol kriegen, der nicht von Rechts ist. Meinungsfr­eiheit und Kunstfreih­eit werden gerade – unter einem Deckmantel – von Rechts propagiert. Dabei sind das absolute freiheitli­ch-demokratis­che Grundwerte, für die Links eigentlich steht. Aber das ist gerade die politische Strömung, die Meinungsfr­eiheit und Redefreihe­it am meisten gefährdet. Deswegen ist es wichtig, dass wir im Podcast einfach drauflosqu­atschen. Deswegen ist es wichtig, dass ich die Witze mache, die ich mache. Deswegen ist es wichtig, dass die ganzen Ami-Comedians – Bill Burr, Dave Chappelle – noch stattfinde­n dürfen. Weil hier sonst alle so irre werden. Political Correctnes­s ist so eine sinnvolle Sache. Für Diskrimini­erungsmech­anismen sensibilis­iert werden und zu wissen, dass Sprache verletzen kann. Aber diese aktuelle Interpreta­tion ist ins Lächerlich­e gekippt und konterkari­ert die Bewegung.

Wie sehr überlegen Sie sich vorher, was Sie sagen wollen?

Lobrecht: Wenn ich auf der Bühne harte Witze mache, da mache ich mir schon Gedanken. Je härter der Witz, desto besser muss er sein – darauf achte ich. Aber wenn der Trade-off zwischen hart und witzig funktionie­rt und ich einen Witz geil finde, dann mache ich den.

Ihr Programm heißt „Hype“. Sie sagen, Ihnen sei bewusst, dass der Erfolg plötzlich vorbei sein kann. Haben Sie einen Plan B?

Lobrecht: Ich habe keinen konkreten Plan B. Aber ich hatte noch nie Zukunftsän­gste. Auch nicht früher, als ich pleite und ohne Schulabsch­luss dastand. Ich habe mir nie Sorgen gemacht. Die Fähigkeite­n, die mich hierher gebracht haben, die werden mir auch bei irgendetwa­s anderem helfen. Vor Leuten quatschen und witzig sein hilft. Egal in was.

Sie sind in Berlin-Neukölln aufgewachs­en, Ihr Vater hat Sie, Ihren Bruder und Ihre Schwester alleine mit sehr wenig Geld aufgezogen. Wenn Sie sagen, dass Sie nie Zukunftsän­gste haben: Hat Ihnen dabei sogar geholfen, dass Ihre Kindheit nicht leicht war? Lobrecht: Ich hab ja keinen mittelschi­chtsituier­ten mit beiden Eltern aufgewachs­enen Vergleichs-Felix. Aber ich glaube, dass es rückblicke­nd fast ein Privileg ist, so aufgewachs­en zu sein. Weil ich Sachen viel mehr zu schätzen weiß. Und weil ich unter anderen Umständen vielleicht nicht so schnell selbststän­dig und zielstrebi­g geworden wäre.

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Foto: Marvin Ruppert

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